Interview: Gebäudeautomation schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe

04.04.2024

Autor

Werner Ottilinger

Werner Ottilinger

Geschäftsführer

SAUTER Deutschland

Blogbeitrag

Die Gebäudeautomation schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe

Werner Ottilinger, Geschäftsführer von SAUTER Deutschland, im Gespräch über das novellierte Gebäudeenergiegesetz (GEG), über ESG-Transformation und was auf die Immobilienbranche zukommt.

Herr Ottilinger, Sie befassen sich seit über 35 Jahren intensiv mit Energieeinsparungen bei Gebäuden, seit 2020 auch mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG). Was genau regelt das Gesetz und wen betrifft es?
Das neue Gebäudeenergiegesetz (GEG) schafft Handlungsbedarf für die gesamte Immobilienwirtschaft, für Immobilieneigentümer ebenso wie für das Property Management und die Investoren. Um die EU-Klimaschutzziele einzuhalten, gilt es, schnellstmöglich die energetische Qualität von Gebäuden zu erhöhen. Für Nichtwohngebäude (NWG) wie Büros, Industrie- oder Gesundheitseinrichtungen gelten vor allem höhere Effizienzstandards in Bezug auf Gebäudeautomation, Betrieb und Energiemanagement. In dieser Form ist das GEG 2024 ein Novum.

Wie wird zwischen Neubauten und dem Bestand unterschieden?
Neu zu errichtende kommerzielle Immobilien müssen jetzt zum Beispiel dem Automationsgrad der Kategorie B nach DIN V 18599-11 entsprechen. Bislang reichte die Kategorie C. Nun wird die Raumsensorik zwingend erforderlich, auch die Konnektivität von Anlagen, Systemen und Räumen. Bei Bestandsgebäuden greift diese Anforderung ein Jahr später und betrifft Gebäude mit mehr als 290 kW Heiz- oder Klimatisierungsleistung, das heißt ab einer Brutto-Grundfläche von mehr als 4.000 bis 5.000 m². Außerdem ist ab dem 1. Januar 2025 für alle Nichtwohngebäude ein fortlaufendes Energie-Monitoring Pflicht. Laut GEG darf die optimale Einregelung nicht länger als eine Heiz- und eine Kühlperiode in Anspruch nehmen.

Viele Gebäudeeigentümer sehen in der Energiewende immer noch einen Kostentreiber. Wie sieht es aktuell mit Fördermaßnahmen aus? Soll man mit Sanierungen abwarten oder gleich loslegen?
Das Thema ist emotional stark aufgeladen. Hinzu kommt, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2021 für weitere Verunsicherung sorgt. Ein Ergebnis ist, dass so mancher Entscheidungsträger eine abwartende, bisweilen sogar abwehrende Haltung gegenüber Sanierungen einnimmt. Doch eines ist klar: Mit Blick auf die europäische Gesetzgebung, den fortschreitenden Klimawandel und immer knapper und teurer werdender fossiler Energie sind energetische Sanierungen unausweichlich und auf Dauer kostengünstiger, weil werterhaltend. Beim Förderprogramm für „Anlagentechnik ohne Heizung“ ist es trotz des Haushaltsdefizits zu keiner Zeit zu einer Unterbrechung der Fördermittel gekommen. Darunter fallen ebenfalls die Gebäudeautomation und das Energiemanagement.
Greifen wir in diesem Kontext den Gedanken der ESG-Transformation auf. Wo steht die Immobilienwirtschaft heute?
Die Awareness steigt und dennoch sind wir noch lange nicht am Ziel. Im gehobenen Immobiliensektor hat sich die ESG-Datengrundlage verbessert, auch als Bewertungsgrundlage, mit einer zunehmenden automatisierten Erfassung und Verarbeitung von Verbrauchswerten. In den mittleren und gehobenen Asset-Klassen findet eine CRREM-Bewertung statt. Darüber hinaus werden immer mehr Gespräche zur strategischen Entwicklung der Immobilien geführt. In der Fläche besteht da allerdings noch viel Handlungsbedarf.

Was raten Sie Immobilienunternehmen, die ihre Immobilienportfolios energieeffizienter machen und einen Überblick über den Dekarbonisierungspfad des Portfolios bekommen möchten?
Wertvolle Hilfe leisten hier Software-Tools, die den CO2-Fußabdruck von Gebäuden über die gesamte Nutzungsphase bemessen und die exakte Position auf dem Dekarbonisierungspfad aufzeigen, bis hin zum möglichen Stranding-Zeitpunkt. So haben zum Beispiel verantwortliche Asset-Manager und Immobilienbetreiber die Chance, frühzeitig Maßnahmen zur CO2-Reduzierung zu ergreifen.

