Immobilienmärkte in Zeiten globaler Risiken

Immobilienmärkte in Zeiten globaler Risiken

17.08.2020

Dr. Marcel-Alexander Gärtner, Marktresearch, ENA-Experts GmbH & Co. KG

Immobilienmärkte in Zeiten globaler Risiken

Neuartige globale Risiken

Am Beispiel der aktuellen Coronavirus (Sars‐CoV‐2)‐Pandemie zeigt sich, wie sich in der heutigen vernetzten Welt neuartige Risiken mit zunehmender Geschwindigkeit mit bereits bestehenden weltweiten Entwicklungstrends, hier in Form der Globalisierung und der damit einhergehenden Mobilität, überlagern und somit zu globalen Krisenszenarien führen können. Im Gegensatz zu geopolitischen Risiken in Form des schwelenden Handelskonfliktes zwischen den USA und China oder dem EU-Austritt des Vereinigten Königreichs, welche sich über einen längeren Zeitraum entwickeln, handelt es sich in der jetzigen Situation um ein unvorhergesehenes Ereignis, das nur geringe Handlungsspielräume offen lässt.  

Vulnerabilität und Krisenfestigkeit von sektoralen Immobilienmärkten

Die sowohl die Angebots- als auch die Nachfrageseite der Volkswirtschaft tangierenden Auswirkungen der derzeitigen Krise treffen aufgrund ihrer vielfältigen gesellschaftlichen und ökonomischen Effekte die einzelnen Assetklassen des Immobilienmarktes in unterschiedlicher Intensität. Dabei werden auch innerhalb der jeweiligen Assetklassen Differenzen in der Vulnerabilität und Widerstandsfähigkeit gegenüber den Folgewirkungen der Coronavirus (Sars‐CoV‐2)‐Pandemie ersichtlich.

Von der Krise sehr schwer betroffen zeigt sich der Hotelmarkt, in dem insbesondere kleine und mittelgroße inhabergeführte Hotelbetriebe und Franchisenehmer in ihrer Existenz bedroht sind. Auch nach der sukzessiven Aufhebung von Grenzschließungen ist ein ökonomisches Wirtschaften aufgrund erhöhter Kosten für die Umsetzung von Hygienevorschriften in Verbindung mit einer historisch niedrigen Auslastung, nicht möglich.

Auch der ohnehin bereits angeschlagene stationäre Handel im Non-Food-Segment sieht sich einem Nachfrageeinbruch und steigenden Insolvenzzahlen ausgesetzt. Es ist davon auszugehen, dass selbst im Falle eines zeitnahen Endes der Pandemie, das Kundenverhalten und somit ein Teil der bereits stattgefundenen Umsatzverschiebungen vom stationären zum Online-Handel irreversibel sind.

Im Marktsegment der Büroimmobilien könnte es mittelfristig zu einer strukturellen Veränderung der Nachfrage kommen, da Unternehmen durch eine vermehrte Einführung von Telearbeit dem Büromarkt nachhaltig Büroarbeitsplätze entziehen würden. So hat der Siemens-Konzern angekündigt, 140.000 Angestellten bzw. der Hälfte seiner Mitarbeiter ein mobiles Arbeiten zu ermöglichen. Laut einer Studie des Münchner Ifo-Instituts wollen 54,0 Prozent der deutschen Unternehmen das Homeoffice stärker ausbauen.

Einige Immobiliensegmente weisen dagegen aufgrund von geringen Ausfallwahrscheinlichkeiten von Mieteinnahmen eine geringere Vulnerabilität gegenüber der Krise auf als andere Immobiliensegmente und offenbaren eine gewisse Krisenfestigkeit. Immobilienklassen, die Kontinuität und Resilienz für Immobilieninvestitionen versprechen sind in Food-Handelsgeschäften und deren Logistikimmobilien sowie in Immobilien des Gesundheitssektors zu sehen. Auch der Wohnungsmarkt ist beispielweise nicht direkt von gesundheitspolitischen Maßnahmen tangiert und staatliche Förderprogramme ermöglichen im Notfall zunächst die Aufrechterhaltung von Mietzahlungen. Dadurch zeigt sich die Konsumnachfrage nach dem Wohnen vergleichsweise stabil, so dass der Wohnungsmarkt als resilienter gegenüber externen Risiken wie der Coronavirus (Sars‐CoV‐2)‐Pandemie einzustufen ist als andere Segmente. 

Dr. Marcel-Alexander Gärtner
Marktresearch
ENA-Experts GmbH & Co. KG