Immobilienbranche muss einen ESG-Gang höher schalten

29.07.2021

Autor

Carolina von Groddeck

Carolina von Groddeck

Head of Germany

Savills Investment Management

Blogbeitrag

Die gesamte Immobilienbranche steht gemeinsam vor der Herausforderung nachhaltiger und klimafreundlicher zu werden. Mit dem Vorliegen des gesetzlichen Rahmens wie der EU-Taxonomie, haben sich die Zielvorgaben und Handlungsfelder nun weiter konkretisiert.

Jedes Unternehmen für sich ist gefordert, konkrete Ziele inklusive eines fixen Zeithorizonts für die eigene Organisation und die eigenen Produkte zu definieren und einen Maßnahmenplan zu entwickeln, wie diese Ziele messbar gemacht und erreicht werden sollen. Der erste Schritt ist, die dafür notwendigen Daten zu erheben und den Transformationsstatus auszuwerten. Dies gilt insbesondere für Bestandsimmobilien.

Herausfordernd ist und bleibt, dass sich vieles noch im Fluss befindet und gerade auch auf dem Weg zur CO2-Neutralität immer wieder Anpassungen erfolgen werden. So musste zuletzt die Bundesregierung das Klimaschutzgesetz deutlich nachschärfen, das Ergebnis ist noch offen. So sehr alle auf konkrete Vorgaben hoffen, so klar ist, dass es noch dauern wird, bis die genauen Vorgaben vorliegen und dass diese auch in Zukunft nie final sein werden, sondern kontinuierlich angepasst werden müssen. Das kann bei den vielen parallelen Gesetzgebungsinitiativen, die nicht an die EU-Taxonomie gekoppelt sind, kaum vermieden werden. Darüber hinaus werden Vorgaben national umgesetzt, was wiederum zu unterschiedlichen Produkt- und Marktstandards führen kann.

Unabhängig von der Gesetzeslage ist die Branche gefordert ihren Bestand schon jetzt auf ESG-Vordermann zu bringen. Neubauten sind zumeist zertifiziert oder können ohne größere Asset Management-Aktivitäten nachzertifiziert werden. Ihr Marktstandard wird sich kontinuierlich weiterentwickeln, um den steigenden Anforderungen von nachhaltigem Wirtschaften gerecht zu werden. Das größte Potenzial für die Immobilienwirtschaft liegt natürlich in der ESG-Optimierung älterer Immobilien – für jede müssen die zielführendsten Maßnahmen zur Optimierung identifiziert und umgesetzt werden. Und das ist keinesfalls automatisch der Abriss und Neubau.

Wir müssen mit Sinn und Verstand an die Sache herangehen. Immobilien nachhaltiger zu gestalten, erfordert Investitionen, die aktuell nicht immer in gleichem Umfang zu einem steigenden Verkehrswert führen. Dennoch führt kein Weg daran vorbei, dass Bestandshalter aktiv werden müssen. Unter dem Strich ist mittel- bis langfristig mit Renditeabschlägen und geringeren Mieteinnahmen zu rechnen, wenn Immobilien nicht ESG-konform sind. Im Extremfall kann aus einem Objekt auch wirtschaftlich ein „stranded asset“ werden, das weder verkäuflich noch vermietbar ist.

Fakt ist, die gesamte Branche befindet sich erst am Anfang des Transformationsprozesses, aber sie ist spürbar in Bewegung gekommen. Der Gesetzgeber ist gefordert, die allgemeinen Vorgaben zügig zu konkretisieren, so dass diese dann umgesetzt werden können.

Die Branche muss zusammenarbeiten und Expertise austauschen, um gemeinsam das übergeordnete Ziel zu erreichen. Hierfür müssen bewertbare und vergleichbare ESG-Standards entwickelt werden. Dies geschieht beispielweise bei der Initiative ECORE bereits sehr erfolgreich, bei der die Mitglieder einen europäischen Scoringstandard entwickelt haben, um die Nachhaltigkeit von Immobilienportfolios transparent, messbar und vergleichbar zu machen.

Die ersten Schritte sind gemacht. Aber die Branche muss das Tempo erhöhen. Abwarten ist nicht das Gebot der Stunde.

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