Warum bewertet die DACH-Region anders als andere und was bedeutet das?

08.11.2023

Autor

Karsten Jungk MRICS

Karsten Jungk MRICS

Partner
Wüest Partner W&P

Immobilienberatung GmbH

Blogbeitrag

Warum bewertet die DACH-Region anders als andere und was bedeutet das?

Die o.g. Frage wird häufig mit unterschiedlichen Methoden begründet. Es geht aber nicht um die Methode, sondern um denjenigen, der sie anwendet. Es gilt auch schon seit vielen Jahren, dass der angelsächsische „Market Value“ dem „Verkehrs-/ Marktwert“ inhaltlich entspricht. Methodik und Definitionen sind also nicht der Unterschied. Der besteht im Kopf.

In der DACH-Region gelten Immobilieninvestments als Stabilitätsanker. Die Volatilität der Aktienpreise kann man direkt an der Börse ablesen. Viele Jahre stabile, niedrig verzinste Bonds haben durch den Zinsanstieg der letzten 12 Monate bilanziell signifikant an Wert verloren. Aber müsste das nicht auch für Immobilienwerte gelten? Zumindest institutionelle Investoren finanzieren häufig einen Teil der Immobilien mit Fremdkapital. Bis vor 12 Monaten haben sie mit Krediten zu 1 % Zins niedrigverzinste Immobilieninvestitionen „gelaveradged“, wie es so schön im Neudeutsch heißt. Nur, wenn die Fremdkapitalzinsen nun bei 3,5 % und höher liegen, ist eine Gesamtverzinsung einer Immobilie unter 3,5 % (netto) wirtschaftlich nicht sinnvoll. Soweit folgt in jeder Diskussion auch quasi jeder Teilnehmer der Argumentation. Auch die Größenordnung der potentiellen Abwertung für zuletzt auf dem Peak gekaufte Immobilien von 20 bis 30 % erfährt breite Zustimmung. Nur, wenn es um die „eigenen“ Immobilien geht, wird diese Argumentation ganz häufig nicht mehr gelten gelassen. Warum?

Die Wertdiskussion wird bei uns mit folgenden Argumenten geführt: Wenn die Buchwerte hoch und die Kaufpreiserwartung der Käufer gering ist, finden deutlich weniger Transaktionen statt. Und das sind überwiegend Notverkäufe, die nicht der Verkehrswertdefinition entsprechen und damit nicht den gewöhnlichen Geschäftsverkehr abbilden. Da man also nicht weiß, auf welchem Niveau die Transaktionen im normalen Markt laufen würden, ist die Schlussfolgerungen, die Buchwerte erst mal da zu lassen, wo sie sind. Ergebnis: das Marktgleichgewicht stellt sich nur mit ziemlicher Verzögerung ein. Bemerkenswert ist, dass es zu den wenigen Transaktionen keinerlei veröffentlichte Zahlen gibt. Verglichen mit z.B. UK waren wir in Deutschland noch nie sehr gesprächig zu Transaktionsdetails, im Moment sind wir wortwörtlich sprachlos. Vermutlich kein Zufall.

Was machen die Akteure außerhalb der DACH-Region? Relativ schnell nach dem Anstieg der Zinsen und dem damit verbundenen Zusammenbruch der Transaktionszahlen wurde analysiert, wieviel die Käufer bereit sind zu zahlen. Die Erkenntnisse kommen aus den Gesprächen, die Makler mit ihren Kunden führen. Aber auch aus einer Betrachtung, was bei einem gegebenen Zinsniveau ein wirtschaftlich sinnvoller Preis wäre. Also im Grunde die gleiche Diskussion wie bei uns. Nur, die Schlussfolgerung ist dann, dass die Buchwerte auf dieses (um 20 bis 30 %) niedrigere Niveau gebracht = abgewertet werden müssen, damit es wieder Transaktionen gibt. Und tatsächlich zieht die Transaktionstätigkeit in vielen Märkten außerhalb der DACH-Region schon wieder spürbar an. Dasselbe Phänomen war bereits in der Finanzkrise zu erkennen. Fakt ist, dass volatile Märkte deutlich flüssiger sind, dabei aber auch einige Marktteilnehmer ziemlich schnell an ihre Grenzen kommen und aufgeben müssen. Das kann im Einzelfall und – wenn es gehäuft auftritt – auch gesamtwirtschaftlich sehr schmerzhaft sein.

Wir in Deutschland wissen auch, dass die Buchwerte insbesondere der in den letzten 5 Jahren bis Anfang/Mitte 2022 gekauften Immobilien (zu) hoch sind. Siehe die allgemeine Diskussion oben. Bei einem Anlegerwechsel in einem Fonds können diese Buchwerte zu einem echten Problem werden: Der, der rausgeht, tut es tendenziell auf einem hohen Niveau und lässt das Risiko der zukünftigen Abwertung bei denen, die drin bleiben. Und diese Situation führt immer zu der Frage an den Bewerter: „Wohin geht die Reise, was ist aktuell der ,echte‘ Wert?“ Allein diese Frage zeigt das Dilemma, in dem wir uns aktuell befinden.

Aber um das auch klar zu machen: eine Stabilisierung der Werte stabilisiert auch die Märkte. Zumindest für eine gewisse Zeit und das gibt ihnen die Chance für eine zwischenzeitliche Erholung. Das ist gesamtwirtschaftlich durchaus sinnvoll, setzt aber voraus, dass a) diese Erholung relativ schnell einsetzt und b) alle Marktteilnehmer „mitspielen“. Allerdings: Ohne Anpassung der Werte an die aktuelle und voraussichtlich anhaltende Zinslandschaft wird es keine Marktbelebung geben. Und die Schere im Kopf vieler Investoren, die gern jetzt von der Marktsituation profitieren und zum 20-fachen kaufen wollen, aber ihre Bestände dafür nie verkaufen würden, kann auch nicht ewig anhalten.

Je nach Sichtweise kann man im Moment ein sehr unterschiedliches Pro und Contra für die eine oder andere Vorgehensweise finden. Es ist aber sicher unumgänglich, dass wir alle lernen, mit gestiegenen Zinsen (und hoffentlich bald wieder zurückgehender Inflation) umzugehen.

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