Interview mit Thomas Grynia

03.12.2022

Autor

Thomas Grynia

Thomas Grynia

Gründer, Geschäftsführer

Grynia Consulting GmbH

Blogbeitrag

Interview mit Thomas Grynia

Die wohl aktuell am meisten ausgesprochenen Buchstaben in der Bau- und Immobilienbranche und hinter Ihnen verbergen sich wichtige und spannende Themen.

Auch in der Personalberatung ist ESG seit einigen Jahren nicht mehr wegzudenken und besonders die Nachhaltigkeit ist sowohl für die Unternehmens- als auch für die Kandidatenseite aktueller denn je. Wir haben uns mit dem Gründer und Geschäftsführer der Grynia Consulting GmbH, Thomas Grynia ausgetauscht und haben dabei spannende Einblicke in die Personalberatung erhalten.

Wie bedeutend ist das Thema für den Bereich der Personalberatung?

Sehr bedeutend. Wir erleben derzeit einen Peak in der Nachfrage nach Positionen wie Head of Sustainability, Center of Competence Sustainability oder Head of ESG. Es ist eine große Herausforderung, die geeigneten Kandidaten für diese Nischenpositionen zu finden, weil wir uns hier in der Nische der Nische befinden. Wir sehen also einen zunehmenden Bedarf nach Experten, die in der Lage sind, Unternehmen in Nachhaltigkeitsfragen zu unterstützen. Kurz gesagt, ESG ist ein brandaktuelles Thema, das eine hohe Relevanz in unserem Bereich hat.

2021 kam der EU Sustainable Finance Action Plan auf den Tisch, mit dem verbindliche Kriterien und Klassifikationen des Gesetzgebers Nachhaltigkeit reguliert werden sollen. Was hat der bewirkt?

Ich würde sagen, dass wir in Bezug auf dieses Thema sehr reaktiv sind. Alles, was vorgegeben ist, hat eine gewisse Wichtigkeit, was bedeutet, dass viele neue Beschlüsse getroffen und Berichte erstellt werden müssen. Infolgedessen werden viele neue Positionen und Funktionen im Zusammenhang mit ESG entstehen. Ich bin der Meinung, dass dieses Thema weiterhin sehr dynamisch und lebendig sein wird und wir noch viele Veränderungen und Neuerungen erwarten können.

Welche Anforderungen stellt die Immobilienwirtschaft an das Recruiting und an ESG-Fachkräfte?

ESG und im Besonderen Nachhaltigkeit ist für die Kandidaten eine Herzensangelegenheit. Dies zeigt sich in ihrem Engagement und ihrer Leidenschaft für das Thema. Im ständigen Austausch mit den Kandidaten stellen wir fest, dass insbesondere ESG-Experten eine Art Berufung empfinden. Sie möchten das Thema vorantreiben und sind sehr darauf bedacht, nicht nur persönlich, sondern auch beruflich zu den Klimazielen beizutragen. Diese Kandidaten sind in der Regel sehr zielstrebig und wollen aktiv „Change“ bewirken. Es sind Menschen, die etwas bewegen möchten und sich nicht scheuen, Herausforderungen anzunehmen.

Wir erleben bei unseren Kunden, den suchenden Unternehmen, häufig, dass unsere Beratungskompetenz stark gefragt ist. Das Thema ESG ist so umfangreich und neu, dass viele Unternehmen noch nicht wissen, wie sie sich orientieren müssen. Sowohl bei der Suche der Persönlichkeitsfindung als auch bei der Festlegung der Aufgabenbereiche gibt es oft Unsicherheiten. Es ist offensichtlich, dass dieser Prozess noch in der Ausarbeitung befindlich ist. Während der Gespräche mit Kandidaten kristallisiert sich für das Unternehmen heraus, wen sie eigentlich suchen möchten. Es ist wichtig, dass wir als Berater hierbei unterstützen und gemeinsam mit den Unternehmen einen Weg finden, um erfolgreich auf die Herausforderungen im Bereich ESG und Nachhaltigkeit zu reagieren.

