Immobilien-FondsNews - das Interview mit Matthias Huesmann
Interviewpartner
Matthias Huesmann MRICS
Interview
Das Interview: Heute mit Matthias Huesmann, Leiter Portfolio Management Immobilien, Ärzteversorgung Westfalen-Lippe.
Ein turbulentes Jahr neigt sich dem Ende. Wie ist dieses aus Ihrer Sicht für die Immobilienbranche gelaufen?
Man könnte es so zusammenfassen: von Sekt zu Selters. Zu Beginn des Jahres war die Immobilienbranche noch eher in Champagner-Laune. An ein Ende der Niedrigzinsen war nicht zu denken. Und kaum ein Marktteilnehmer war darauf eingestellt. Der Krieg in der Ukraine hat dazu geführt, dass die Notenbank ja relativ zügig die Zinsen angehoben hat. Das interessierte den Immobilienmarkt zu Beginn im ersten Halbjahr noch nicht wirklich. Daher gab es nach meiner Beobachtung im zweiten Quartal noch viele Transaktionen. Jedoch war dann erkennbar, dass die Entwicklungen, die man am Aktienmarkt sah, auch Auswirkungen auf die Immobilienwirtschaft haben wird. Und diese Negativentwicklung ist ja mittlerweile umfassend in der Immobilienwirtschaft angekommen.
Was sorgt Sie dabei am meisten?
Hier sehe ich zwei Themen. Erstens hat sich das Angebot-Nachfrageverhalten aufgrund der geänderten Kapitalmärkte radikal geändert. Der Preisanstieg der letzten Jahre ist m.E. zum Großteil auf die Nachfrage aus dem Zinsersatzgeschäft zurückzuführen. Dieser bricht nahezu vollständig weg. Da auch das Angebot wegen gestiegener Baukosten etc. zurückgeht, erwarte ich einen nicht ganz dramatischen Preiseffekt, jedoch einen spürbaren. Dazu kommt, dass eine Reihe von Fondsmanager die neue Kapitalmarktsituation noch nicht verinnerlicht haben und davon ausgehen, dass der Mittelzufluss unvermindert anhält. Zweitens muss diese neue Situation aus Zinsen und Inflation m.E. unweigerlich zu einem Review der Business Pläne von Bestandsimmobilien führen, da sich die vor zwölf Monaten getätigten Annahmen überholt haben.
Welche Wünsche haben Investoren an die Immobilienwirtschaft im Jahr 2023?
Ich würde mir von Anbieterseite Produkte mit einem realistischen Blick auf die aktuelle und zukünftige Situation wünschen. Dazu zählt insbesondere, nicht mit Scheuklappen auf Immobilien zu schauen, sondern die Entwicklung des gesamten Kapitalmarkts im Blick zu haben. Auch sollten Investmentangebote bei Anlegern so eingehen, dass sie sich bestmöglich auch mit Investmentchancen der anderen Assetklassen vergleichen und optimalerweise benchmarken lassen. Das würde uns Anlegern sehr helfen.
Sie sind kürzlich von der Provinzial zur Ärzteversorgung Westfalen Lippe gewechselt. Was sind Ihre ersten Handlungsfelder im neuen Unternehmen?
Da gibt es zwei wichtige Themen für mich. Zuerst möchte ich natürlich das Team kennenlernen, denn im Endeffekt sind die Erfolge eines Investors in der Immobilienanlage ja keine One-Man-Show. Dabei geht es mir nicht nur um das persönliche Kennenlernen, sondern auch um ein Verständnis für die persönlichen Skill-Sets und Talente in der Mannschaft. Damit möchte ich eine gute Basis bekommen, die gute Aufstellung im Team weiterzuführen und gerne auch weiterzuentwickeln. Wir sind eine schlagkräftige Truppe, und daher liegt mir das sehr am Herzen. Weiterhin möchte ich die bisherige Anlagestrategie im Detail kennenlernen. Damit werde ich mich intensiv beschäftigen. Erfreulicherweise ist die Investmentstrategie des Unternehmens in den letzten Jahren voll aufgegangen und hat sehr gute Ergebnisse geliefert. Nun gilt es, die Investmentstrategie auf die neue Kapitalmarktsituation einzustellen.
Wird es grundsätzliche Veränderungen in der Anlagestrategien geben?
