Zukunftsfähigkeit von Immobilieninvestitionen

03.12.2022

Autor

Michael Denk

Michael Denk

Geschäftsführer

Quadoro Investment GmbH

Blogbeitrag

Zukunftsfähigkeit von Immobilieninvestitionen

2019 hat die EU im Rahmen des „Europäischen Grünen Deals“ ihre Klimaziele für die Jahre 2030 und 2050 festgelegt. Die Umsetzung erfolgt mit dem Gesetzespaket „Fit for 55“. Im Zuge dessen wird auch die europäische Gebäuderichtlinie novelliert. Auf Immobilieninvestoren kommen damit in den nächsten Jahren neue, strenge Anforderungen zu. Dies betrifft nicht nur Neubauten, sondern auch bestehende Gebäude. Immobilien, welche die künftigen Anforderungen nicht erfüllen, werden zu „Stranded Assets“.

Vom Pariser Klimagipfel zum neuen Gebäudeenergiegesetz

Mit dem Pariser Klimaübereinkommen von 2015 haben sich die 195 Vertragsstaaten verpflichtet, die menschengemachte globale Erwärmung auf deutlich unter 2°C gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen, um die Wahrscheinlichkeit extremer Wetterereignisse und des Erreichens von Kipppunkten des Klimas zu verringern. Die EU hat das Übereinkommen im Jahr 2016 ratifiziert. 2019 stellte die EU-Kommission dann mit dem „Europäischen Grünen Deal“ ihre neue Klimastrategie vor. Damit wurde das bisherige EU-Klimaziel, die Treibhausgasemissionen in der EU bis zum Jahr 2030 im Vergleich zu 1990 um 40 % zu reduzieren, verschärft. Das neue Ziel für 2030 lautet 55 %. Und ab dem Jahr 2050 will die EU klimaneutral sein. Dann müssen also Treibhausgasemissionen und deren Abbau durch natürliche oder künstliche Senken ausgeglichen sein („Netto-Null“). Nach 2050 strebt die EU sogar negative Emissionen an. Die neuen Klimaziele wurden 2021 im Europäischen Klimagesetz festgeschrieben und sind für alle Mitgliedstaaten bindend. Zur Erreichung der Ziele hat die EU-Kommission gleichzeitig das umfangreiche Gesetzespaket „Fit for 55“ angekündigt. Immobilien sind dabei von zentraler Bedeutung, da in der EU 36 % der direkten und indirekten energiebedingten Treibhausgasemissionen auf Gebäude entfallen. Die Novellierung der EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) ist daher zentraler Bestandteil von „Fit for 55“. Im Februar 2023 wurde mit der Zustimmung des Ausschusses Industrie, Forschung und Energie des EU-Parlaments zum Entwurf der neuen EPBD ein Meilenstein erreicht. Im nächsten Schritt wird das EU-Parlament diesen Entwurf im Frühjahr 2023 beraten. Nach Verabschiedung der EPBD muss diese in nationales Recht überführt werden, wobei die Mitgliedstaaten gewisse Spielräume in der konkreten Ausgestaltung haben. Die Überführung in nationales Recht könnte bis 2025 erfolgen. In Deutschland wird die neue EPBD durch eine Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) aus dem Jahr 2020 umgesetzt.

Harmonisierte Energieausweise

Die EPBD strebt eine Harmonisierung der nationalen Energieausweise an. Künftig wird es die Energieeffizienzklassen A bis G geben. Dabei kann nach Nutzungsarten unterschieden werden. Grundlage für die Einteilung in die Klassen ist die Gesamtenergieeffizienz. Dabei entspricht die Klasse G den schlechtesten 15 % des nationalen Bestandes zum Zeitpunkt der Einführung der neuen Energieausweise. Neu sind die Klassen A0 für Nullemissionsgebäude und A+ für Gebäude, die zusätzlich einen positiven jährlichen Nettobeitrag zum Energienetz mit am Standort erzeugter Energie leisten. Die Energieausweise müssen künftig Mindestvorgaben für die Gesamt­energieeffizienz sowie Angaben zu den Anforderungen an Niedrigstenergiegebäude und Nullemissionsgebäude enthalten. In Zukunft muss auch bei Verlängerung von Mietverträgen ein Energieausweis vorgelegt werden.

Neue Spielregeln für Neubauten

Mit dem Entwurf der EPBD zeichnen sich die künftigen Spielregeln für Immobilien ab. Gemäß der aktuellen EPBD müssen Neubauten seit 2018 „Niedrigstenergiegebäude“ sein, also eine hohe Gesamtenergieeffizienz (bezogen auf Primärenergie, insbesondere für Heizung, Kühlung, Lüftung, Warmwasser und Beleuchtung) aufweisen. Ab 2028 müssen Neubauten laut neuer EPBD „Nullemissionsgebäude“ sein. Ein Nullemissionsgebäude ist sehr energieeffizient, emittiert am Standort kein CO2 aus fossilen Brennstoffen und verursacht sehr geringe CO2-Emissionen durch Strom und andere von außen bezogene Energie wie beispielsweise Fernwärme. Ab 2030 müssen alle neuen Wohngebäude mit Solarenergieanlagen ausgerüstet werden. Neubauten dürfen ab 2035 nicht mehr mit fossilen Heizungen ausgestattet werden. Neue Nichtwohngebäude mit mehr als fünf Parkplätzen müssen künftig mindestens einen Ladepunkt für Elektrofahrzeuge haben. Zudem müssen 50 % der Parkplätze für Ladepunkte vorverkabelt sein. Bei neuen Bürogebäuden muss die Hälfte der Parkplätze auch gleich mit Ladestationen ausgerüstet werden. Bei allen Nichtwohngebäuden müssen Fahrradabstellplätze für mindestens 15 % der durchschnittlichen Nutzerkapazität geschaffen werden.

