ESG als Werttreiber: Wie Nachhaltigkeit Immobilienwerte verändert

02.07.2025

Autor

Rüdiger Hornung

Rüdiger Hornung

Partner

Wüest Partner

Blogbeitrag

ESG als Werttreiber: Wie Nachhaltigkeit Immobilienwerte verändert

Die Diskussion um Nachhaltigkeit hat längst auch die Immobilienbewertung erreicht. Was früher als „Soft Factors“ galt, lässt sich heute in Euro und Cent messen. ESG wirkt sich direkt auf Cashflows, Investitionen und damit auch auf Marktwerte aus. Die Bewertungsbranche muss darauf reagieren. Dank verbesserter Datenlage können ökologische Faktoren inzwischen objekt- und standortgenau erfasst und in die Bewertung integriert werden. Damit ist ESG endgültig in der Mitte des Marktes angekommen.

Von besonderer Bedeutung ist in erster Linie die energetische Dimension – wie Energieeffizienz, CO2-Emissionen und der verwendete Energieträger –, da sie unmittelbar die Wirtschaftlichkeit einer Immobilie beeinflusst. Höhere Betriebskosten, Investitionsbedarfe zur Erreichung regulatorischer Anforderungen und die Auswirkung auf die erzielbare Marktmiete schlagen sich direkt auf den Preis nieder. Ein energieineffizientes Gebäude ohne Modernisierungsperspektive kann damit ganz schnell zum Bewertungsrisiko werden. Umgekehrt können Sanierungsstrategien und der Einsatz klimafreundlicher Technologien den Wert und die Stabilität langfristig erhöhen. Diese Einschätzung ist längst keine Annahme mehr – sie lässt sich empirisch belegen.

Eine aktuelle Analyse von Wüest Partner liefert belastbare Zahlen. Für die Auswertung wurden rund 204.000 Inserate von Wohn- und Gewerbeimmobilien in Deutschland herangezogen, die zwischen April und August 2023 veröffentlicht wurden. Dabei wurden jeweils die hinterlegten Energieausweisdaten berücksichtigt. Die zentrale Frage lautete: Wie beeinflussen Energieeffizienzklasse und Art des Energieträgers die erzielbaren Mieten und Kaufpreise?

Das Ergebnis ist eindeutig. Bei Wohnimmobilien sinkt der durchschnittliche Kaufpreis je schlechterer Effizienzklasse um etwa 81 Euro pro Quadratmeter – bei Mehrfamilienhäusern sind es im Mittel sogar 87 Euro. Die Kaltmiete reduziert sich im Durchschnitt um 0,21 Euro pro qm je Klasse – bei einer 80-Quadrat meter-Wohnung entspricht das monatlich rund 17 Euro. Besonders deutlich werden die Effekte, wenn die Effizienzklassen A und B erreicht werden. Bei den Kaufpreisen fällt auf, dass der Einfluss bei niedrigerer Preise deutlich stärker ausfällt als bei hochpreisigen Immobilien.

Auch Büroimmobilien zeigen vergleichbare Effekte: Die Kaufpreise fallen pro Effizienzklasse um rund 88 Euro pro Quadratmeter, die Mieten um 0,16 Euro. Es zeigt sich: Energieeffizienz ist längst ein preisbildender Faktor – und zwar über alle Assetklassen hinweg.

Hinzu kommt der Einfluss des Energieträgers. Immobilien mit nicht-fossiler Heiztechnik – also beispielsweise Wärmepumpe, Pelletheizung oder Solarthermie – erzielen im Durchschnitt spürbar höhere Preise. Bei Wohnimmobilien lag der Abstand gegenüber fossilen Heizsystemen bei rund 740 Euro pro Quadratmeter.

Neben dem Einfluss auf die erzielbaren Erträge beeinflusst die Energieeffizienz auch direkt die beim Eigentümer verbleibenden Betriebskosten in Form der CO2 Steuer. Seit 2023 ist diese in Deutschland anteilig vom Vermieter zu tragen und die Kosten sind damit direkt Bewertungsrelevant. Insbesondere bei energieineffizienten Gebäuden mit niedrigen qm-Mieten können diese Kosten durchaus ein paar Prozent des Wertes ausmachen.

Zu guter Letzt haben nachhaltige Faktoren inzwischen auch einen Einfluss auf das Risiko, dass einem Immobilien investment von Marktteilnehmern zugeschrieben wird. Die EU-Taxonomie - der aktuelle EU-Standard für die Messung von Nachhaltigen Investment - wird von professionellen Investoren zunehmend als Ankaufskriterium angesehen und von Bestandshalten als Sanierungsziel ausgegeben.

Diese „grüne Prämie“ lässt sich damit aus besseren Ertragschancen, reduzierten Betriebskosten, einer besseren Taxonomie-Kompatibilität und damit geringeren zukünftigen Investitionen erklären. Sie ist Ausdruck eines strukturellen Wandels in der Käuferwahrnehmung: CO₂-Effizienz wird nicht nur regulatorisch gefordert, sondern entwickelt sich zum nachgefragten Investmentgut.

Was bedeutet das für Investoren und Bestandshalter? ESG ist heute eine wirtschaftliche Opportunität und längst keine moralische Kür mehr. Wer heute mögliche Investitionen in den Immobilien bestand beurteilt, muss ESG-Faktoren berücksichtigen – nicht nur aus Compliance-Gründen, sondern weil sie direkten Einfluss auf das Risiko und den Wert der Objekte haben. Die verbesserte Datenlage macht das möglich. CO₂-Emissionen, Energiekennzahlen oder Klimaexpositionen lassen sich heute objektiv erfassen und mit vergleichbaren Messwertenverse hen. Damit entstehen belastbare Entscheidungsgrundlagen für Ankaufsprüfungen, Sanierungsstrategien oder Portfoliosteuerung.

Im gleichen Zuge verändert sich dementsprechend die Bewertungspraxis selbst. Wo früher der Energieausweis allenfalls als Formalie galt, ist er heute ein zentrales Analyseelement. Energetische Kennwerte fließen dabei standardisiert in die Bewertungsgutachten ein – zum Beispiel bei der Ermittlung markt gerechter Mieten, der Einschätzung der nichtumlagefähigen Betriebskosten und der künftigen Instandhaltungskosten. Je schlechter die ESG-Bilanz eines Objekts, desto höher die Risikozuschläge und desto geringer der Marktwert. In der Folge nimmt auch die Spreizung zwischen ESG-konformen und nicht- konformen Objekten zu, mit wirtschaftlichen Folgen für Transaktionen, Finanzierung und Bilanzierung.

Die Immobilienbewertung steht also nicht am Anfang eines ESG-getriebenen Wandels, sondern ist bereits mittendrin. Der Zugang zu verlässlichen ESG-Daten, die Integration in die bestehenden Bewertungsmodelle und die zunehmende Marktsensibilität schaffen Fakten, die nicht länger ignoriert werden sollten. Für Bestandshalter und Investoren ist es daher entscheidend, ESG nicht nur als Berichtsanforderung zu verstehen, sondern als aktiven Hebel zur Steuerung von Risiken und Werten. Wer die Potenziale erkennt und strategisch handelt, kann Wertverluste vermeiden und die Zukunftsfähigkeit, Werthaltigkeit und Wertstabilität mit gezielten Investments fördern.

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