Strandgut

06.11.2024

Autor

Martin Lenhart MRICS

Martin Lenhart MRICS

Gründer

RET10 GmbH

Blogbeitrag

Strandgut

Bei Büroimmobilien wird schon länger von „Stranded Assets“ gesprochen, doch die anhaltenden Abwertungen deuten darauf hin, dass auch Wohnimmobilien stranden können. Nämlich immer dann, wenn eine Investition in die Immobilie getätigt werden muss, diese sich aber nicht mehr amortisiert – und das obwohl doch die prognostizierte Entwicklung der Wohnungsmieten nur eine Richtung kennt.

In der typischen Wohnimmobilie aus den 1960er und 1970er Jahren stehen reihenweise Sanierungen in die Gebäudetechnik/-substanz an. Zudem wird es immer schwerer, die Wohnungen mit meist aus der Mode gekommenen Grundrissen, Wohnungsgrößen und veralteter technischer Infrastruktur im Zuge von Nachvermietungen für die von den Gutachtern gern propagierten „Potentialmieten“ zu vermieten. Hierfür sind nach Auszug langjähriger Mieter oftmals umfangreiche Arbeiten notwendig, um die Wohnungen für neue Mieter attraktiv zu gestalten.

Hierbei kann es nicht mehr beim Wandanstrich und Steckdosen-Tausch bleiben. Der Austausch der Elektronik- und Wasserleitungen der neu zu vermieteten Einheiten wird immer dringender. So kommen schnell 300 – 500 Euro pro Quadratmeter zusammen, um die Wohnung überhaupt wieder in den Markt zu bringen, bestenfalls für eine höhere Miete als vorher.

Hier entscheidet sich nun das Schicksal des klassischen Mehrfamilienhauses. Liegt dieses in einem Gebiet oberhalb der magischen Mietniveau-Schwelle von 10 EUR gibt es Chancen, dass die Immobilie weiterhin auf der Erfolgswelle schwimmen kann. Befindet sich die Immobilie jedoch in einem Markt mit schwachem Mietniveau besteht die große Gefahr, dass die Immobilie „strandet“. Der Grund liegt auf der Hand. Eine Investition von 500 EUR pro qm amortisiert sich nur schwer bei einer Nettokaltmiete von 5 oder 6 EUR; selbst bei üppigen prozentualen Mietsteigerungen im Zuge der Neuvermietung stimmen die Relationen zwischen Miet- und Baukosten nicht mehr. Die Baukosten sind in Duisburg nun mal ähnlich teuer wie in Frankfurt am Main.

In der simplifizierten steuerlichen Betrachtung wird die Haltbarkeit des Gebäudes i.d.R. auf 50 Jahre taxiert und resultiert in einem linearen Abschreibungssatz von 2%. Die Erfahrung zeigt, dass eine Re-Investition in dieser Größenordnung von jährlich 2% des Gebäudewertes – auch vor dem Hintergrund der stark ansteigenden Baukosten - notwendig ist – zum Substanzerhalt!

Im Umkehrschluss müssten alle Bauteile unserer oben betrachteten 1960er oder 1970er Jahre Immobilie (außer vielleicht dem Rohbau) bereits einmal getauscht sein. In der Praxis sind die Ausgaben für Modernisierungen jedoch nur ein Bruchteil davon. Das Ergebnis ist der an überproportional vielen Immobilien zu beobachtende Renovierungsstau.

In Lagen mit hohem Mietniveau bieten sich durch Sanierungs-Investitionen sehr gute Chancen, die Rendite der Immobilie nachhaltig zu verbessern. Insbesondere Nachverdichtungen, d.h. das Schaffen zusätzlicher Wohnfläche ist im Zuge von grundlegenden Sanierungen sehr attraktiv, zumal für solche Maßnahmen durch die damit verbundenen energetischen Optimierungen nicht nur mehr Fördergelder zur Verfügung stehen, sondern auch die Nebenkosten durch Energieverbrauch gesenkt werden können. Die Mietspiegel der Großstädte bieten zudem den finanziellen Anreiz für Abriss-/Neubau-Projekte. Neubau-Mieten sind im Mietspiegel i.d.R. nicht gedeckelt, so dass insbesondere in Metropolen wie Frankfurt am Main, Hamburg oder Berlin die Verdoppelung der Miete keine Seltenheit ist.

In Lagen, in denen solche Mietsteigerungs-Potentiale nicht existieren, wird es hingegen herausfordernd. Insbesondere Eigentümer, die zu Peak-Preisen gekauft haben, sitzen, sofern die Immobilie nicht vollständig saniert war, in der Abwertungs-Falle. Der durch die hohen Kaufpreise ohnehin schon hohe Kapitalbedarf steigt durch die notwendigen Investitionen weiter, ohne dass diese Maßnahmen zu einer nachhaltigen Werterhöhung der Immobilie führen, sondern oftmals nur die Abwertung verhindern.

Ein Ausweg zum Umgang mit diesen Immobilien könnte im Aufbau von regionalen Clustern liegen. Die regionale Bündelung von Aufgaben im technischen und administrativen Bereich, z.B. mit eigenen Handwerker-Kapazitäten könnte die Investitionskosten signifikant minimieren und durch intelligente, lokale Vermietungs-Strategien flankiert werden. Hierzu ist jedoch der Aufbau einer kritischen, regionalen Masse von Immobilien notwendig, die z.B. im Zuge einer Portfolio-Bereinigung überregionaler Portfolien angestrebt werden könnte.

Zudem muss in Lagen mit schwachem Mietniveau überlegt werden, ob es bei einer unterstellten Haltbarkeit der technischen Gebäudesubstanz von 50 Jahre noch lohnt, herkömmliche, massive Bautechniken anzuwenden. Hier sind insbesondere modulare Bauteil-Lösungen interessant, die zukünftig insbesondere einen einfacheren Austausch von komplexen Komponenten, z.B. Bädern und Küchen ermöglichen könnten.

Manche Immobiliengesetze gelten nämlich weiterhin, z.B. dass der Gewinn im Einkauf liegt. Wenn zukünftig realistische Instandhaltungs-Budgets angesetzt werden, werden die Preise, insbesondere in Lagen mit schwachem Mietniveau weiter sinken. Die Immobilie ist eben doch kein Betongold für den Tresor, sondern ein lebender Organismus, der ständig analysiert und – bestenfalls mit lokaler Expertise - weiterentwickelt werden muss.

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