Was die soziale Taxonomie für Immobilien bedeutet

03.02.2022

Autor

Jan von Mallinckrodt

Jan von Mallinckrodt

Head of Sustainability

Union Investment Real Estate GmbH

Blogbeitrag

Die hohen Treibhausgas-Emissionen des Gebäudesektors sind nicht mit den Pariser Klimazielen vereinbar. Längst ist klar, dass im Kampf gegen den Klimawandel kein Weg an der Dekarbonisierung des Gebäudesektors vorbeiführt. Die Immobilienwirtschaft muss nachhaltig nachbessern und die Regulatoren ziehen die Zügel bereits an. Im Rahmen des EU Actionplans liefert die Taxonomie-Verordnung hier ein erstes Regelwerk, das sich aktuell vor allem auf ökologische Ziele beschränkt. Bei Immobilien-Investitionen – Ankauf oder im Bestand – müssen darum vor allem die Energieeffizienz und die Treibhausgas-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus hinweg bedacht werden.

Neben ökologischen Faktoren spielen bei der Beurteilung der Nachhaltigkeit von Immobilien zunehmend aber auch soziale Aspekte eine wichtige Rolle. Zwar werden bereits jetzt bei Planungen von Immobilien-Projekten immer stärker der soziale Wohnungsbau, altersgerechte Bauweisen und Kinderbetreuungseinrichtungen berücksichtigt, im Bestand wird auf die Beleuchtung der Tiefgaragen und Zuwegung geachtet, auf Duschen und Ruheräume. Doch fehlt bislang noch – ergänzend zum ökologischen Bereich – eine endgültige Definition von sozialen Kriterien und messbaren Merkmalen durch die Taxonomie-Verordnung. Was genau künftig als sozial im Sinne der Taxonomie gilt, ist daher noch offen.

Erste Einblicke in die zu erwartenden Regelungen und voraussichtlichen Kriterien liefert der „Draft Report“ zur sozialen Taxonomie der „Platform on Sustainable Finance“, der im Juli dieses Jahres veröffentlicht wurde. Die Struktur der sozialen Taxonomie wird demzufolge in eine horizontale und eine vertikale Dimension aufgeteilt. Die horizontale Dimension zielt auf die Prozesse in den jeweiligen Unternehmen ab. Die Kriterien der vertikalen Dimension hingegen definieren die Aktivitäten für soziale Produkte und Dienstleistungen. Sie basieren auf dem Konzept des Rechts auf einen angemessenen Lebensstandard, der sich aus Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ergibt.

Die Nutzungsart Wohnen wird in der vertikalen Dimension bereits explizit erwähnt. Insbesondere wird auf die Sorge weiter steigender Mieten in Europa hingewiesen. Ein wesentliches Kriterium der sozialen Taxonomie mit Bezug auf Gebäude wird darum die Anzahl der Wohnungen sein, die den Mindestqualitätsstandards für Personen entsprechen, die das Recht haben, mit einer Wohnberechtigung in einer Sozialwohnung zu leben – kurz gesagt die Zahl der Sozialwohnungen.

Was bedeutet das für Gewerbeimmobilien? Sie werden diesen Kriterien kaum nachkommen können. Allerdings können sie dennoch nach wie vor die ökologischen Kriterien erfüllen und so als taxonomiekonformes Gebäude in die Berechnung der gesamten Taxonomiekonformität eines Finanzprodukts einfließen.

Die geplante Erweiterung der Taxonomie im Hinblick auf soziale Aspekte stellt für Immobilien-Besitzer zwar in gewisser Weise „Neuland“ dar. Grundsätzlich müssen sie sich jedoch schon jetzt sozialen und gesellschaftlichen Herausforderungen stellen. Bestandshalter sind bei vielen Fragen und Entscheidungen gefordert, in den Austausch mit den Mietern ihrer Immobilien zu treten Bei Bauvorhaben beispielsweise ist die Einbeziehung der unterschiedlichen Nutzergruppen ein wichtiger Faktor, um Objekte und Quartiere erfolgreich zu errichten beziehungsweise weiterzuentwickeln. Auch bei Initiativen zur nachhaltigen Transformation des Immobilienbestandes im ökologischen Sinne ist die Interaktion zwischen Vermieter und Mieter eine Voraussetzung für deren Erfolg.

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