ECORE – der neue ESG-Branchenstandard?

30.11.2021

Autor

Pia Hoffmann

Pia Hoffmann

Projektleiterin Initiative ECORE

Bell Management Consultants

Blogbeitrag

„ECORE – ESG Circle of Real Estate“– Der ESG-Branchenstandard für die Immobilienwirtschaft

Energieeffizient, Grün, Nachhaltigkeit: Diese Begriffe sind längst seit vielen Jahren in der Immobilienbranche fest verankert. Doch seitdem der gesellschaftliche Druck von vielen Seiten auf das Thema Klimawandel immer größer wird und große, notwendige Ziele im Pariser Klimaschutzabkommen verabschiedet wurden, sind die drei Buchstaben „E“, „S“ und „G“ aus der Immobilienbranche nicht mehr wegzudenken. Immobilienfonds, Bestandshalter, Asset Manager, Projektentwickler und nicht zuletzt auch die Property Manager und Facility Manager sind dabei, ihr Handeln daran auszurichten.

Das „E“ steht für Environmental (Umwelt) und betrifft unter anderem die Faktoren Klima, Ressourcen oder Artenvielfalt. Das „S“ steht für Social (Soziales) und umfasst Punkte wie Mitarbeiter, Nutzerkomfort, Sicherheit und Gesundheit. Das „G“ steht für Governance (Unternehmensführung) und steht für Themenbereiche wie Risiko- und Reputationsmanagement, Aufsichtsstrukturen, Compliance und Antikorruptions- Maßnahmen.

Die Initiative ECORE ESG Circle of Real Estate

Ende 2019 hat sich die Immobilienbranche, allen voran die Fonds- und Asset Manager, auf den Weg gemacht, den Branchenstandard ECORE als neutrale Mess-, Steuerungs- und Koordinationseinheit zu entwickeln. Darüber hinaus soll das ECORE-Scoring Transparenz und Vergleichbarkeit in Richtung der unterschiedlichen Stakeholder, bspw. Anleger oder Mieter sicherstellen. Das war die Geburtsstunde der Initiative ECORE ESG-Circle of Real Estate.

Heute umfasst die Initiative ECORE ein breites Feld von über 100 Teilnehmern und sechs Immobilien-Verbänden (siehe Abb.). Innerhalb ECORE agiert zudem die Gruppe der ESG- Solution Partner (20 Dienstleistungsunternehmen), die die Investorenseite auf dem Weg zu klimaneutralen Gebäuden als beratende Sparrings-Partner und operative Umsetzer von Nachhaltigkeitsmaßnahmen unterstützen.

Das ECORE-Scoring

Mit dem ECORE-Scoring wurde ein Standard erarbeitet, der alle Regularien, Gesetze und Verordnungen sowie die ESG-Kriterien (u.a. die erforderlichen Taxonomie-Kriterien des Action Plan on Sustainable Finance der EU und die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens) abdeckt. Über ECORE wird eine Aussage zum gesamten Portfolio bzw. auf Produktebene möglich. Auch bereits durchgeführte Zertifizierungssysteme (bspw. DGNB, BREEAM und LEED) werden abfragt und entsprechend berücksichtigt.

Die Entwicklung der EU-Taxonomie wird auch in den kommenden Jahren sehr dynamisch sein und voraussichtlich noch anspruchsvoller werden, sollte der Gebäudesektor auch in den nächsten Jahren seine Klimaziele, wie bereits 2020, verfehlen. Das Scoring wird dementsprechend fortlaufend an die neuesten Anforderungen der EU-Taxonomie angepasst.

Den Immobilienfonds, Investoren, Bestandshaltern und Projektentwicklern ermöglicht das ECORE-Scoring über alle Asset Klassen die Möglichkeit, die ESG-Konformität der Objekte und der Portfolios zu erfassen. Ebenso wird es möglich sein auf individuell auswählbaren Ebenen ein Benchmarking zu anderen Objekten zu generieren. Von Beginn an wurde innerhalb von ECORE die Regulatorik interpretiert und diskutiert. Dazu gehörte neben der Implementierung der Taxonomie-Kriterien auch das Erlangen eine einheitlichen Branchenverständnisses zur Definition von Art. 6-, Art. 8- und Art. 9-Produkten.

Der Score-Wert wird anhand einer Punkteskala von 0 bis 100 ermittelt. In einer Vielzahl an Workshops mit den Experten der ECORE-Mitglieder wurden die Detailkriterien je Asset Klasse definiert, strukturiert, diskutiert und anschließend gewichtet. Ziel war es, ein operativ anwendbares Tool zu entwickeln, dass bei hohem Qualitätsanspruch auf der einen Seite, trotzdem im Aufwand für kleine und große Unternehmen umsetzbar sein sollte.