Soweit ich das bis heute beurteilen kann, wird es intrinsisch motiviert nach aktueller Sicht keine grundlegenden Veränderungen geben. Notwendigkeiten zur Veränderung werden m.E. potenziell von den Bestandsmanagern getriggert. Die angesprochene neue Kapitalmarktsituation gilt es zu meistern. Viele von uns kennen die Verwerfungen nach der letzten Finanzmarktkrise. Das wollen wir alle nicht noch einmal erleben. Daher gilt es vorausschauend zu agieren und ein intelligentes Liquiditätsmanagement vorzuhalten. Die Diskussionen um negative Leverage-Effekte werden sich m.E. in den nächsten 1-2 Jahren häufen und damit die Herausforderungen in den Mandaten steigen.
Aber Transaktionen werden weiterhin durchgeführt?
Auf jeden Fall. Wir halten bereits nach weiteren Opportunitäten Ausschau. Das werden jedoch nicht die klassischen Investments sein, wie sie typischerweise vom Immobilienmarkt angeboten werden. Da suchen wir eher nach den Trüffeln und werden ausgewählter investieren.
Wird Ihr Unternehmen dazu auch in neue Immobilienarten investieren?
Das ist per heute schwierig zu sagen. Aktuell steht eine Erweiterung der Assetklassen nicht im Fokus unseres Handelns. Aber als langfristiger Investor müssen wir uns natürlich auch immer mit den Entwicklungen am Markt beschäftigen, und dazu gehört natürlich die Beobachtung und Analyse neuer Investmentchancen in neue Assetklassen und Immobilienmärkte.
Wie werden sich dadurch in 2023 die Anforderungen an Asset- und Fondsmanager verändern?
Die Qualität im Asset Management von Managern ist ja schon in den Fokus gerückt. Und diese Fokussierung wird weiter zunehmen. Bisher kam es auf die Qualität im Immobilienmanagement nicht immer so richtig an, denn Manager haben ihre Erfolge auch durch Transaktionen geschaffen. Durch die bisherige Kapitalverfügbarkeit ließen sich Immobilienprobleme gerne auch mal durch einen Verkauf von Problemimmobilien und den Ankauf neuer und problemfreier Immobilien eliminieren. Doch das geht nicht mehr. Daher werden wir Neugeschäfte mit den Managern machen, die uns ihre Kompetenz in der Immobilie zeigen können und in schwierigeren Situationen Lösungen präsentieren und nicht per se nur Verkaufsvorschläge unterbreiten.
Spielt die Fokussierung auf ESG hierbei auch eine Rolle?
Selbstverständlich. Das ist auch bei uns ein sehr wichtiges Thema und wir werden ESG in klassischen Managementprozess implementieren und dazu inhouse Skills aufbauen. Der Markt der Asset- und Fondsmanager ist hier noch in der Findungsphase. Einerseits gibt eine Reihe von Unternehmen, die ihre ESG-Aktivitäten fremd vergeben oder auch die strategische Steuerung an Externe übergeben. Andere sind da schon weiter und haben ESG in ihre klassischen Prozesse integriert. Das Asset Management wird ohne ESG Skills zukünftig nicht auskommen. Damit wird ESG zu einer Standardanforderung. Das ist auch unsere Erwartungshaltung an die Manager. Damit meine ich aber nicht, dass alle Leistungen im Unternehmen erbracht werden müssen. Das wird logistisch und wirtschaftlich im Einzelfall gar nicht funktionieren. Im Sinne des Ergebnisses ist es da schon gut, wenn Manager Experten einbinden und Kooperationen schließen. Das Angebot für Lösungen der Praxis erhöht sich dazu momentan sehr, auch wenn es hier noch umfassend an Transparenz fehlt. Die Implementierung der ESG Prozesse wird somit ein wichtiger oder vielleicht sogar der wichtigste Faktor bei der Vergabe neuer Mandate werden. Ich bin selbst sehr gespannt, wie sich das entwickeln wird.
Matthias Huesmann ist für die Immobilieninvestitionen der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe verantwortlich. Er ist gelernter Bankkaufmann und Absolvent der ISM Dortmund sowie der LSE in London. Erfahrungen sammelte er bei internationalen Banken und Fondsmanagern, bevor er einer mehrjährigen Beratertätigkeit bei PwC nachging. Anschließend war er elf Jahre bei der Provinzial Asset Management tätig, zuletzt als Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung.
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