Wem die Stunde schlägt
Autor
Katrin Hupfauer
Blogbeitrag
Wem die Stunde schlägt
Die Investitionen in europäische Gewerbeimmobilien fielen im ersten Quartal 2023 auf ein 11-Jahres-Tief, da sich die schwache Marktphase, die in der zweiten Hälfte 2022 begonnen hatte, fortsetzte. Ursächlich dafür war der rasche Anstieg der Zinssätze, der zu einer erhöhten Unsicherheit in den Renditeaussichten für Immobilieninvestitionen und zu Herausforderungen bei der Bewertung von Objekten führte, da die Zahlungsbereitschaft der Käufer und die Mindestforderungen der Verkäufer immer weiter auseinanderklafften. Die Diskussionen in der Preisfindung hatten einen scharfen Rückgang der Marktliquidität zur Folge, der sich auf fast alle Marktsegmente in ganz Europa erstreckte. Im ersten Quartal sank das Transaktionsvolumen in Großbritannien, Frankreich und Deutschland nicht nur insgesamt, sondern dort auch in allen Immobilienarten. Soll man jetzt trotzdem kaufen?
Am Markt waren in der jüngeren Vergangenheit eine ganze Reihe von disruptiven Faktoren zu sehen, die teils verstärkende, teils kompensierende Auswirkungen auf die Preise haben. Immer dann, wenn Märkte unter wechselnden Einflüssen stehen, und der Gesamteffekt unklar ist, braucht es eine gewisse Zeit, bis Angebot und Nachfrage wieder zueinander finden. Hinzu kommt, dass in der Breite der Handlungsdruck fehlt. Je höher dieser, gleich ob intern motiviert oder exogen auferlegt, desto schneller ist eine Einigung bei Preisverhandlungen zu erwarten. Gleichwohl geht ein gewisser Attentismus von der Unsicherheit bevorstehender politischer Vorgaben aus. Solange hier keine Klarheit für den als klimarelevant eingestuften Gebäudesektor herrscht, werden sich Käufer und Verkäufer nur schwer finden.
Die Frage, ob Immobilienobjekte nun wieder kaufwürdig sind, verstellt den Blick auf die Tatsache, dass im Immobiliengeschäft ein langer Atem Pflicht ist. Ganz konkret: nur weil einem der Markt ein paar Monate lang nicht gefällt, ist dies noch lange kein Grund, nicht zu kaufen. Wer einen Anlagehorizont von mindestens 20 bis 30 Jahren hat, kann relativ unabhängig von der aktuellen Marktphase kaufen. Gerade in diesen Zeiten, wenn die Käufer wegen hoher Finanzierungskosten zurückhaltend sind bzw. abwarten, bis ihnen die Preise hinreichend entgegengekommen sind, lassen sich auf die lange Sicht sehr gute Transaktionen realisieren.
Wer mit eigenem Geld investiert, findet sogar ein attraktives Umfeld vor. Denn jene Käufer, die mit einer hohen und günstigen Fremdfinanzierung bisher Preise bieten konnten, die viele nicht mitgehen wollten, fehlen jetzt. Während sich die Verkäufer sukzessive von ihren historisch hohen Preisforderungen verabschieden, stehen Equity-Investoren vorne und sind im Begriff, langfristig vorteilhafte Transaktionen abschließen zu können. Denn zu allen Zeiten gilt, Core-Immobilien mit wirklich guten Qualitäten in erstklassigen Lagen sind immer knapp und erweisen sich in wirtschaftlich schwächeren Zeiten als äußerst resilient und wertstabil. Die Option abzuwarten, bis der Markt wieder in Schwung kommt, bedeutet auch, sich einem härteren Wettbewerb stellen zu müssen. Wer es sich leisten kann, für den gilt: Antizyklisch investieren ist das Gebot der Stunde.
Losgelöst davon gilt zu allen Zeiten: Der entscheidende Werttreiber von Immobilien ist der Mieter. So lassen sich in den Wohnungsmärkten kaum oder nur sehr selektiv Belastungen feststellen. Die Nachfrage ist hoch, nimmt vor allem in den Ballungsräumen eher noch zu und es ist nicht absehbar, dass diese Übernachfrage auf Sicht verschwindet. Gleichzeitig ist das Angebot weiterhin limitiert. Aus dem gewerblichen Bereich sind Fachmarktzentren ein gutes Beispiel für Resilienz. Sie werden meist getragen von Lebensmittel und Drogerie – ein grundsätzlich krisensicheres Geschäft, denn gegessen und getrunken wird immer. Der langfristige Investor sucht Standorte, Lagen und Objekte, die auch in Zukunft nachhaltig Erträge durch stabile und steigende Mieteinnahmen sichern. Die Conclusio lautet: die qualitätsorientierte Selektion bietet langfristig sehr gute Erfolgschancen.
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