ECORE wird für alle Asset Klassen anwendbar sein und verfolgt einen internationalen Anspruch, auch wenn es aus Deutschland heraus entwickelt wird. Ein großer Teil der ECORE- Mitgliedsunternehmen ist mindestens europaweit oder sogar weltweit investiert.

Das Scoring-Modell besteht aus drei Clustern, die unterschiedlich stark gewichtet sind.

  1. Governance,
  2. Verbräuche und Emissionen, und
  3. Asset Check (siehe Abb.).

Die Oberkriterien gliedern sich nochmals in eine Vielzahl an relevanten Detailkriterien auf.

Im „Cluster I - Governance“ stehen Nachhaltigkeit und Management im Portfolio, Kommunikation und externe Qualitätssicherung (z.B. Nachweise, Ratings) im Vordergrund. Analysiert wird hier u.a., ob Mieterausschlusskriterien angewendet oder grüne Mietverträge abgeschlossen wurden.

Im „Cluster II - Verbräuche und Emissio­nen“ sind die zentralen Themen Energie­verbrauch, CO 2 -Emissionen, Wasserverbrauch und Abfallaufkommen und die Bewertung „Paris-Ready“ (Abgleich mit den Zieldaten für 2030) zu nennen.

Das „Cluster III - Asset Check“ umfasst acht qualitative Themenfelder: Gebäudeautomation, Hülle und Technik, Ressourcen, Nutzerkomfort, Ökonomie, Lage sowie Maßnahmen im Betrieb.

Frühzeitige Einbindung von Lösungspartnern

Ergänzt wurde der Kreis der ­ECORE-Investoren und Projektentwickler um die Gruppe der ESG-Solution Partner. Diese setzen sich aus führenden Beratungs- und Dienstleistungs­unternehmen des Immobiliensektors zusammen. Innerhalb der Initia­tive ECORE verstehen sie sich als Enabler, die mit Expertise und Realisierungskompetenz die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele gemeinsam mit den Immobilieninvestoren vorantreiben wollen. Für den fort­laufenden Dialog zwischen ECORE-Investmenthäusern und - Umsetzungspartnern wurde ein regelmäßiges Meetup-Format mit einer Vielzahl an Nachhaltigkeitsthemen ins Leben gerufen. Im Vordergrund stehen der konkrete Austausch zur Hebung von Optimierungspotentialen sowie die gemeinsame Arbeit an Strategien hinsichtlich der Klimaziel-Erreichung bis 2030/2045.

Einbindung weitere Marktakteure

Auch die finanzierenden Banken müssen zukünftig neben neuen Finanzierungsanfragen auch ihren bestehendes Kreditbestand nach ESG-Gesichtspunkten bewerten. Vor diesem Hintergrund war es naheliegend sich an der Weiterentwicklung des ECORE-Standards zu beteiligen und diesen für die eigenen Anforderungen entsprechend auszubauen. Ebenso wird die Gutachter-Seite eingebunden.

Erster Fokus auf Bestandsimmobilien, nun auch Development/ Neubau

Das bisherige Scoring ist für Bestandsimmobilien konzipiert, da hier mit Blick auf die CO 2 - Neutralität die großen Herausforderungen der Branche liegen. Aber auch für Projektentwicklungen ändern sich derzeit die Anforderungen von Investorenseite. Zudem haben viele Projektentwickler haben aktuell noch keine umfassende Kenntnis darüber, welche neuen Kriterien und Dokumentationsanforderungen für die Immobilienkäufer zukünftig relevant sind. Vor diesem Hintergrund wurde neben den bestehenden Fachausschüssen „Regulatorik“, „Nachweisführung“ und „Bewertung“ auch der Fachausschuss „Development“ gegründet.

Ausblick

Nachdem die Konzeptions- und Pilotierungsphase EXCEL-basiert erfolgte, wird derzeit mit Hochdruck an einer webbasierten Lösung gearbeitet, um in Zukunft die Anwendung des ECORE-Scorings für alle Nutzer so einfach wie möglich zu gestalten. Parallel steht die weitere Internationalisierung als auch die Positionierung dieses ESG-Standards gegenüber regulatorischen Gremien im Fokus. Ab 2022 wird das Scoring als nutzbarer Standard für den Markt verfügbar sein.

 

Dies ist ein Auszug aus unserer Publikation ESG Kompakt - Das Magazin für die institutionelle Immobilienwirtschaft zum Thema Nachhaltigkeit, ESG und Circular Real Estate.

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