Die Wege zum Absenkpfad

03.12.2022

Autor

Rüdiger Hornung

Rüdiger Hornung

Director & Partner

W&P IMMOBILIENBERATUNG GMBH München

Blogbeitrag

Die Wege zum Absenkpfad

Besonders für Immobilienfonds ist Nachhaltigkeit ein unumgängliches Thema, denn sie müssen Klimavorgaben einhalten. Wie Halter:innen von großen Beständen den besten Weg zum CO2-Absenkpfad finden, zeigt Wüest Partner anhand eines beispielhaften Auftrags für einen der führenden Investment- und Asset-Manager in Deutschland.

Selten hatten Pfade so eine wirtschaftliche Bedeutung wie heute – die Rede ist von CO2-Absenkpfaden. Im Sprachgebrauch sind Pfade schmale, selten betretene Wege durch abgelegenes Gelände. Jetzt soll eine ganze Branche, die Hunderte von Milliarden Euro wiegt und mehrere Millionen Beschäftigte zählt, auf einen Pfad gebracht werden, den schmalen Pfad der Dekarbonisierung.

Besonders für Halter:innen großer Bestände ist das eine Gratwanderung. Denn wer tausende Einheiten mit unterschiedlichen Nutzungsarten verwaltet, über ein Land oder sogar mehrere verteilt, und diese Menge im Sinne der Klimaziele verändern muss, steht vor einer gewaltigen Herausforderung. Je größer ein System, desto schwieriger ist dessen Steuerung. Der Transformationsprozess, vor dem große Portfolios stehen, verlangt daher ein hohes Maß an Präzision: Es muss auf Anhieb klappen, denn die Klimaneutralität muss bis 2050 erreicht sein, somit fehlen für Trial und Error Zeit und Ressourcen.

Klimaneutralität braucht Pfadfinder

Um den CO2-Absenkpfad zu beschreiten und dabei Holzwege zu vermeiden, braucht es Pfadfinder – um das Bild weiter zu verwenden. Personen oder Organisationen, die einen durch die vielen Regularien, Gesetze, Nachhaltigkeitslabels und die Bandbreite an Möglichkeiten der Energieeinsparungen zum gewünschten Ziel lotsen. Dieses Ziel kann unterschiedlich ausgeformt sein: Am Anfang steht immer die Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie. Der erste Schritt ist oft die Erstellung einer CO2-Bilanz, die Maximalvariante ist eine Nachhaltigkeitszertifizierung. Diese kommt mit Empfehlungen, welche Maßnahmen wann durchzuführen sind, um sich kontinuierlich zu verbessern. Das ist der Klimafahrplan, der aus den aufeinander abgestimmten und einer durchdachten Abfolge von Instandsetzungsmaßnahmen besteht. Die Zwischenstationen auf diesem Weg heißen ESG-Objektrating und EU-Taxonomie-Check.

Die vier Stufen der Nachhaltigkeitsprüfung

84 Objekte in drei Monaten in ganz Deutschland

Diese vier Stationen, oder der Weg zum Absenkpfad, lassen sich am einfachsten anhand eines Beispiels erklären. 2022 erhielt Wüest Partner den Auftrag, das Portfolio der HanseMerkur Grundvermögen (HMG), einen der führenden Investment- und Asset-Manager in Deutschland, auf dessen Nachhaltigkeit zu prüfen. Es galt, in rund drei Monaten 84 über das Bundesgebiet verteilte Objekte zu erfassen und für diese einen CO2-Absenkpfad zu erarbeiten.

In einem ersten Schritt wurden alle verfügbaren Daten von dem Kunden übernommen und durch eine Begehung aller Objekte überprüft und um fehlende Daten ergänzt. Mit der Lösung Wüest Visits wurden Immobilien digital erfasst und Daten strukturiert gesammelt, um alle relevanten Aspekte abzudecken, vom Umfeld bis zur Substanz inklusive der technischen Ausstattung. Sie beinhaltet Aspekte wie den Zustand und Begrünungsanteil der Gebäudehülle, Detailfragen wie das Vorhandensein von Nistkästen oder Insektenhotels und die Qualität der Mülltrennung. Ein für das Thema Nachhaltigkeit wichtiger Aspekt ist die Qualität und der Ausbau der Smart-Meter Infrastruktur und die genutzten Energieverbrauch- Monitoringsysteme. Jede Besichtigung ging einher mit anderthalbstündigen Gesprächen mit den jeweiligen Property-Manager: innen, die eine profunde Kenntnis ihrer Objekte haben.

In einem weiteren Schritt erlaubten diese Daten und der Einsatz von Wüest Climate die CO2-Bilanz aller Objekte zu ermitteln. Für eine sogenannte Carbon Due Diligence ist das der zentrale Faktor, für das Thema Nachhaltigkeit ist es ein Punkt unter vielen. In Deutschland entscheiden Eigentümer:innen, ob sie diese Bilanz anhand des Verbrauchs der vergangenen drei Jahre ermitteln oder über einen erwarteten Bedarf, was für Neubauten Sinn macht oder wenn der Effekt von Sanierungsmaßnahmen simuliert werden soll. In der Schweiz sind beide Ermittlungsarten zwingend. Bei 20 Prozent Abweichung und mehr zwischen den Werten ist eine Begründung notwendig.

