In guten wie in schlechten Zeiten: Investmentchancen im Einzelhandel

In guten wie in schlechten Zeiten: Investmentchancen im Einzelhandel

17.08.2020

Susanne Klaußner MRICS, Geschäftsführerin, DIR Deutsche Investment Retail GmbH

 

In guten wie in schlechten Zeiten: Investmentchancen im Einzelhandel

Der stationäre Einzelhandel, insbesondere der aperiodische Bedarf, befindet sich bereits seit mehreren Jahren in einem Wettbewerbsverhältnis zum Onlinehandel, die Einkaufsgewohnheiten der Verbraucher wandeln sich. Dazu kommt seit dem Frühjahr 2020 der Einfluss der Corona-Pandemie. Bieten Einzelhandelsimmobilien unter diesen Voraussetzungen weiterhin attraktive Investmentchancen für institutionelle Anleger?

Waren es vor wenigen Jahren noch Highstreetlagen und Shopping-Center, die die Investoren begeisterten, so hat sich dies grundlegend gewandelt. Unter den Gewerbeimmobilien lag das Segment Retail laut JLL im ersten Quartal 2020 mit insgesamt rund 4,6 Milliarden Euro nur knapp hinter den traditionell stark nachgefragten Büroimmobilien mit rund 5 Milliarden Euro. Dies ist in erster Linie der Nachfrage im Fachmarktsegment zuzuschreiben. Für das Gesamtjahr dürfte das Interesse weiter steigen.

Gerade die Erfahrungen der letzten Wochen haben gezeigt, dass auf die systemrelevante Grundversorgung durch den stationären Handel Verlass ist. Bei Shopping-Centern oder Warenhäusern hat die wochenlange komplette Schließung der Geschäfte die bereits vorher bestehenden Probleme verschärft – zugunsten des Onlinehandels. Im Lebensmittelsegment hat das Onlinegeschäft seine Grenzen aufgezeigt bekommen. Dabei verstärkten sich vor allem zwei Trends: In weniger dicht besiedelten Gebieten, in denen eine Belieferung für viele Kunden attraktiv sein könnte, fehlt es an entsprechenden Angeboten. Umgekehrt sind Lieferservices in Ballungsräumen zwar wirtschaftlicher, aber lange nicht kostendeckend und stoßen schnell an Kapazitätsgrenzen. Die Versorgung der Bevölkerung mit Waren des täglichen Bedarfs in den Geschäften vor Ort erwies sich dagegen als systemrelevant und krisenfest.

Aus diesen Entwicklungen lassen sich entsprechende Schlussfolgerungen für langfristig agierende, sicherheitsorientierte Investoren ableiten: Das unter Chancen-Risiken-Aspekten attraktivste Segment der Handelsimmobilien bleiben der Lebensmitteleinzelhandel und der Drogeriebedarf. Das trifft insbesondere auf Nahversorgungs- und Fachmarktzentren zu, in denen neben einem Ankermieter aus dem Lebensmittelbereich beispielsweise noch ein Drogeriemarkt, Fachmarktfilialisten wie Textil- oder Schuhdiscounter, die Apotheke, der Schlüsseldienst, das Blumengeschäft und vielleicht noch ein Imbiss vorhanden sind. Die Fachmarktzentren verfügen nun über erprobte standortkonkrete Pandemiekonzepte und werden sicher auch bei einer zweiten Welle oder lokalen Ausbrüchen nicht schließen müssen. Denn Lebensmittelkäufe können nicht aufgeschoben werden, wie etwa die Anschaffung größerer Elektrogeräte oder Möbel. Deshalb werden die Mietzahlungen der Lebensmittler auch in schwierigen Zeiten zuverlässig geleistet und die langlaufenden Mietverträge mit bonitätsstarken Mietern gewährleisten eine hohe Stabilität der Investments. Die Grundversorgung zeichnet sich durch stabile und gut antizipierbare Umsätze aus – in guten wie in schlechten Zeiten.

Das bedeutet jedoch nicht, dass Investments im Bereich Food Retail Selbstläufer wären. Um die positive aktuelle Entwicklung fortschreiben zu können, bedarf es immer wieder der Modifizierung der Konzepte – etwa durch eine Neugestaltung der Kassenzonen oder eine moderne Warenpräsentation, ausgerichtet an den Bedürfnissen der Kunden. Eine im Frühjahr 2020 veröffentlichte Studie von Kaufland in Kooperation mit der BBE Handelsberatung hat einen weiteren Aspekt herausgearbeitet: Die Funktion des Lebensmitteleinzelhandels als Frequenzanker für Kommunen. Bei ihrem Kampf gegen die Verödung von Innenstädten dürften Investoren im Bereich Food Retail mit einer grundsätzlich positiven Aufnahme und Wertschätzung rechnen, während andere Konzepte auf kommunaler Ebene häufig für kontroverse Diskussionen sorgen und mit langwierigen Genehmigungsverfahren verbunden sind. 

Susanne Klaußner MRICS, 
Geschäftsführerin, 
DIR Deutsche Investment Retail GmbH

Matthias Kreil MRICS, 
Leiter Asset Management und Research, 
DIR Deutsche Investment Retail GmbH