Handelsimmobilien im Bestand – Fitnessprogramm für die Zukunft
Autorin
Susanne Klaußner MRICS
Susanne Klaußner MRICS
Geschäftsführende Gesellschafterin
DIR Deutsche Investment Retail GmbH
Blogbeitrag
Handelsimmobilien im Bestand – Fitnessprogramm für die Zukunft
90 % unserer Immobilien sind Bestandsobjekte und deren energetische Ertüchtigung wird zur Hauptaufgabe der Branche in den kommenden Jahrzehnten. Allein auf das Nahversorgungssegment entfallen rd. 50.000 Objekte, die überwiegend aus den 1990er und 2000er Jahren stammen.
Diese Objekte benötigen stimmige energetische Gesamtkonzepte, die die örtlichen Gegebenheiten berücksichtigen.
Gesucht sind Systeme, die mit der bestehenden Bausubstanz einen energieeffizienten und sparsamen Gebäudebetrieb ermöglichen. Dabei müssen neue Technologien so auf die bestehende Bausubstanz abgestimmt werden, dass sie maximal positive Auswirkungen auf die Verbräuche haben.
Abbruch und Neubau ist dabei für die große Mehrzahl der Bestände kein realistisches Szenario, weil die CO2-Gesamtbilanz dadurch nicht verbessert wird. Im Gegenteil: Der Neubau bringt ein enormes CO2-Päckchen mit.
Wer dabei nur an die Heizung denkt, liegt falsch, denn die meiste Energie in den Handelsobjekten wird durch die Kühlaggregate in den Verkaufsflächen verbraucht. Hier setzt der Handel seit Jahren an und baut immer energieeffizientere und vor allem geschlossene Kühlelemente ein, deren Abwärme wiederum in den Heizkreislauf eingespeist wird, zu Gunsten der Heizkosten. Ergänzt durch eine CO2-freundliche Heizform können Kosten eingespart und der CO2-Ausstoß deutlich reduziert werden.
Soweit die Diskussion im Großen. Viele kleine Maßnahmen, wie z. B. der Einbau von Wasserhahnluftsprudlern und der Verzicht auf Untertischboiler mit extrem hohem Stromverbrauch, haben auch erhebliche positive Effekte. Einzeln bewirken sie nicht viel, aber kombiniert mit anderen Maßnahmen runden sie das Gesamtkonzept ab.
Nach einer langen und aufreibenden Diskussion in Politik und Gesellschaft hat man inzwischen erkannt, dass es kommunaler Wärmeplanungen bedarf, um eine möglichst effiziente und sparsame Energie- und Wärmeversorgung gewährleisten zu können. Es gibt bereits viele Beispiele, in denen Kommunen über grüne Nahwärmenetze, die mit Biomasse betrieben und versorgt werden, ihre Gewerbebetriebe und die dort Lebenden CO2-neutral oder sogar CO2-positiv mit Wärme und Energie versorgen. Einen Lebensmittelstandort, ein Nahversorgungs- oder Fachmarktzentrum an so ein Netz anzuschließen, ist sicher der Königsweg, denn er erspart die Produktion einer Vielzahl von Einzelgeräten zu Gunsten einer gemeinsamen großen Einheit, die die gesamte Kommune versorgt.
Wo dies nicht möglich ist, kann die Wärmepumpe in Zukunft zumindest die Wärmeversorgung einer Handelsimmobilie gewährleisten. Jedoch brauchen wir dafür Komponenten, die speziell für Bestandsobjekte konstruiert sind. Hier mangelt es an erprobten Lösungen und zudem sind die Installationsunternehmen meist noch nicht in der Lage, die Geräte so einzustellen, dass sie auch effizient betrieben werden – hohe Kosten sind die Folge.
Wir befinden uns in einer Lernphase, die bedauerlicherweise viel zu spät eingesetzt hat und die Industrie muss nun konsequent an zukunftsfähigen Lösungen arbeiten. Dabei ist es wichtig, ergebnisoffen vorzugehen und alle ökologisch sinnvollen Lösungsansätze konsequent zu verfolgen. Die Standardbaubeschreibungen der Lebensmitteleinzelhändler, egal welchen Formats, berücksichtigen seit Jahren moderne energetische Lösungen, die grundsätzlich auch auf Bestandsgebäude angewandt werden können. So kann der Bestand nach und nach modernisiert und optimiert werden.
Es ist aber illusorisch zu glauben, dass dies in einem kurzen Zeitraum möglich sein wird. Die Immobilienwirtschaft befindet sich hier auf den ersten 10 Kilometern eines Marathonlaufs. Ein Sprint wäre tödlich und würde die Wirtschaft und die Marktteilnehmer überfordern. Einen Marathon gewinnt nur, wer sich die Kräfte (Kapazitäten) gut einteilt und möglichst effizient einsetzt.
ESG-Scoringmodelle und aussagekräftige CREEM-Pfadberechnungen sind wertvolle Hilfsinstrumente, um einen Überblick über die tatsächliche Energiebilanz von Handelsobjekten zu bekommen, denn die Immobilienwirtschaft und der Handel haben in der Vergangenheit nicht gerade mit Transparenz geglänzt. Sie ist unerlässlich für die anstehenden Aufgaben. Nur wenn Handel und Immobilienwirtschaft an einem Strang ziehen, können in diesem Segment die Energiewende und die Reduktion der Verbräuche gelingen. Zum Vorteil aller, denn die besten Umsätze relativieren sich, wenn die Kosten zu hoch sind.
Fakt ist auch: ohne Digitalisierung keine Transparenz!
Bei der Vielzahl der Handelsstandorte ist ein analoger Datenaustausch undenkbar. Der Einbau von Smart Metern, die vom Eigentümer und Mieter jederzeit eingelesen und verarbeitet werden können, ist unerlässlich. Sonst müsste der deutsche filialisierende Einzelhandel die Daten tausender Standorte analog übermitteln – ein immenser Aufwand, der nicht zu rechtfertigen ist. Smart Meter werden Standard in allen Immobilien und hierfür sind Branchenstandards erforderlich. Dann werden diese Daten auch bei den Transaktionen einen Einfluss auf die Preisbildung haben, weil niedrige Verbräuche goutiert und hohe Verbräuche abgestraft werden. Wer also zukünftig keine hohen Preisabschläge riskieren will, wird seine Objektstrategien anpassen. Auf diese Weise braucht es keine „Nannypolitik“, denn der Markt wird die Akteure zwingen umzudenken - und das ist gut so!
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