„Moderne Arbeitsplatzmodelle und die Frage nach dem Büroflächenbedarf“ oder „Ist die Hälfte obsolet?“
Autor
Prof. Dr. Thomas Beyerle
Prof. Dr. Thomas Beyerle
Head of Group Research
Catella Real Estate AG
Blogbeitrag
„Moderne Arbeitsplatzmodelle und die Frage nach dem Büroflächenbedarf“ oder „Ist die Hälfte obsolet?“
Die Frage, welche sich aktuell stellt innerhalb der gewerblichen Immobilienwirtschaft hat das Zeug eines Strukturbruchs. Also keine stetigen Wachstumsraten oder lineare Fortschreibungen mit klassischem zyklischem Auf und Ab aus der Vergangenheit mehr, sondern eine neue Niveaulage. Die spannende Frage lautet: welchen Bedarf haben Unternehmen zukünftig noch an Büroflächen? Nicht sofort, sondern spätestens, wenn es an eine Neuverhandlung der zukünftigen Mietverträge geht. Etwas bildhafter gesprochen; wie viele kommen denn wieder zurück ins Büro? Normalerweise bemüht man dann Konjunkturindikatoren, Baugenehmigungen für sog. Wirtschaftsgebäude und frägt den potenziellen strategischen Bedarf bei den Unternehmen ab. Doch ein neuer Indikator hat diese gängige Vorgehensweise verändert: die sog. Belegungsquote. Wie gestaltet sich die Anwesenheit während einer Woche in den deutschen Büros?
Auch wenn es keiner bisher laut sagen möchte: die Verzweiflung in den Führungsetagen bei Unternehmen und Investoren wächst. Belegungsquoten von 60% werden schon als Erfolg bezeichnet. Die neue und daraus folgend effiziente Nutzung der Bürofläche, die Flächeneffizienz, wird folglich zu diesem Strukturbruch führen.
Keine klare Struktur erkennbar
Die Postpandemie-Phase geht nunmehr ins zweite Jahr – gerade auch in den deutschen Bürolandschaften. Dabei oszillieren die Aussagen und Erfahrungswerte zwischen „keine Auswirkungen“, „Konnektivität und Kommunikation ist entscheidend“ bis hin zu „hybrid ist weiter auf dem Vormarsch“. In der Kurzfassung lautet die Umschreibung aber: Es wird kein Zurück mehr geben zur traditionellen Montag-Freitag-Routine. Natürlich ist dieses Postulat immer abzugleichen mit den branchenspezifischen Belangen, eine Kommunikationsagentur hat sicher einen anderen zeitlichen Wirkungsgrad auf der Fläche als eine Anwaltskanzlei. Doch stimmt das wirklich? Haben denn nicht gerade die letzten beiden Jahre gezeigt, dass alles möglich ist?
Man sollte dabei aber auch bedenken, dass das vielzitierte „Homeoffice“ für die allermeisten zwar eine kurzfristige Möglichkeit dargestellt hat, den Arbeitstag neu zu organisieren, doch nur die wenigsten können dies „zu Hause“ auch wirklich umsetzen. Einfacher formuliert: Wenn nur rund 15 % der deutschen Haushalte über ein eigenes Arbeitszimmer verfügen, stellt sich die Frage nach der langfristigen operativen Umsetzung nicht wirklich. Doch wie bekommt man den Geist der Homeoffice Freiheit wieder in die Flasche?
Umfragen als Spiegelbild des Zeitgeists
Die Ergebnisse verschiedener Umfragen in den Jahren 2020, 2022 und 2023 bei Immobilieninvestoren, zeigen deutlich, dass sich nach zwei Jahren der Pandemie das Arbeiten im Homeoffice nachhaltig etabliert hat und in Zukunft wohl auch weiter zum festen Bestandteil der Büroarbeitswelt gehören wird. Auf der anderen Seite bleibt die Relevanz des klassischen Büros auch weiterhin bestehen, wenn auch die Anforderungen an die Fläche in einem Transformationsprozess sind – mehr in Richtung Qualität an zentralen Standorten.
Deutlich wird:
- dass auch nach dem Höhepunkt der Corona-Pandemie mobile Arbeitsplatzkonzepte ein Element der modernen Arbeitswelt bleiben.
- Jedoch erkennen wir auch, dass eine moderne Arbeitswelt ohne Bürogebäude als kein realistisches Szenario zu bewerten ist.
- Es wird deutlich, dass Unternehmen es der Belegschaft ermöglichen mobile Arbeitsplatzkonzepte zu nutzen, jedoch ebenfalls an gewissen Tagen die Anwesenheit im Bürogebäude erwarten.
- Die skizzierte Entwicklung wird auch von den Ergebnissen unserer Catella Umfrage untermauert. Rund 53 % der Befragten gaben an von ihrem Unternehmen die Möglichkeit zu erhalten an 2-3 Tagen das Homeoffice bzw. das mobile Arbeiten zu nutzen.
Neue Niveaulage in Sicht
Unternehmen stehen aktuell vor dem Dilemma den Dreiklang zwischen Mitarbeiterzufriedenheit, Qualität der Büroflächen und Kosten derselbigen in Einklang zu bringen. Nähert man sich rational der Problemstellung, fällt das Ergebnis klar aus: bei der Durchsetzung des Homeoffice Gedankens reagieren Unternehmen entweder durch Reduktion der Büroflächen pro Kopf, dafür hoffentlich qualitativ hochwertiger oder es drohen in letzter Konsequenz „Zwangsmaßnahmen“, um alle wieder zurückzuholen. Ein hartes Wort, doch ein Blick in die angelsächsischen Länder, gerade bei den globalen Tech-Unternehmen und Investmentbanken verdeutlicht, dass der Druck massiv zunimmt. Anwesenheit wird – wieder – eine Variable der Leistungserstellung im Büro. Das vielzitierte „Bier nach vier“ hat gezeigt, dass es mit der Freiwilligkeit und dem „guten Zureden der Führungskräfte“ offensichtlich nicht gelungen ist. Man darf auch in Deutschland erwarten, dass das Imperium zurückschlägt und das „Zurück ins Büro“ anordnet. Die angespannte konjunkturelle Lage mag hier ihr übriges tun. Ein Tag in der Woche wird für die meisten weiterhin drin sein, das heißt dann in der nüchternen Analystensprache: die Hälfte ist zwar nicht obsolet, 20% wären die Verhandlungsmasse bei zukünftigen Neuflächenbedarfen.
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