Fachkräftemangel in der Immobilienfondswirtschaft – Hypothese oder Realität?

05.02.2024

Autor

Dr. Heinz Schannath

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Blogbeitrag

Fachkräftemangel in der Immobilienfondswirtschaft – Hypothese oder Realität?

Seit einigen Jahren klagen zahlreiche Unternehmen der Immobilienfondswirtschaft über die zunehmende Schwierigkeit, offene Positionen zeitnah besetzen zu können. Daraus ergibt sich die Frage, ob ein branchenspezifischer Fachkräftemangel vorliegt. Wir untersuchen den Stellenmarkt insbesondere unter dem Blickwinkel der aktuellen Immobilieninvestment-Baisse und geben einen Ausblick.

Definition Fachkräftemangel

Ob es in einer spezifischen Branche einen Fachkräftemangel gibt, definiert die Bundesagentur für Arbeit in ihrer Fachkräfteengpassanalyse 2022 über die Betrachtung von 14 Indikatoren und deren Ausprägung. Zu diesen Indikatoren gehören u.a. die Vakanzzeit, die Arbeitsuchen- den-Stellen-Relation, die berufsspezifische Arbeitslosenquote, die Entwicklung der mittleren Entgelte und die Absolventen-Beschäftigten-Relation. Insgesamt wurden 510 Berufsgattungen ermittelt, bei 200 dieser Berufsgattungen wurden Engpassberufe identifiziert. Daraus ergibt sich, dass aktuell kein flächendeckender Fachkräftemangel besteht. In der Immobilienwirtschaft wurden insbesondere in der Baubranche Engpassberufe festgestellt. Dr. Heinz Schannath Fachkräftemangel in der Immobilienfondswirtschaft – Hypothese oder Realität?

Kandidatensicht

Kandidaten sind bzw. waren bislang in der komfortablen Situation, sich den Arbeitgeber selbst aussuchen zu können. Waren sie grundsätzlich auf Jobsuche oder für neue Positionen offen, hatten sie meist die Qual der Wahl, für welche Position sie sich entscheiden. Hier spielten insbesondere persönliche Gründe die ausschlaggebende Rolle. Entgegen einer häufig zu hörenden Argumentation steht laut zahlreichen Studien das Gehalt immer noch an erster, die Karriereentwicklung an zweiter Stelle, wenn es um die Wechselgründe geht. Weitere wesentliche Aspekte sind die Attraktivität des Arbeitgebers und des Arbeitsortes. Eine Home-Office-Regelung wird als selbst- verständlich angesehen. Die Kandidaten sind sich i.d.R. bewusst, dass sie am längeren Hebel sitzen und sich den Job aussuchen können. So kommt es vermehrt zu der Situation, dass Arbeitnehmer ihren neuen Job gar nicht erst antreten oder aktiv in der Probezeit kündigen, meist sind attraktivere Alternativen der Hintergrund.

Arbeitgebersicht

Arbeitgeber klagen seit einiger Zeit, dass Positionen in der Immobilienfondsbranche nicht zeitnah besetzt werden können. Stellenannoncen liefern so gut wie keine Rückläufer mehr, mit Personaldienstleistern wurden schlechte Erfahrungen gesammelt. Letzteres ist in der Regel die Folge der Beauftragung nicht spezialisierter Personalberatungen, die heute chancenlos bei der Besetzung von Spezialistenpositionen sind, oder nur rudimentär spezialisierter Beratungen, die versuchen, über scheinbar günstige Honorare mit hoher Erfolgskomponente Aufträge zu ergattern. Auch hier gilt die Regel: Qualität hat seinen Preis, entweder sinnvoll investieren oder Geld verbrennen. Die letzten Jahre haben aber auch gezeigt, dass viele Arbeitgeber sich selbst im Wege stehen. Zum einen ist ihnen bewusst, dass der Bewerbermarkt eng ist, handeln aber konträr. Die Besetzungsprozesse dauern viel zu lange, Entscheidungen werden herausgezögert, der Bewerber wird immer noch als Bittsteller gesehen und ihm im schlimmsten Falle keine Wertschätzung entgegengebracht. Um diese kognitive Dissonanz im Bewerbermarkt zu reduzieren, müssen Arbeitgeber ihre Einstellung und Handlung überdenken. Dazu gehören eine realistischere Einschätzung der verfügbaren Bewerber und des Marktes, eine Überprüfung und Anpassung der Anforderungen und Kriterien für die Bewerberauswahl, die Verbesserung des Arbeitgeberimages und der Attraktivität des Arbeits- platzes/-ortes sowie die Bereitstellung von wettbewerbs- fähigen Gehältern und Zusatzleistungen. Andernfalls werden die Stellen unbesetzt bleiben.

Aktuelle Situation

Die oben beschriebene Bewerbermarktsituation hat durch die aktuelle Immobilieninvestment-Baisse Risse bekommen. Immobilientransaktionen sind bezüglich der meisten Nutzungsarten eingebrochen, infolgedessen werden insbesondere transaktionsnahe Positionen ausgedünnt und wenige neue Positionen besetzt. Durch die aktuell nicht mehr vorhandene Illiquiditätsprämie wird diese Situation noch eine Zeit lang anhalten. Langfristig wird jedoch die Demographie wieder zuschlagen. Die Babyboomer gehen über kurz oder lang in Rente, und auf zwei ausscheidende Kandidaten kommt statistisch nur ein Kandidat auf dem Arbeitsmarkt neu hinzu. Das hat zur Folge, dass wir mittelfristig in der Breite Engpässe bei der Besetzung von Spezialistenpositionen haben werden. Ohne einen spezialisierten Personaldienstleister werden die Lücken nicht geschlossen werden können.

Resümee

Der Arbeitsmarkt in der Immobilienfondswirtschaft befindet sich in einer komplizierten Situation. Zum einen bestehen Engpässe bei der Besetzung neuer Positionen nicht zuletzt durch die oben spezifizierte kognitive Dissonanz auf Arbeitgeberseite, zum anderen werden Transaktionsspezialisten sowie Kandidaten von insolventen bzw. in Schieflage geratenen Häusern auf den Markt gespült, so dass je nach Position auf Arbeitgeber- bzw. Arbeitnehmerseite Frust entsteht. Je nachdem, wie lange der Immobilieninvestmentmarkt noch schwächelt, wird diese Situation weiterhin anhalten. Mittelfristig werden die Engpässe bei der Besetzung freier Positionen wieder die Oberhand gewinnen.

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