Es lässt sich vielmehr eine Entwicklung, ein Prozess im Umgang mit ESG beobachten. In den ersten Jahren nach Aufkommen des Themas standen andere Krisen im Vordergrund. In jüngerer Zeit hat das Thema jedoch wieder an Bedeutung gewonnen, befeuert durch z.B. den Krieg in der Ukraine, Materialknappheit oder steigende Preise. Die Berater weisen jedoch auch darauf hin, dass in einigen Fällen der Aspekt des „Greenwashing“ eine Rolle spielt und das Thema nicht umfassend betrachtet wird. In Gesprächen mit Kandidaten und Kunden wird deutlich, dass diese nun bereit sind, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und eine umfassende Integration in Unternehmensabläufe anzustreben.

Das Thema bringt ja auch ganz neue Berufsfelder mit sich, wie z. B. das des ESG-Managers. Was macht der genau?

In unseren Beratungsgesprächen mit den Kunden legen wir großen Wert darauf, zunächst zu klären, welche Persönlichkeiten das Unternehmen sucht und welche Anforderungen dabei berücksichtigt werden müssen. Hierbei stellen sich oft Fragen z. B. bezüglich der Schnittstellen und Veränderungen, die infrastrukturell und personell notwendig sind. Wir sind jedoch der Überzeugung, dass der damit verbundene Aufwand sich als Investment auszahlt und mittelfristig positive Auswirkungen auf die Bilanz hat.

Die Herangehensweise der Unternehmen an das Thema ESG ist sehr unterschiedlich: Während einige einen umfassenden Change-Management-Prozess durchlaufen müssen, haben andere die Ressourcen, interne Abteilungen aufzubauen, die für eine interne nachhaltige Arbeitsweise sorgen. Es gibt auch Unternehmen, die eine eigene Research-Abteilung haben und somit einen guten Überblick über die Thematik besitzen.

Ein wichtiger Faktor bei der Umsetzung von ESG ist das Bewusstsein für die Tragfähigkeit und Tiefe dieses Themas, welches in die Unternehmenswerte integriert werden sollte. Wir müssen hierbei ein Umdenken im Hinblick auf die Tatsache, dass etwa 90 Prozent der Gebäude im Bestand bleiben und nur zehn Prozent Neubau erfolgen, schaffen. Hierbei sind verschiedene Kompetenzen gefragt, von der sachbearbeitenden Research-Arbeit bis hin zum strategischen Konzept.

Welche Erfahrung hat Grynia Consulting mit dem Thema ESG bisher gemacht?

Intensive und auch teilweise herausfordernde Erfahrungen. Wir haben es mit einer großen Komplexität zu tun. Einige Kandidaten legen besonderen Wert darauf, dass das Unternehmen bereits eine nachhaltige Ausrichtung verfolgt und das Thema ESG nicht erst durch die Schaffung der Stelle eingeführt wird. Gleichzeitig müssen die Unternehmen die Möglichkeit haben, sich mit allen relevanten Aspekten auseinanderzusetzen und diese in ihre Unternehmenskultur zu integrieren. Experten verschiedener Berufsfelder können für die ESG-Position in Frage kommen, von Juristen und Projektentwicklern bis hin zu Asset-Managern, Unternehmensberatern und Nachhaltigkeitsexperten aus anderen Branchen.

Wie wird sich ESG in 10 Jahren darstellen?

Ich gehe davon aus, dass der Faktor „Mensch“ auch in Zukunft der treibende Faktor für die Transformation im ESG-Bereich sowie Digitalisierungsbereich sein wird. Allerdings wird die Abteilung wesentlich komplexer sein und sich über verschiedene Disziplinen und Bereiche erstrecken. Unternehmen werden eigene Abteilungen und Spezialisten haben, wie zum Beispiel Controlling mit angeschlossenem Reporting oder zahlreiche ESG- und Nachhaltigkeitsmanager. Andersherum kann es auch eine dezentrale Verteilung der Kompetenzen innerhalb einer Organisation geben, die für das Thema ESG zuständig sind. Angesichts der Tatsache, dass 55 Prozent unserer Branche aus kleinen und mittelständischen Unternehmen bestehen, werden diese Unternehmen auch eine kleine Taskforce-Einheit für das Thema ESG haben. Ich glaube, dass die Standards für Nachhaltigkeit so hoch sein werden, dass jeder über Nachhaltigkeitsspezialisten sprechen wird. Es wäre bedauerlich, wenn wir in zehn Jahren nicht mehr über Nachhaltigkeit sprechen würden.

