Notstand am Wohnungsmarkt: Zwischen eskalierenden Kosten und verfehlter Wohnungsbaupolitik

08.11.2023

Autor

Nikolas Jorzick

Nikolas Jorzick

Geschäftsführender Gesellschafter
HAMBURG TEAM

Investment Management GmbH

Blogbeitrag

Notstand am Wohnungsmarkt: Zwischen eskalierenden Kosten und verfehlter Wohnungsbaupolitik

Der Wohnungsbau in Deutschland befindet sich nach vielen Jahren mühsam gestiegener Fertigstellungszahlen in einer kritischen Lage – und diese wird für viele Wohnungssuchende immer prekärer: Durch die seitens der Politik immer höher getriebenen Auflagen und Baustandards, wurde der Wohnungsbau jahrelang massiv verteuert. Die dann zuletzt durch die Decke gegangenen Material- und Baukosten, die stark gestiegenen Zinskosten und der überstürzte Abbau von Förderprogrammen bilden eine toxische Mischung, deren Resultat ein Einbruch der Fertigstellungszahlen ab spätestens 2025 sein dürfte. Bereits 2022 wurden in Deutschland nur 295.300 Wohnungen fertiggestellt und hiervon nur 25.000 sozial geförderte. Da der Wohnungsbau Ländersache ist, entwickelt sich derzeit ein sehr heterogenes Bild bei der Suche nach den jeweiligen Lösungsansätzen. Einigkeit besteht darin, dass besonders das Segment des geförderten Wohnraums unterstützt werden soll. Dieser Bereich war noch nie „Investors Darling“. Doch jetzt kommt erschwerend hinzu: Bezahlbarer Wohnungsbau braucht zur Subvention der nicht kostendeckenden Mieten die Segmente „frei finanziert“ und „Eigentum“. Durch sie wird bezahlbarer Wohnraum erst finanzierbar. Werden zu wenige frei finanzierte Mietwohnungen sowie zu wenige Eigentumswohnungen gebaut, kommen wir auch beim bezahlbaren Wohnen nicht voran.

Trotz vieler Hürden: Es muss weitergebaut werden

Trotz der angespannten Marktsituation sind Immobilienentwickler und -investoren gehalten, langfristig zu denken und sich ihrer Verantwortung bewusst zu sein, Mittel und Wege für wieder steigende Neubauzahlen ausfindig zu machen. Die gute Nachricht dabei: Es gibt sie, die strategischen Ansätze, um dringend benötigten und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Ansatzpunkte könnten sein:

  1. Frühzeitiges Engagement: Indem Investoren und Entwickler bereits in der Anfangsphase in Projekte einsteigen und sich idealerweise gemeinsam darum kümmern Baurecht zu schaffen, sichern sie sich günstige Ankaufskonditionen und die Aussicht auf lukrative Gesamtrenditen.
  2. Effizienz: Kompakte sowie effiziente Bauweisen und in der Vergangenheit bereits bewährte Grundrisse in Wiederholung verwenden. Das reduziert Planungs- und Baukosten erheblich und ermöglicht das schnellere Serielle Bauen.
  3. Breites Wohnungsangebot schaffen: Dort geförderten Wohnraum realisieren, wo auch rege Nachfrage nach frei finanziertem Wohnraum sowie Eigentumswohnungen besteht. Denn die rechnerische Umlage von Kosten innerhalb eines Projekts ist nach wie vor eine bewährte Methode, um erstens bezahlbaren Wohnraum überhaupt finanzierbar zu machen und zweitens eine gute soziale Mischung der Bewohnerinnen und Bewohner in einem Immobilienprojekt zu erreichen.

Entwicklung Sozialwohnungen vs. Miethaushalte 2007 – 2021 (Deutschland)

Destatis und Pestel Institut gGmbH, 2022

Politik darf sich nicht zurücklehnen

Um das gemeinsame Ziel, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, erreichen zu können, müssen die von der gesetzgebenden Politik vorgegebenen Rahmenbedingungen passen. Bauvorhaben sind nichts für Ungeduldige. Meist liegen zwischen den Anfängen einer Planung und der Bezugsfertigkeit zwischen sechs und acht Jahren. Während dieser Zeit wollen Entwickler auf stabile politische Leitplanken vertrauen können. Das ständige Ändern von Förderprogrammen, von Vorgaben etwa zur Energieeffizienz oder zum Brandschutz oder aber die seit vielen Jahren fortschreitende Mehrung der Bauvorschriften sind Gift für einen stetigen Wohnungsneubau. Natürlich ist es das gute Recht jeder neuen Regierung eigene Akzente zu setzen, aber dabei müssen die großen Linien im Blick behalten werden.

Das politische Handeln muss sich dringend darauf konzentrieren, den Wohnungsbau wieder attraktiver zu gestalten. Es kann gar nicht oft genug betont werden: Alle Segmente der Assetklasse Wohnen müssen dabei Berücksichtigung finden. Die Integration von gefördertem und frei finanziertem Wohnen in den mittleren Stadtlagen sollte weiter verstärkt verfolgt werden, um eine möglichst breit gemischte Bewohnerschaft zu ermöglichen. Wir müssen Fehler der Vergangenheit wie anonyme Hochhaus-Großsiedlungen an den Stadträndern tunlichst vermeiden.

Bezahlbares Wohnen ist für langfristige Investoren ausgelegt

Bei alledem gilt in guten wie in weniger guten Zeiten: Das schnelle Geld ist im Segment „Bezahlbarer Wohnraum“ nicht zu verdienen. Wohnungen für Mieter und Mieterinnen mit mittleren und geringeren Einkommen sind vor allem etwas für langfristig orientierte Investoren, die neben einer auskömmlichen Eigenkapitalverzinsung ebenso Wert auf Sozialrendite legen, die zum Erreichen von Nachhaltigkeitszielen beiträgt. Und genau hier schließt sich der Kreis der zuvor genannten Verantwortung von Projektentwicklern und Immobilieninvestoren. Wenn sich jeder Projektpartner in der Wertschöpfungskette – damit sind ausdrücklich auch die Finanzierungspartner gemeint – in seinen Möglichkeiten auch mal auf etwas weniger finanzielle Marge einlässt, eröffnen sich auch in Zeiten schwieriger Rahmenbedingungen Chancen, eher mehr als weniger neue Wohnflächen zu schaffen. Die Immobilien- und Finanzbranche muss insbesondere bei herausfordernden Marktbedingungen bereit sein, einen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten. Sollte dann auch noch ein Zeichen der Bundesregierung kommen, nicht nur mehr Wohnungsbau zu wollen, sondern auch aktiv etwas dafür zu tun, kann es gelingen schon bald den dringend benötigten zusätzlichen Wohnraum – insbesondere im bezahlbaren Segment – zu schaffen.

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