Künftige Vorschriften für bestehende Gebäude

Die von der EU angestrebte Dekarbonisierung des Gebäudebestands erfordert in großem Maßstab energetische Renovierungen: Nach Schätzung der EU sind fast 75 % des derzeitigen Gebäudebestands ineffizient. Etwa 90 % der heutigen Gebäude werden aber 2050 noch stehen. Die jährliche Quote der energetischen Sanierungen liegt in den EU-Mitgliedsstaaten zwischen 0,4 % und 1,2 %. Beim derzeitigen Sanierungstempo würde die Dekarbonisierung des Gebäudebestands ein Jahrhundert dauern. Ziel der EU ist es daher, die jährliche Quote der energetischen Gebäudesanierungen bis 2030 mindestens zu verdoppeln. Solange ein bestehendes Gebäude nicht renoviert oder umgebaut wurde, gab es bislang keine Vorschriften zur Verbesserung der Energieeffizienz. Die neuen Regelungen sehen nun erstmals auch einen Zwang zur Energieeinsparung bei besonders ineffizienten Gebäuden vor. Bestehende Nichtwohngebäude müssen ab 2027 mindestens die Energieeffizienzklasse E aufweisen. Gebäude mit den Klassen F und G müssen folglich entsprechend saniert werden. Ab 2030 wird die Mindestanforderung für Nichtwohngebäude auf Energieeffizienzklasse D verschärft. Bestehende Wohngebäude müssen die entsprechenden Energieeffizienzklassen jeweils drei Jahre später erreichen. Für denkmalgeschützte Gebäude, kulturhistorisch bedeutsame Gebäude und Kirchen gibt es Ausnahmeregelungen. Ab 2035 dürfen in bestehende Gebäude keine neuen fossilen Heizungen eingebaut werden. Ein Zwang zum Ersatz bestehender fossiler Heizungen ist nicht vorgesehen. Alle Nichtwohngebäude mit mehr als 20 Stellplätzen müssen ab 2027 mindestens einen Ladepunkt für Elektroautos pro 10 Stellplätze haben.

Maßnahmen gegen Energiearmut

Die neuen Regeln führen zu höheren Kosten bei Neubauten und erfordern auch zusätzliche Investitionen bei bestehenden Gebäuden. Die EU-Kommission schätzt die zusätzlichen Kosten allein bei Wohngebäuden auf 120 Milliarden EUR pro Jahr. Schätzungsweise 34 Millionen Menschen sind in der EU von Energiearmut betroffen. Durch den starken Anstieg der Energiekosten im vergangenen Jahr dürften es noch deutlich mehr werden. Haushalte, die von Energiearmut betroffen sind oder die den hohen Energiekosten besonders ausgesetzt sind und nicht über die Mittel verfügen, um das von ihnen bewohnte Gebäude zu renovieren, werden in der EPBD als besonders schutzbedürftig bezeichnet und sollen finanzielle Unterstützung erhalten. Hierzu plant die EU die Einrichtung eines Klima-Sozialfonds. Dieser soll durch eine CO2-Abgabe auf fossile Treibstoffe für den Straßenverkehr und fossile Brennstoffe für Heizzwecke gespeist werden. Aus dem Fonds sollen Investitionen in Energieeffizienz finanziert werden. Ferner soll der Fonds einkommensschwache Haushalte sowie finanziell schwächere Kleinst­unternehmen unterstützen. Die EPBD sieht ferner vor, dass bei Sozialwohnungen der Anstieg der Miete aufgrund von energetischen Sanierungen nicht höher sein darf als die Einsparungen bei den Energiekosten. Auch die Überarbeitung der EU-Energiebesteuerungsrichtlinie ist Teil des „Fit for 55“-Pakets. Mit der neuen Richtlinie sollen die EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit bekommen, einkommensschwache Haushalte gezielt von der Steuer auf die Wärme- und Stromversorgung zu befreien.

Vermeidung von „Stranded Assets“

Je näher die Stichtage für die Energieeffizienz rücken, desto mehr werden ineffiziente Immobilien an Wert verlieren. Immobilien, die den künftigen Energie- und CO2-Standards nicht entsprechen, werden zu „Stranded Assets“. Nachdem nun weitgehend Klarheit über die künftigen Vorschriften besteht, sollten Immobilienbesitzer möglichst bald Energie- und Klimastrategien entwickeln. Hierzu gehört im ersten Schritt die Ermittlung von betriebsbedingtem Energieverbrauch und CO2-Emissionen, um eventuellen Handlungsbedarf festzustellen. Auf dieser Basis können bei Bedarf Sanierungen oder der Umstieg auf andere Energiequellen geplant werden. Gemäß der Verordnung zur EU-Klimataxonomie gelten Gebäuderenovierungen als nachhaltige Tätigkeit, wenn sie zu Energieeinsparungen von mindestens 30 % führen bzw. bei größeren Renovierungen von Altbauten die Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz erfüllen. Auch Einzelmaßnahmen wie der Einbau von Geräten zur Gebäudesteuerung können nachhaltige Tätigkeiten sein, sofern sie die festgelegten Kriterien erfüllen.

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