Nachhaltigkeitsberichterstattung als Game Changer: Die Spielregeln
Autor
Sarah Immer
Sarah Immer
Consultant-Professional COO-Office Immobilien- und Projektfinanzierung
Blogbeitrag
Nachhaltigkeitsberichterstattung als Game Changer: Die Spielregeln
Die Einhaltung der Regulatorik ist inzwischen Konsens in unserer Branche. Allein das „Wie“ bietet stehts Diskussions- und Optimierungspotenzial. Dabei kann es helfen, die „Logik“ und die Zusammenhänge der verschiedenen und aufeinander aufbauenden Frameworks als ein strategisches Entscheidungsproblem innerhalb eines komplexen Systems zu begreifen. Die Spieltheorie bietet hierbei ein nützliches Instrumentarium, um die damit verbundenen Interaktionen zwischen verschiedenen Akteuren, Regulierungen und Unternehmen zu analysieren.
Nachhaltigkeitsberichterstattung im Kontext der Spieltheorie
Die Nachhaltigkeitsberichterstattung kann als ein „Spiel“ innerhalb eines mehrstufigen regulatorischen Systems verstanden werden, bei dem Akteure wie Unternehmen, Regulierungsbehörden, Investoren und Wirtschaftsprüfer unterschiedliche Rollen und Strategien verfolgen. Nach der Spieltheorie handelt es sich hierbei um ein kooperatives Spiel mit asymmetrischen Informationen, da Unternehmen strategisch agieren, um regulatorische Anforderungen zu erfüllen und gleichzeitig Stakeholder-Erwartungen zu adressieren1.
Das Regelwerk: EU-Taxonomie, CSRD und ESRS
Das Fundament des Spiels wird durch das Regelwerk bestimmt. Hierbei spielen die EU-Taxonomie, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) eine zentrale Rolle. Diese Regelwerke setzen klare Parameter für zulässige Strategien und bestimmen die Anreize der Akteure:
- EU-Taxonomie: Die EU-Taxonomie stellt ein Klassifikationssystem für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten dar und definiert Bewertungskriterien für ökologische, soziale und unternehmerische Aspekte2. Ihre Funktion entspricht den Grundannahmen eines kooperativen Spiels, da sie einheitliche Standards für Unternehmen und Finanzakteure schafft, die Wettbewerbsvorteile durch Greenwashing minimieren sollen3.
- CSRD und ESRS: Die CSRD erweitert die bisherige Non-Financial Reporting Directive (NFRD) und erhöht die Berichtspflichten für Unternehmen, um die Vergleichbarkeit und Transparenz der Berichterstattung zu verbessern4. Die ESRS legen dabei spezifische Anforderungen fest, die Unternehmen zur Offenlegung von Datenpunkten verpflichten, die sektorübergreifend oder branchenspezifisch sind5.
Strategien der Akteure
Unternehmen agieren in diesem Spiel als „Spieler“, die ihre Strategien entsprechend der vorgegebenen Regeln optimieren (sollten). Zu den zentralen strategischen Überlegungen gehören:
- Datenerhebung und -management: Unternehmen müssen umfangreiche Daten zu ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) sammeln und analysieren, um die Anforderungen der EU-Taxonomie und ESRS zu erfüllen6. Die Qualität der Datenerhebung beeinflusst dabei direkt und wesentlich die Wahrnehmung durch Investoren und Stakeholder.
- Berichtsstrategie: Die Wahl, welche Indikatoren und Datenpunkte besonders hervorgehoben werden, kann strategisch genutzt werden, um die eigene Position im Wettbewerb zu stärken7. Dies ist ein wichtiger Punkt, der für die eigene USP in zunehmend wettbewerbsintensiven Bereichen genutzt werden kann und sollte.
- Transparenz und Compliance: Durch die Offenlegung der Informationen gemäß der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) erhöhen Unternehmen die Glaubwürdigkeit ihrer Berichte und minimieren das Risiko regulatorischer Sanktionen8.
Wirtschaftsprüfer und deren Rolle: Der Schiedsrichter
Die Rolle des Wirtschaftsprüfers entspricht im Spieltheorie-Kontext dem „neutralen Mediator“. Dieser stellt sicher, dass die Einhaltung der Regeln gewährleistet ist und schützt die Integrität des Systems9. Wirtschaftsprüfer stellen die Richtigkeit der Berichte sicher und stärken somit das Vertrauen der Stakeholder in das System.
Fazit: Nachhaltigkeitsberichterstattung als kooperatives Spiel
Begeben Sie sich doch einmal in die überaus spannende Welt der Spieletheorie und entdecken für sich und Ihr Unternehmen die Möglichkeiten (und nicht nur die Notwendigkeiten), die sich aus einer ganzheitlichen Perspektive auf dieses Thema ergeben.
Da die Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß der EU-Vorgaben als komplexes System betrachtet werden kann, das durch Interdependenzen und asymmetrische Informationen geprägt ist, bietet die Anwendung der Spieltheorie ein nützliches Modell, um die Dynamiken zwischen Unternehmen, Regulierungsbehörden und Stakeholdern zu analysieren.
Ein erfolgreiches Agieren in diesem „Spiel“ setzt dabei voraus, dass Ihr Unternehmen die Spielregeln (Regulatorien) nicht nur einhält, sondern strategisch nutzt, um langfristige Wettbewerbsvorteile zu erzielen.
1Fudenberg, D., & Tirole, J. (1991). Game Theory. MIT Press.
2EU Commission (2021). EU Taxonomy Regulation: Supporting Sustainable Finance.
3EU Commission (2021). Sustainable Taxonomy User Guide.
4EY (2022). Corporate Sustainability Reporting Directive: Key Changes.
5EFRAG (2022). European Sustainability Reporting Standards Drafts.
6KPMG (2023). Sustainability Reporting and Data Management: Best Practices.
7PwC (2023). ESG Reporting Strategies and Stakeholder Engagement.
8Deloitte (2023). Sustainable Finance and Reporting: CSRD and SFDR Updates.
9IAASB (2022). Guidance on Sustainability Assurance.
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