Wo unterstützen moderne Technologien dabei?
Zeitgemäße Gebäudeautomation spielt eine zentrale Rolle. Ich denke an smarte IoT-Raumsensorik, über die Daten im Gebäude effizient erfasst werden. Daraus ermittelt intelligente Software wichtige Kennwerte und ermöglicht so die Optimierung bei Verbrauch und betrieblicher Produktivität im REM. Gemeinsam mit MeteoViva, Anbieter von Smart-Data-Lösungen, haben wir von SAUTER mit amanteia ein cloudbasiertes Tool zur besseren Planung und Umsetzung von ESG-Strategien für das Immobilienportfolio entwickelt. Es liefert auf Basis von Lage, Nutzung und Bausubstanz eine erste Einschätzung des CO2-Fußabdrucks sowie eine Projektion der Entwicklung bis 2050.

Soweit zu innovativen Technologien. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die Immobilienwirtschaft?
Dazu gehört die neue Arbeitswelt, zum Beispiel New-Work-Konzepte, mit deutlich erhöhter Mobilität. Mietflächen werden reduziert oder untervermietet, der Leerstand nimmt zu. Geringere Mieteinnahmen stehen erhöhten Anforderungen an den Klimaschutz gegenüber. Die Immobilienwirtschaft ist hierbei gefordert, intelligente Lösungen für die Steigerung der Attraktivität von Immobilien zu finden.

Was also tun?
Die moderne Gebäudeautomation schlägt hier zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie spart Energie und macht eine Immobilie nutzerfreundlicher und attraktiver. Im Shared-Desk-Büro können Mitarbeitende beispielsweise per App einen Arbeitsplatz oder auch Besprechungsraum buchen, bekommen eine Freischaltung für die Zugangskontrolle und einen Parkplatz in der Tiefgarage zugewiesen. Daneben lassen sich automatisiert Heizung oder Klimatisierung regeln oder das System steuert die Beleuchtung sowie den Sonnenschutz im Raum. Die bedarfsgerechte, klimaschonende und kosteneffiziente Bewirtschaftung geht bis hin zum kostensparenden Cleaning on Demand.

Was wünschen Sie sich für 2024 von der Politik?
Ganz klar: Einen beschleunigten Netzausbau für die Wärme- und vor allem die Stromversorgung. Ohne einen leistungsstarken Netzanschluss gelingt die Elektrifizierung vielerorts nicht. Darüber hinaus brauchen wir attraktive, wirtschaftliche Strompreise, um den Wechsel des Energieträgers zu beflügeln. Bei allem müssen wir darauf achten, Unternehmen und Menschen in der Transformation mitzunehmen. Das hat in der Vergangenheit bei allen Bemühungen nicht immer ausreichend funktioniert, was zu unnötiger Verunsicherung geführt hat. Und wenn wertvolles Vertrauen in Politik und auch in die Gebäudetechnik einmal verloren geht, dann lässt es sich nur mühsam wiederherstellen. Deswegen müssen wir am Ball zu bleiben, fortlaufend informieren und Konzepte, Strategien sowie Chancen eindeutig erläutern.

 

Zur Person

Werner Ottilinger ist Geschäftsführer von SAUTER Deutschland. Als studierter Betriebswirt und Elektrotechniker verantwortet er seit 2004 in der Geschäftsleitung auch das internationale Facility-Management-Geschäft bei SAUTER. Außerdem ist Werner Ottilinger Vorstandsvorsitzender im Fachverband Automation + Management für Haus + Gebäude (AMG) beim VDMA. In dieser Funktion setzt er sich aktiv für moderne Gebäudeautomation ein, die zu den wesentlichen Voraussetzungen für nachhaltige Smart Buildings zählt. 2023 erhielt SAUTER Deutschland eine Gold-Medaille von EcoVadis für herausragende Leistungen in nachhaltiger Unternehmensführung und sichert sich damit einen Platz unter den Top 5 Prozent der weltweit teilnehmenden Unternehmen der Branche.

weitere Informationen

Werden Sie FondsNews-Leser!

Fachartikel, Informationen und Nachrichten der institutionellen Immobilienwirtschaft.

FondsNews

Beitrag teilen

Soziale Netzwerke