Schlüsselfaktor S - Die soziale Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft
Autorin
Prof. Dr. Verena Rock MRICS
Prof. Dr. Verena Rock MRICS
Präsidentin
gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V.
Blogbeitrag
Schlüsselfaktor S
Die soziale Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft
Gewinnt die soziale Nachhaltigkeit für institutionelle Immobilieninvestoren zunehmend an Bedeutung, stellt sie doch eine besondere Herausforderung dar. Während ökologische und Governance-Ziele im ESG-Konzept (Environmental, Social, Governance) bereits klar definiert sind, bleibt die Integration sozialer Aspekte anspruchsvoll. Institutionelle Investoren sehen sich damit konfrontiert, den Mehrwert sozial nachhaltiger Maßnahmen darzustellen. Fehlende Standards und die Komplexität der Messbarkeit erschweren die Entwicklung klarer Strategien, die über reines „Social Washing“ hinausgehen. Eine neue Studie der Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung e. V. (gif) untersucht, wie soziale Nachhaltigkeitsziele in der Immobilienwirtschaft durch institutionelle Investoren systematisch und effizient integriert werden können.
Warum soziale Nachhaltigkeit wichtig ist
Immobilien haben erheblichen Einfluss auf das gesellschaftliche Wohlergehen, da sie Orte sind, an denen Menschen leben und arbeiten. Studien zeigen, dass etwa 70 % der Zeit in Innenräumen verbracht wird, was die Bedeutung von Immobilien für Gesundheit und Wohlbefinden unterstreicht. Institutionelle Investoren haben daher die Verantwortung, durch ihre Investitionen bspw. sichere und attraktive Arbeitsplätze oder sicheren, gesunden und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, der sowohl den privaten Interessen als auch dem gesellschaftlichen Nutzen dient.
Die Herausforderung der Messbarkeit
Im Vergleich zur ökologischen Nachhaltigkeit, die durch klare Richtlinien wie die EU-Taxonomie operationalisiert wird, mangelt es im sozialen Bereich an einheitlichen Definitionen und messbaren Indikatoren. Soziale Nachhaltigkeit umfasst Bereiche wie Gerechtigkeit und Chancengleichheit, die oft von subjektiven Werturteilen abhängen. Dies erschwert die Konsensbildung und führt zu einer unsystematischen Erfassung sozialer Maßnahmen.
Ein wesentlicher Aspekt für institutionelle Investoren ist die Balance zwischen privater Rendite und gesellschaftlichem Nutzen. Langfristig angelegte soziale Investitionen verbessern nicht nur das Wohlbefinden der Gesellschaft, sondern auch die Stabilität und Attraktivität von Immobilienportfolios. Sozial nachhaltige Immobilienprojekte tragen zu einer höheren Mieterzufriedenheit und geringeren Fluktuation bei, was stabile Renditen ermöglicht.
Bestehende Ansätze zur sozialen Nachhaltigkeit
In Europa gibt es verschiedene Ansätze, um soziale Nachhaltigkeitsziele umzusetzen. Internationale Rahmenwerke wie die UN Sustainable Development Goals (SDGs) bieten eine Grundlage für soziale Maßnahmen, die auch in der Immobilienbranche anwendbar sind. Besonders relevant ist das Ziel „Nachhaltige Städte und Gemeinden“ (SDG 11), das auf die Schaffung inklusiven und bezahlbaren Wohnraums abzielt. Diese Rahmenwerke geben jedoch keine detaillierten Kriterien vor, die auf nationaler Ebene konkret umgesetzt werden könnten.
Der Weg zu einem europäischen Standard
Ein einheitlicher Bewertungsstandard für soziale Nachhaltigkeit, ähnlich der EU-Taxonomie im Umweltbereich, ist ein notwendiger Schritt. Ein solcher Standard könnte institutionellen Investoren helfen, Investitionsentscheidungen auf fundierte Kriterien zu stützen. Die gif-Studie bietet hier wertvolle Ansätze, indem sie wissenschaftliche Arbeiten auswertet und Indikatoren für soziale Nachhaltigkeit ableitet.
Bewertungsmaßstäbe, die spezifischen Gegebenheiten und Bedürfnisse der jeweiligen Assetklasse angepasst werden, basierend auf dem Dreiklang aus Ziel, Maßnahme und Indikator, ermöglichen es institutionellen Investoren künftig, soziale Nachhaltigkeitsziele systematisch zu implementieren und zu messen.
Handlungsempfehlungen
Institutionelle Investoren sollten die bestehenden Kriterienkataloge zur sozialen Nachhaltigkeit in ihre Entscheidungsprozesse integrieren. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren wie Kommunen und Projektentwicklern, um sicherzustellen, dass soziale Maßnahmen sowohl die Bedürfnisse der Gemeinschaft als auch die Renditeerwartungen der Investoren erfüllen.
Fazit
Die Integration sozialer Nachhaltigkeit in die Immobilienwirtschaft ist eine notwendige Herausforderung für institutionelle Investoren. Ein einheitlicher Bewertungsstandard kann dabei helfen, die Unschärfe in diesem Bereich zu überwinden und klare Handlungsempfehlungen zu entwickeln. Denn Investitionen in soziale Nachhaltigkeit bieten nicht nur gesellschaftliche Vorteile, sondern auch echten Impact und langfristig stabile Renditen.
weitere Informationen
Werden Sie FondsForumMagazin-Leser!
Fachartikel, Informationen und Nachrichten der institutionellen Immobilienwirtschaft.