Risikomanagement in der Immobilienbranche: Strategien für neue Herausforderungen

06.11.2023

Autor

Oliver Bauscher

Oliver Bauscher

Director - Head of Risk Advisory

Wüest Partner

Blogbeitrag

Risikomanagement in der Immobilienbranche: Strategien für neue Herausforderungen

Das Risikomanagement von Immobilienportfolios steht aktuell vor großen Herausforderungen. Wo überwiegend Chancen dominierten, werden nunmehr Risiken in den Geschäftsmodellen deutlich, die häufig offensichtlich nicht ausreichend bewertet waren.

Vielfach veränderte Rahmenbedingungen führen zu einem Ende des Immobilienzyklus. So zeigte der VDP Gesamtindex Q1/2023 zum ersten Mal seit 13 Jahren eine Umkehr von Wachstum auf Rückgang der Immobilienpreise. Die wesentlichen Treiber für diese Trendwende sind:
1) Die Konjunktur steht am Beginn einer Rezession, das BIP-Wachstum stagniert seit 4 Quartalen zwischen –0,4 % und +0,4 %.
2) Die Transformation zur klimaneutralen Wirtschaft setzt Immobilien unter hohen Anpassungs- und Kostendruck.
3) Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine löste eine Rohstoff- und Energiekrise aus. Die Inflation liegt aktuell bei 6,1 %. Der Baupreis-Index stieg um 8,8 %.
4) Die Zinswende der EZB erhöhte nach sechs Jahren anhaltender Null-Zins-Politik im Juli 2022 bis heute den Hauptrefinanzierungszins innerhalb von 10 Schritten auf 4,50 %.

Der Immobilienmarkt reagiert, ähnlich wie nach der Finanzkrise im Jahr 2009, spätzyklisch auf diese Entwicklungen. Folgende Marktbewegungen sind daher zu beobachten:
1) Am Mietmarkt ging der Flächenumsatze für Büroimmobilien um 32 % zurück.
2) Am Investmentmarkt ging das Investmentvolumen für Gewerbeobjekte um 68 % zurück.
3) Am Finanzierungsmarkt liegt das BF Quartalsbarometer auf dem tiefsten Stand der restriktiven Kreditvergabe.
4) Am Entwicklungsmarkt häufen sich die Insolvenzen großer Gesellschaften. Die Regelinsolvenzen stiegen um 24 %.

Eine Normalisierung des Marktgeschehens erfolgt, sobald sich Angebot und Nachfrage in einem neuen Preisgleichgewicht befinden. Dafür ist jedoch ein Konsens hinsichtlich der Bewertungen der Risiken im Markt erforderlich. Bei Bestandsimmobilien werden Risiken regelmäßig in den Kategorien Lage, Standort, Objekt und Ertrag bewertet und gesteuert. Für Entwicklungsprojekte kommen weitere Risiken hinsichtlich Projektierung, Spezifizierung, Realisierung und Verwertung hinzu. Die Komplexität von Immobilienprojekten ist somit weitaus höher. Zudem ist die Bewertung des Residualwertes der Entwicklungsgrundstücke hoch sensitiv und somit stark anfällig für Veränderungen von Erwartungswerten hinsichtlich Kosten, Erträgen und der Verzinsung.

Ein wesentlicher Beitrag des Risikomanagements ist es einerseits, einem Korridor der typischen Abweichungen des Erwartungswertes für einen Parameter (z.B. Kosten oder Rendite) zu prognostizieren, sowie andererseits auch Angaben über sehr unwahrscheinliche Ereignisse und deren Auswirkung auf maximale Verluste machen zu können. Diese sogenannten “Black Swans” werden statistisch als Verteilungen mit “Fat Tails” modelliert und resultieren in “Expected Shortfalls” oder statistisch den “Lower Partial Moments” als Downside-Risiko-Maße.

Im Falle des Projektentwicklungsmarktes ist dies bislang augenscheinlich nicht ausreichend umgesetzt worden. Der Ausbruch eines Krieges kann zumindest als “Black Swan” angesehen werden. Mit der Zinswende musste jedoch mittelfristig gerechnet werden, auch wenn Eintrittszeitpunkt und Veränderungshöhe unsicher waren. Der Einflussfaktor Zins auf den Residualwert ist so groß, dass ein Restrisiko modelliert werden musste. Es ist daher ein Risiko-Management zu empfehlen, das sowohl Bestands- als auch Entwicklungsrisiken sowie Standard-Risiken als auch Shortfall-Risiken berücksichtigt.

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