Ein LiebESGeständnis? Quo vadis ESG-Reporting?

06.09.2021

Autor

Stefan Stüdemann

Stefan Stüdemann

Geschäftsführender Gesellschafter

fiveandfriends GmbH

Blogbeitrag

Wie immer beginnt (bei uns) alles aus der Investorenperspektive. Jene zu recht umworbene Zielgruppe (marketingtechnisch korrekt sprechen wir von Anspruchsgruppe) erwartet zunehmend qualitativ hochwertige Informationen darüber, wie Unternehmen mit Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen (ESG) umgehen und welche Auswirkungen diese auf die langfristige Unternehmensentwicklung haben. Diese Informationen sollten idealer Weise untereinander vergleichbar sein, wofür letztlich internationale Nachhaltigkeitsstandards sorgen (können).

Nachhaltiger Flickenteppich

Die ESG-Berichterstattung ist allerdings historisch geprägt von zahlreichen Initiativen und Standards, die mitunter schwer unter einen (Kommunikations-)Hut zu bringen sind. Der International Business Council (IBC) des Weltwirtschaftsforums (WEF) hat dies erst kürzlich moniert und darauf hingewiesen, dass Konsistenz und Vergleichbarkeit hierunter deutlich leiden.

Parallel zur Qualität und Quantität von ESG-Daten steigen zudem die Erwartungen an Transparenz und Vergleichbarkeit in der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Während der Schutz von Natur und Biodiversität im Mittelpunkt der „E“-Diskussionen stehen, gewinnen „S“-Themen bei Investoren und im politischen Diskurs nicht zuletzt durch die Pandemie weltweit an Bedeutung. Diese Dynamik in der Entwicklung des ESG-Reportings hat mehrere Gründe. Eine Schlüsselfunktion übernimmt hier der Kapitalmarkt, denn Investoren fordern zunehmend mehr Informationen zu ESG-Themen. Ein weiterer Grund liegt in den Aufsichtsbehörden und der zunehmend aktiven Politik begründet. Letztere erhöhen stetig die Anforderungen an das ESG-Reporting. Letztlich benötigen auch die eigenen Mitarbeiter eine klar definierte Antwort auf ESG-Fragen. Dies alles bestärkt die Forderung nach Nachhaltigkeitsstandards und befeuert die Debatte um Transparenz und Vergleichbarkeit von ESG-Daten.

Vergleichbarkeit ist Trumpf

Historisch hat sich im Laufe der Zeit eine Vielzahl unterschiedlicher Nachhaltigkeitsstandards entwickelt. Neben den obligatorischen 17 Goals der Vereinten Nationen sind das so vielfältige Standards wie GRI, IIRC, TCFD, CDP, CDSB oder SASB. Sie alle haben unterschiedliche Ursprünge und Ausrichtungen. Inzwischen gibt es Bestrebungen, diese unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Standards besser aufeinander abzustimmen und die Vergleichbarkeit von ESG-Daten mit einer Standardisierung der Ratings zu erleichtern. Diese Entwicklung hat bereits einen moderaten Konsolidierungsprozess ausgelöst. Ein frühes Beispiel dafür ist der erklärte Zusammenschluss von IIRC und SASB zur Value Reporting Foundation.

Ungeachtet dessen ist jedoch stark davon auszugehen, dass es weiterhin mehrere Frameworks und Standards geben wird – allein schon deshalb, weil die Vielfalt der Erwartungen und Bedürfnisse innerhalb von Unternehmen und bei unterschiedlichen Marktteilnehmern auch in Zukunft gegen ein einheitliches Rahmenwerk sprechen. Es wird nicht DEN ESG-Standard geben, der alle Interessen in Einklang bringt bzw. bringen kann. Beim Vergleich von Unternehmen, selbst innerhalb der Immobilien-(Investment-)Branche, benötigen Investoren beispielsweise spezifische Informationen, die über Standardkriterien hinausgehen, um Chancen und Risiken abschätzen zu können.

Die EU als Trendsetter

In der laufenden Entwicklung ist der von der EU Ende 2019 gestartete „European Green Deal“ von entscheidender Bedeutung. Dieser „Deal“ wird die Entstehung einer Reihe von weiteren Initiativen und Rahmenbedingungen begünstigen. Dabei dürfte auch in Zukunft die CO2-Emission eine, wenn nicht sogar die zentrale Rolle spielen. In diesem Bereich wurden mehr Fortschritte erzielt als bei allen anderen ESG-Themen. Das bedeutet auch, dass die Politik direkt Einfluss nimmt, etwa durch Regelungen zu Höchstwerten oder Vorgaben zu Reduktionszielen (Zielpfade). Es ist zu erwarten, dass sich diese Entwicklung in allen anderen ESG-Bereichen ebenfalls fortsetzen und konkretisieren wird.

