Leistbarer Wohnraum in Deutschland

08.10.2025

Autor

Dr. Frank Rackensperger RICS

Dr. Frank Rackensperger RICS 

Chief Executive Officer

GREA GmbH

Blogbeitrag

Leistbarer Wohnraum in Deutschland: Aktuelle Herausforderungen und Lösungsansätze

Die Diskussion um leistbaren Wohnraum prägt infolge des vor rund 15 Jahren begonnen Mietpreisanstiegs die wohnungspolitische Debatte in Deutschland. Angesichts steigender Mieten, stagnierender Neubautätigkeit und verändertem Wohnnachfrageverhalten rückt die Frage nach bezahlbarem Wohnen zunehmend in den Fokus. Zwar existiert keine allgemein anerkannte Definition zu leistbarem Wohnraum, allerdings sieht die Statistikbehörde der Europäischen Union einen Anteil der Wohnkosten am insgesamt verfügbaren Haushaltseinkommen von durchschnittlich 20% als üblich an – In Deutschland beträgt dieser Anteil im Durchschnitt bereits 25% mit steigender Tendenz.

Herleitung der „leistbaren“ Warmmiete
Laut Statistischem Bundesamt betrug das durchschnittliche äquivalenzgewichtete Nettoeinkommen je Haushalt 2023 etwa EUR 2.313 monatlich, was unter Annahme eines 25%-Anteils eine leistbare Warmmiete von rund EUR 578 pro Monat impliziert. Bei einer durchschnittlichen Wohnfläche von 91 m² je Haushalt wäre eine Warmmiete von ca. EUR 6,35 pro m² und Monat tragbar, wobei sich unter der Annahme der durchschnittlichen Nebenkosten von EUR 2,51 Euro pro Monat und Quadratmeter Mietfläche lediglich eine Nettokaltmiete von EUR 3,84 pro Monat und Quadratmeter ergäbe – ein Durchschnittswert der in sämtlichen Großstädten Deutschlands, teils um ein Vielfaches, überschritten wird. Genauer gesagt liegt die mittlere Angebotsmiete für eine 91-m²-Wohnung laut empirica-Preisdatenbank 2024 in München bei rund EUR 1.560 (EUR 17,14 pro m²), in Leipzig bei ca. EUR 860 (EUR 9,45 pro m²) und in Salzgitter bei rund EUR 670 (EUR 7,36 pro m²) jeweils pro Monat. Dies verdeutlicht nicht nur, dass die Wohnungsmietpreise je nach Standort weit über dem Wert für leistbarem Wohnraum liegen, sondern akzentuieren auch die Unterschiede je nach Stadt- und Markttyp. Hinzu kommt, dass sich im Zeitraum von 2019 bis 2023 laut Statistischem Bundesamt die durchschnittlichen Heizkosten je Haushalt um bis zu 60 % erhöht haben. Entsprechend wird neben der Begrenzung des Nettokaltmietenanstiegs die Energieeffizienz zu einem Schlüsselfaktor für leistbaren Wohnraum.

Wohnungsbestand vs. Nachfrage
Deutschland verzeichnete laut BBSR1 2023 einen Gesamtwohnungsbestand von rund 43,4 Mio. Einheiten. Dennoch bestehen deutliche regionale Disparitäten: In bevölkerungstechnisch wachsenden Metropolregionen trifft eine hohe Nachfrage auf ein knappes Wohnraumangebot im Generellen. Hinzu kommt, dass die Größen der Bestandswohnungen nicht zwingend der Wohnraumnach frage gerecht werden können: Tendenziell ist ein deutlicher Nachfrageüberhang an kleinen Wohnungen für Single-Haus halte bis zu rund 50 qm Wohnfläche und größeren Wohnungen für Familien ab rund 90 qm Wohnfläche beobachtbar. Demgegenüber weisen bevölkerungstechnisch schrumpfende Regionen signifikante Wohnungsleerstandsraten auf.

Staatliche Handlungsfelder
Die Bundesregierung initiierte zuletzt verschiedene Maßnahmen: Dazu gehören erhöhte Mittel für den sozialen Wohnungsbau (EUR 18,15 Mrd. bis 2027), steuerliche Sonderabschreibungen, das "Bündnis bezahlbarer Wohnraum" und Anpassungen im BauGB2. Gleichzeitig werden jedoch auch Regularien verschärft, etwa im Sinne der strengeren Anforderungen an die Nachhaltigkeit von Immobilen (ESG3 -Standards), Anpassungen im Mietrecht und Flächenverbrauch im Sinne der Inanspruchnahme meist landwirtschaftlicher Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke. Die Effektivität vieler Programme wird durch lange Genehmigungsprozesse und politische Debatten, welche schließlich in gesetzgeberische Zielkonflikte münden, eingeschränkt. Eine echte Wohnungsbauwende erfordert kohärente Rahmenbedingungen, abgestimmte Finanzierungsinstrumente sowie eine Entbürokratisierung, welche sich nach Ansicht des Verfassers leider nur über einen mehrjährigen Umsetzungszeitraum hinweg realisieren lassen.

Weitere Lösungsansätze
Neben den zuvor beschriebenen Maßnahmen sollten auch folgende Ansätze in die Diskussion finden:

  • Stärkere steuerliche Anreize für leistbare Mietmodelle und Nebenkostensenkungen: Einführung von steuerlichen Vorteilen für Investoren, die dauerhaft unterhalb der marktkonformen Warmmieten Wohnraum anbieten.
  • Internationale Inspiration: Die international beobachtbare engere Kooperation zwischen Stadt, Genossenschaften und Bauträgern muss stärker forciert werden.
  • Modulares und digitales Bauen: Kosten- und zeiteffiziente Bauverfahren sind in Deutschland zu schwach ausgeprägt.

Fazit
Leistbarer Wohnraum ist keine rein öffentliche oder private Aufgabe, sondern ein gesamtgesellschaftliches Projekt. Einerseits muss die öffentliche Hand stärkere Anreize schaffen, um leistbaren Wohnraum zu schaffen. Andererseits müssen sich privatwirtschaftliche Akteure der Problematik dahingehend annehmen unter Nutzung von Förderungen leistbaren Wohnraum zu errichten.

 

 

Quellenverzeichnis:

  • Statistisches Bundesamt (2024): Nettoeinkommen und Konsumausgaben deutscher Haushalte.
  • Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) (2024): Wohnungs- und Immobilienmarktberichte.
  • Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) (2023): Wohnraumoffensi ve und soziale Wohnraumförderung.
  • IW Köln (2023): Entwicklung der Nebenkostenanteile an der Warmmiete.
  • empirica regio Preisdatenbank (2024): Angebots mieten in A-, B- und C-Städten.
  • GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. (2024): Branchen berichte zur Wohnraumentwicklung.
  • (1) Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung
  • (2) Baugesetzbuch
  • (3) Environmental, Social and Corporate Governance

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