Die richtige Balance zwischen Ökologie und Sozialem

26.09.2022

Autor

Arnaud Ahlborn

Arnaud Ahlborn

Geschäftsführer

INDUSTRIA WOHNEN GmbH

Blogbeitrag

Die richtige Balance zwischen Ökologie und Sozialem

„Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist“, sagte der US-amerikanische Erfinder und Automobilpionier Henry Ford einmal. In einer ähnlichen Situation befindet sich die Immobilien- und Fondsbranche derzeit. Sie erfindet sich neu. Sie will nicht mehr nur einfach mit Immobilien handeln und Fonds auflegen, wie sie es immer schon getan hat, sondern sie möchte das Thema Nachhaltigkeit bzw. ESG in alle Aktivitäten integrieren und sich so weiterentwickeln. Dieser Anspruch gilt für viele Anbieter von institutionellen Wohnimmobilienfonds. Im Folgenden sollen Überlegungen geschildert werden, wie ein offener Wohnimmobilien-Spezialfonds konzipiert sein könnte, der die Kriterien von Artikel 8 der Offenlegungsverordnung erfüllt.

Welche Ausschüttung kann ein solcher Fonds bringen? Realistisch ist eine Ausschüttungsrendite der Investments zwischen 3,0 und 3,75 Prozent p.a.. Über das Gesamtportfolio kann eine Ausschüttungsrendite von 3,35 Prozent p.a. über zehn Jahre angestrebt werden.

Fondsinitiatoren können selbst Scoring-Modelle entwickeln

Um die Erfüllung der Anforderungen von Artikel 8 der Offenlegungsverordnung sicherzustellen, sollte ein Scoring-Modell sowohl auf ökologische oder soziale Kriterien abstellen. Während sich viele Fonds vor allem auf die ökologischen Kriterien fokussieren, sollten die sozialen Kriterien parallel auch berücksichtigt werden – allerdings unter stärkerer Gewichtung der ökologischen Kriterien. In einem Scoring-Modell können die ökologischen Kriterien beispielsweise mit maximal 120 Punkten gewertet werden, die sozialen Kriterien mit maximal 40 Punkten. In Summe kann ein so konzipierter Fonds also eine Maximalpunktzahl von 160 erreichen. Mindestens 70 Prozent davon müsste der Fonds insgesamt erreichen, damit er den gesetzten Nachhaltigkeitsanforderungen genügt. Um sicherzustellen, dass die sozialen Kriterien ausreichend berücksichtigt werden, kann in diesem Bereich noch einmal eine eigene Mindestquote eingeführt werden: Von den 40 Punkten im Bereich S müssen auf Fondsebene zwingend mindestens 50 Prozent erreicht werden.

Unter den E-Kriterien ist die Energieeffizienz am wichtigsten

Wie können die Kriterien in der Praxis aussehen? Zunächst zu den ökologischen Kriterien: Am meisten Gewicht sollte hierbei die Energieeffizienz erhalten. Hier kann vorgesehen werden, dass der Primärenergiebedarf der Immobilie um mindestens 45 Prozent unterhalb des Referenzwertes des KfW-100-Effizienzhauses liegt. Gleichzeitig soll der Transmissionswärmeverlust um 30 Prozent unterhalb des Wertes dieses Referenzhauses liegen. Der Transmissionswärmeverlust beschreibt, wie viel Wärme ein Haus über Wände, Fenster, Türen und Dach verliert. Er ist eine wichtige Kenngröße für die Energieeffizienz von Gebäuden. So ist sein Grenzwert im Gebäudeenergiegesetz festgelegt und wird beispielsweise im Energieausweis abgebildet.

An zweiter Stelle sollte – gemessen an der Gewichtung im Scoring-Modell – das Thema Energiemanagement folgen. Hier erhalten die Objekte Punkte, in denen hocheffiziente Wärmeerzeugungsanlagen wie beispielsweise eine Holzpellet-Heizung, Wärmepumpe, Kraft-Wärme-Kopplung oder regenerative Fernwärme zum Einsatz kommen.

Weitere Punkte können vergeben werden, wenn in oder an der Immobilie regenerative Energien wie Photovoltaik oder Solarthermie Verwendung finden und die Objekte dadurch teilweise mit Eigenversorgung unabhängiger werden.

Die genannten Kriterien können um zwei weitere E-Kriterien mit etwas geringerer Gewichtung ergänzt werden: Erstens, die Ausweitung von Grünflächen durch extensive Dachbegrünung. Als Richtgröße gilt, dass ca. 15 bis 20 Zentimeter Bewuchs auf 75 Prozent der Dachfläche vorhanden sein soll. Dahinter steht das Kalkül, dass damit die Biodiversität gesteigert wird und gleichzeitig Luftschadstoffe reduziert werden. Außerdem wirkt eine Dachbegrünung als Wärme- und Kältedämmung.

Zweitens soll ein bestimmter Prozentsatz der PKW-Stellplätze – beispielsweise mindestens zehn Prozent – eine Lademöglichkeit für Elektro-Autos bieten.

Bei den sozialen Kriterien ist das geförderte Wohnen am wichtigsten

Welche sozialen Kriterien können Wohnimmobilienfonds berücksichtigen? Die größte Gewichtung sollte das Kriterium gefördertes Wohnen erfahren. Wenn bei einem Projekt beispielsweise 20 Prozent der Fläche auf gefördertes Wohnen – d. h. Sozialwohnungen mit deutlich geringerer Miete als im frei finanzierten Mietwohnungsbau – entfallen, dann gilt das Kriterium als erfüllt.

Daneben können im Rahmen von Scoring-Modellen Punkte im Bereich S für die Flächenzugänglichkeit vergeben werden. Die Fondsobjekte sollen eine höhere Quote an barrierefreien Einheiten erreichen als gesetzlich vorgeschrieben. Das Ziel ist hier, Menschen mit körperlichen Einschränkungen besser mit passendem Wohnraum zu versorgen.

Das dritte soziale Kriterium können Einrichtungen für „schwächere Personen“ sein. Das Kriterium gilt als erfüllt, wenn bei einem Projekt Flächen für beispielsweise eine Kita, eine Tagespflege oder eine ähnliche soziale Einrichtung zur Verfügung gestellt werden.

Zudem sollte – auch jenseits des Scorings – bei ökologischen Aspekten besonderer Wert auf die Verwendung ausgewählter, möglichst zertifizierter, Baustoffe gelegt werden. Auch bei den sozialen Themen sollte das Ziel angestrebt werden, besser zu werden, als die erwähnten reinen Scoring-Kriterien vorgeben. In der Praxis gibt es Fonds mit z. B. einer deutlich höheren Sozialwohnungsquote.

Bei der Konzeption von Artikel-8-Fonds mit Wohnimmobilien ist eine gute Balance zwischen ökologischen und sozialen Kriterien von Bedeutung. So wie oben beschrieben, sind die beiden Aspekte gut ausbalanciert. Die hohe Gewichtung der E-Kriterien mit der wiederum starken Gewichtung der Energieeffizienz trägt dazu bei, dass die Objekte zukunftsfähig und langfristig wertstabil bleiben.

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