Wer E sagt, muss auch S sagen

Tatsächlich ist das Gleichgewicht zwischen den Faktoren „E“, „S“ und „G“ schwierig herzustellen und für jedes Unternehmen ein immerwährender Balanceakt, der aber absolut notwendig ist. Nicht erst durch die jüngsten Entwicklungen liegt der derzeitige Fokus auf den „E“-Aspektes. Eine EY-Umfrage unter institutionellen Anlegern ergab, dass 41 % der Anleger mit den sozialen Offenlegungen von Unternehmen unzufrieden waren. Das war allerdings vor COVID-19. Die Pandemie hat die Auswirkungen wachsender Ungleichheiten auf unsere Volkswirtschaften, die globale Gesundheit und das soziale Gefüge unserer Gesellschaften weiter in den Fokus gerückt. Insofern ist es wahrscheinlich und real auch bereits zu beobachten, dass neben „E“ und „G“ jetzt auch „S“-Themen eine höhere Aufmerksamkeit erfahren.

Insbesondere aus der unterschiedlichen und auch anlassbezogenen Gewichtung der Einzelfaktoren E, S und G ergibt sich künftig die noch stärkere Notwendigkeit, einen integrierten Ansatz in der Kommunikation zu verfolgen. Die Pandemie hat zudem deutlich gezeigt, wie wichtig das Soziale für das Wohl der Menschen und der Gesellschaft insgesamt ist. Trotz des gestiegenen Bewusstseins für „S“-Aspekte ist jedoch noch viel zu tun, bis wir eine standardisierte Offenlegung mit vergleichbaren Messmethoden haben werden.

Impact sorgt für Impact

Impact entwickelt sich zur neuen Begrifflichkeit (um nicht Trend zu sagen) und unzählige Produktgeber versuchen, ihre Relevanz gegenüber Stakeholdern unter dem Oberbegriff „Impact“ auszudrücken. Impact wird aber vor allem auch für Investoren zum wichtigen Kriterium. Laut dem Global Impact Investing Network wuchs die Größe des Impact-Investment-Marktes von 500 Mrd. $ im Jahr 2019 auf über 700 Mrd. § im Jahr 2020. Laut MSCI Investment Insights 2021 konzentrieren sich 57 % der institutionellen Anleger bei ihren ESG-Aktivitäten auf Impact-Kennzahlen.

Der Investor wird’s schon richten

Bei der weiteren Verankerung von ESG-Aspekten in der Kommunikation kommt der Investorenperspektive daher eine Schlüsselrolle zu, wobei sich hier der Kreis schließt. Dabei zählen insbesondere institutionelle Großanleger wie Pensionskassen und Versicherungen und last but not least die politische Einflussnahme auf die Finanzmärkte als entscheidende Treiber der Entwicklung.

Von Unternehmen wird künftig (bzw. im Bereich der institutionellen Investoren größtenteils schon heute) eine aussagekräftige ESG-Berichterstattung erwartet, die zwangsläufig auch zu Veränderungen und idealer Weise zu Verbesserungen der Geschäftsprozesse führt.

Key learnings

  • Warten Sie nicht auf DEN Standard zur nachhaltigen Kommunikation: Nutzen Sie die vorhandenen kreativ und proaktiv.
  • Sofern Nachhaltigkeit für Ihr Unternehmen von strategischer Bedeutung ist, sollte sie das auch für Ihre IR sein.
  • Etablieren Sie auf dem Gebiet Ihrer Nachhaltigkeit eine integrierte Kommunikation: Auch wenn dies aufgrund der Unternehmensstruktur möglicherweise schwierig erscheint, so entstehen dadurch erhebliche Vorteile.
  • Bespielen Sie die gesamte ESG-Klaviatur: So können Sie eine vermeintliche Underperformance mit einer Overperformance zumindest teilweise kompensieren. Insbesondere „S“ erlangt hier zunehmend Bedeutung.

Change to future

Sie sind bereits mittendrin? Prima, da sind sie für die kommenden 20 Jahre auch genau richtig.

Dies ist ein Auszug aus dem FondsBuch 2022.

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