In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass es bei der Umsetzung von ESG-Strategien oft an einem ganzheitlichen Ansatz fehlte. Unternehmen haben sich in erster Linie auf einzelne Aspekte wie Umweltschutz konzentriert, ohne dabei die sozialen und governance-bezogenen Faktoren ausreichend zu berücksichtigen. Ein umfassendes ESG-Framework ist jedoch entscheidend für den langfristigen Erfolg und die Resilienz eines Unternehmens. In Zukunft wird es daher notwendig sein, dass Unternehmen ihre ESG-Strategien und -Maßnahmen ganzheitlicher gestalten und sich nicht nur auf einzelne Aspekte beschränken. Hierbei kann es sinnvoll sein, Experten aus verschiedenen Bereichen wie z. B. Juristen, Projektentwickler, Asset-Manager oder Nachhaltigkeitsexperten einzubeziehen.

Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Nachhaltigkeit und den Feldern Innovation und Digitalisierung?

Ich bin der Überzeugung, dass die Zusammenarbeit zwischen der Digitalisierung und dem Thema Nachhaltigkeit von entscheidender Bedeutung ist. Ohne eine enge Verbindung zwischen diesen beiden Bereichen wird es schwierig sein, einen Progress zu erzielen. Der digitale Fortschritt wird unaufhaltsam voranschreiten und es ist wichtig, dass wir gleichzeitig auch Nachhaltigkeitsziele verfolgen.

Tatsächlich sind die Themen Digitalisierung und ESG eng miteinander verknüpft und folgen demselben Zeitgeist. Es ist jedoch unerfreulich, dass einige Unternehmen immer noch keine Bestandsdaten zu ESG-Themen vorweisen können und sich dadurch vor Fortschritt im Bereich ESG drücken. Diese Ausrede ist für Experten im ESG-Bereich eine bekannte und frustrierende Situation. Es ist daher fundamental, dass Unternehmen die Verbindung zwischen der Digitalisierung und ESG anerkennen und sich aktiv bemühen, Daten zu sammeln und zu analysieren. Für engagierte Menschen, die einen positiven Wandel herbeiführen möchten, ist das Fehlen von Bestandsdaten kein Hindernis. Sie erkennen, dass es unerlässlich ist, diese Daten zu erheben, um erfolgreich an Nachhaltigkeitsfragen zu arbeiten. Es geht nicht darum, Ausreden zu suchen, sondern sich den Herausforderungen zu stellen und aktiv zu werden.

Bei der Betrachtung der Unternehmensinfrastruktur wird deutlich, dass eine Datenbank benötigt wird, um mit den Big Data effektiv arbeiten zu können. Dabei spielt auch die Datensicherheit eine wichtige Rolle. Es ist offensichtlich, dass ESG-Kompetenzen weitreichende Auswirkungen haben, die eng mit IT-Schnittstellen verbunden sind. Es besteht ein erheblicher Bedarf an Innovation und Nachholbedarf. Bei Grynia Consulting unterstützen wir derzeit beispielsweise viele Unternehmen bei der Gründung eigener Akademien, um die Arbeitgebermarke zu stärken, die Unternehmenskultur zu vertiefen und die Mitarbeiterbindung zu verbessern. Hier stellen wir Interim-Manager zur Verfügung, die den Aufbau solcher Akademien unterstützen. Dies ist wichtig, um zukunftsfähig zu bleiben. Nachhaltigkeit hat einen hohen Stellenwert, der sich von vergangenen Generationen unterscheidet, da er auch die nachfolgenden Generationen berücksichtigt. Daher müssen diese Akademien als Know-how-Träger dienen und die Kompetenzen vermitteln, die intern relevant sind. Es gibt so viele Aspekte, dass es fast unmöglich ist, immer auf dem neuesten Stand zu sein.

Unsere Arbeitsweise besteht darin, zuzuhören und zu verstehen. Wir betonen die Wichtigkeit dieser Themen und stellen gezielte Fragen, um Alternativen aufzuzeigen und die beste Route zu finden. Ein bloßes Festlegen des Ziels und eine überstürzte Umsetzung führen nicht zwangsläufig zum Erfolg. Wie im Navigationssystem muss man manchmal einen Stau umfahren. Ähnlich wie bei einer Bustour müssen wir uns fragen, wer die richtigen Reisebegleiter im Team sind und wer im Falle einer Panne helfen kann. Die Zusammenstellung des Teams ist entscheidend und wir unterstützen unsere Kunden, indem wir die Rolle des Reiseleiters spielen.

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