
Nachhaltige Immobilienfinanzierung: Von der Pflicht zur Kür
Autor
Prof. Dr. Gregor Dorfleitner

Prof. Dr. Gregor Dorfleitner
Universität Regensburg
Blogbeitrag
Nachhaltige Immobilienfinanzierung: Von der Pflicht zur Kür
Nachhaltiges Wirtschaften beschreibt Aktivitäten, welche die Handlungsmöglichkeiten zukünftiger Generationen nicht zu Gunsten heutiger Menschen einschränken. Hierunter wird typischerweise ein Dreiklang aus ökologischer (Environmental) und sozialer (Social) Nachhaltigkeit zum einen sowie dem Einhalten der Standards guter Unternehmensführung (Governance) zum anderen verstanden. Mit dem Akronym „ESG” wurde der Nachhaltigkeitsbegriff in Regulierung, Finanzwirtschaft und Alltagssprache konkretisiert.
Weil viele menschliche Aktivitäten – in allen Wirtschaftssystemen – die Präferenzen zukünftiger Generationen nicht berücksichtigen, entstehen seit Jahrzehnten zunehmende Nachhaltigkeitsprobleme. Der Klimawandel zeigt die Dimension des Themas besonders deutlich: Laut IPCC ist das 1,5-Grad- Budget ohne Gegenmaßnahmen bis 2030 aufgebraucht. Folglich müssten die globalen Netto-Emissionen bis 2050 auf null sinken. Und weil der Gebäudesektor mit seiner Vielfalt an energieintensiver Produktion und Nutzung für rund ein Drittel aller Emissionen maßgeblich ist, sind umfangreiche Investitionen in den Gebäudebestand, in effizientere Neubauten unabdingbar. Dazu kommen noch nötige Anpassungsmaßnahmen. Dies alles erfordert zusätzliche Investitionen in der Größenordnung von jährlich 50 bis 150 Mrd. Euro. Auch hiervon könnte rund ein Drittel auf den Gebäudesektor entfallen. Und weil die ökologische Nachhaltigkeit mehr umfasst als das Thema Klima und auch die soziale Nachhaltigkeit Investitionen z.B. in soziale Infrastruktur oder bezahlbares Wohnen erfordert, gelten diese Schät zungen für den Gebäudebereich als Untergrenze des gesamten Investitionsbedarfs.
Der hohe Investitionsbedarf resultiert vor allem daraus, dass Märkte externe Effekte unzureichend internalisieren. Private Anreize, in Nachhaltigkeit zu investieren, gibt es, aber sie sind vom Umfang her gering. Gerade in energieineffizienten Gebäuden lassen sich notwendige Mieterhöhungen nicht durchsetzen, obwohl der ökologische Effekt hoch wäre. Die Antwort auf diese Marktineffizienz ist dann staatliches Handeln. So ist in den letzten Jahren ein enges Netz aus nationalstaatlichen und europäischen Vorschriften entstanden, die einen Definitionsrahmen für nachhaltige Aktivitäten setzen (EU-Taxonomie), die klare Richtlinien für die Nachhaltigkeitsberichterstattung vorgeben (CSRD), die für Fonds die Anforderungen definieren, um als nachhaltig zu gelten (SFDR) oder die den Anbietern von ESG-Ratings klare Vorgaben machen (ESG-Rating-Regulierung).
Dieser enge Regelrahmen sorgte in den letzten Jahren dafür, dass nachhaltiges Handeln einfacher zu erkennen und damit besser vermarktbar wurde. Dies ist sowohl für Investoren als auch Finanzinstitute notwendig, denn nur die Abgrenzung ermöglicht die Produktdifferenzierung und dann gegebenenfalls auch Margendifferenzierung für Fonds, Bonds oder klassische Bankenfinanzierungen. Eine aktuelle Studie der Universität Regensburg zeigt etwa, dass es im Zeitraum von 2018 bis 2023 für das untersuchte Gewerbeimmobilienportfolio einen Abschlag von rund 7 Basispunkten für grüne gegenüber nicht grünen Finanzierungen gab.1 Zu sehr ähnlichen Einschätzungen kommt auch das jährlich durchgeführte German Debt Project. Dabei werden die Modalitäten von Banken abgefragt, die Gewerbeimmobilien finanzieren.2 Der Wettbewerb sorgt über Preissignale für einen Anreiz, in grüne Objekte zu investieren.
Sorgt das regulatorische Korsett für die Finanzmarktakteure also bereits über die Marktkräfte dafür, dass nachhaltige Finanzierung die Welt retten kann? Nein, dies lässt sich nicht sagen. Drei Gründe dafür erscheinen zentral.
Erstens ist der Anstieg grüner Finanzierungs- und Investmentangebote zwar beachtlich, doch gleichzeitig ist das Angebot weiterhin für die Weltbühne zu gering. Es bräuchte einheitliche, strikte weltweit gültige Standards und Regeln für alle wichtigen Emissionsländer. Aktuell scheint die Entwicklung sogar in die falsche Richtung zu laufen.
Zweitens zeigen die Befragungen des German Debt Projects, dass sich alle befragten Banken messbare Ziele für nachhaltige Finanzierungen gesetzt haben. Nur setzen die Banken durchaus eigene Schwerpunkte. In ähnlicher Weise gilt auch für Ratings und Schadens ermittlungstools: Es besteht weiterhin Unsicherheit über die „richtigen“ Kalibrierung.3
Drittens endet Nachhaltigkeit eben nicht beim Klimaschutz. Für die soziale Nachhaltigkeit gibt es weder eine Taxonomie noch einen Konsens wie soziale Nachhaltigkeit überhaupt operationalisiert werden könnte.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass nachhaltige Finanzierungen auch dank strikterer Regulierung spürbar an Bedeutung gewonnen haben und dass sich mehr Finanzmarktakteure über nachhaltige Produkte von ihren Wettbewerbern differenzieren möchten. Hier hat die regulatorische Pflicht geholfen, eine positive Erfolgsspirale in Gang zu setzen. Gleichzeitig setzt die wirtschaftliche Rentabilität jedoch noch gewisse Grenzen, sodass die selbst gesetzten Nachhaltigkeitsziele noch lange nicht erreicht sind.
(1) Leutner, S., Gloria, B., Bienert, S. (2024). Is there a green discount in commercial real estate lending? In: Journal of Property Investment and Finance 42(1), S. 411-434.
(2) Just, T., Wiersma, S. (2024) IREBS German Debt Project 2024: Growing differences. IREBS International Real Estate Business School an der Universität Regensburg: Eltville.
(3) Höhn, B., Salzberger, H., Bienert, S. (2025). Assessing climate risk quantification tools – mere fulfilment or duty or actually beneficial? In: Journal of Property Investment and Finance Vol. 43 No. 2, pp. 142-167.
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