Ulrich Haeselbarth, Vorstand der HanseMerkur Grundvermögen:

„Aufgrund der strukturierten Datenerfassung und Auswertung durch Wüest Partner wissen wir, dass wir uns auf einem guten Weg in Richtung Klimaneutralität befinden. Auch wenn der akute Handlungsbedarf bei unserem jungen Immobilienportfolio zurzeit gering ist, werden wir durch die Aufstellung von Klimafahrplänen die Weichen für zukünftige Optimierungen stellen.“

Der Weg zur CO2-Bilanz

  • Übernahme aller Daten des Kunden
  • Begehung aller Objekte und Gespräche mit Property-Managern
  • Strukturierte digitale Erfassung der Objekte
  • Errechnung der CO2-Bilanz

Die Anzahl von Labels und Tools in der Nachhaltigkeit ist groß

CO2-Bilanzen lassen sich leicht errechnen, dennoch schwer prüfen

Für die weiteren Schritte einer Nachhaltigkeitsprüfung, also das ESG-Rating und den EU Taxonomie-Check, ist die Carbon Due Diligence lediglich ein Baustein. Der Transparenz halber muss allerdings gesagt werden, dass wenn die CO2-Bilanz relativ einfach zu errechnen ist, sie sich viel schwieriger prüfen lässt. So wird zum Beispiel der Stromverbrauch eines Objekts in ein CO2-Äquivalent anhand von Koeffizienten umgerechnet. Diese Koeffizienten variieren jedoch je nach Berechnungstool und in diesen je nach Ort. Sie können je nach Bundesland variieren: Im CRREM-Tool liegt das deutschlandweite Mittel bei 0,5, in einigen Bundesländern jedoch auch deutlich höher mit bis zu 0,8. Zusätzlich können diese Umrechnungs-Koeffizienten je nach Energieanbieter unterschiedlich sein. Eine CO2-Bilanz auf Richtigkeit zu kontrollieren, verlangt also eine hohe Expertise.

Vergleichsweise komplexer: ESG-Rating und EU-Taxonomie

Für das bei weitem komplexere ESG-Rating reiht sich die eine Kennzahl der CO2-Bilanz in oft 40 bis 50 weitere Kennzahlen. So fächert sich allein das E (Environment) des ESG-Kürzels der EU-Taxonomie in sechs Unterziele auf. Die Ziele reichen von Klimaschutz und -resilienz, über Biodiversität, Wasser und Müll bis zur Kreislaufwirtschaft. An diesem Punkt stellt sich die Frage, welches ESG-Rating verwendet werden soll. Am Markt bestehen mehrere gleichzeitig, in Deutschland versucht die ECORE-Initiative Einheitlichkeit zu schaffen und vereint über 160 Akteure. Wüest Partner hat ein eigenes ESG-Rating entwickelt, das sich sowohl auf alle bestehenden Labels wie BRREAM, LEED und DGNB bezieht, als auch alle anderen separat bedienen kann.

Die zwei weiteren Buchstaben in ESG, S wie Social und G wie Governance, werden bei Wüest Partner mit 41 Indikatoren festgehalten. Ihnen wird manchmal weniger Wichtigkeit beigemessen, denn diese Kriterien gelten als schwerer zu quantifizieren im Vergleich zu CO2-Emissionen, Strom- oder Gasverbrauch. Doch auch wenn sie vielleicht weniger objektiv sind, lassen sie sich auf jeden Fall messen. Zum Punkt Governance gehört zum Beispiel die Beteiligung der Mieter:innen eines Objekts an seiner Verwaltung: Ob es Versammlungen mit diesen gab und ob sie in Entscheidungen einbezogen wurden, lässt sich anhand von Protokollen festhalten. Ganz pragmatisch muss festgestellt werden: Die S- und G-Kriterien werden zukünftig für die Überprüfung der Konformität zur EU-Taxonomie gebraucht und sind deswegen wichtig, die „Social Taxonomy“ liegt im Entwurf bereits vor. Die EU-Taxonomie hat Gesetzescharakter, deswegen hat die Konformität von Objekten eine Auswirkung auf die stark nachgefragten Artikel 8 und 9 Fonds – und somit handfeste wirtschaftliche Konsequenzen.

Umfangreiches Reporting und Monitoring, sogar der energetischen Sanierung

Von vielen Pfaden den besten ermitteln

An diesem Punkt angelangt, beginnt die eigentliche Arbeit: Das Nachdenken über den CO2-Absenkpfad. Die Objekte sind jetzt vollständig erfasst, mit weiteren Wüest Partner Lösungen werden die möglichen Energieeinsparungen anhand von Simulationen errechnet. Diese stützen sich auf mehrere zehntausend Erfahrungswerte, beziehen das Photovoltaik- Potential und existierende Förderungen mit ein. Somit kann den Manager:innen der Portfolien und Fonds mehrere Varianten vorgeschlagen werden, um die Klimaneutralität zu erreichen. Dafür müssen diese mit den jetzt verfügbaren und umfangreichen Reporting-Möglichkeiten vertraut gemacht werden, die unter anderem den Fortschritt der energetischen Sanierungsmaßnahmen umfassen. Diese werden pro Gebäude, Objekt und Portfolio visualisiert und erlauben auch die Einbindung von Umfelddaten.

Das war ein Beispiel, wie ein Weg zum Absenkpfad im Detail gefunden werden kann. Sicherlich verlangen die neuen Bestimmungen den Halter:innen von Immobilien einiges ab.

Doch die Herausforderung hat auch einen positiven Nebeneffekt: Strukturiert erfasste Daten erlauben, neben der Prüfung der Nachhaltigkeit, auch Bewertungen durchzuführen. Das ist vermutlich besonders für Fonds interessant, denn dadurch lassen sich mit einer Klappe zwei Fliegen schlagen. Oder um in der Bildwelt zu bleiben, mit dem Beschreiten eines Pfades lassen sich zwei Destinationen erreichen.

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