Lebensmittel: Fels in der Handelsbrandung

25.01.2021

Autor

Thomas Thein

Thomas Thein

Leiter Fund Advisory

GRR Real Estate Management GmbH

Blogbeitrag

Das Lebensmitteleinzelhandelssegment führte, obgleich es mit rund 35.000 Standorten im gesamten Bundesgebiet ein omnipräsentes Netz unterhält, lange Zeit bei Investoren ein Schattendasein und bei Konsumenten zu wenig Einkaufslust. Architektur und Ladenlayout ließen die Herzen nicht springen. Schmuckloses Ambiente, mangelhafte Be- und Ausleuchtung der Ware oder aufgerissene Kartons prägten mitunter das Ladenbild. Im harten Konkurrenzkampf der Lebensmittelformate wurden dann Konzepte revolutioniert und der Kunde in den Fokus gebracht. Modernisierungswellen wurden gestartet und Milliarden Euro investiert. Vor gut 10 Jahren hatten zunächst landesweit Vollsortimenter große Budgets für aufwendige Modernisierungsmaßnahmen investiert und sich im Anschluss Lebensmitteldiscounter architektonisch, angebotsseitig und vertriebstechnisch neu erfunden. Dieser Schritt, der mit hohem finanziellem Aufwand verbunden ist, wurde dem Lebensmitteleinzelhandel zurückgezahlt. So konnten er in der jüngeren Vergangenheit jährliche Umsatzsteigerungen von. 2,5 bis 4,7 Mrd. EUR erwirtschaften.

Ein exogener Schock wie die Corona Pandemie, die weite Teile des gesellschaftlichen Lebens zeitweilig lahmgelegt hat, hat die versorgungs- und systemrelevante Bedeutung des gesamten Segmentes schlagartig ins Licht gerückt. Dabei ist die hohe und schnelle Anpassungsfähigkeit der rd. 0,8 Mio. Beschäftigen (ohne Logistik und Lieferanten) der gesamten Branche, die quasi über Nacht in den arbeits- und organisationsintensiven Vorweihnachtsmodus versetzt wurde und unter größten Kraftanstrengungen die Versorgung von rd. 82,5 Mio. Einwohner mit Gütern des täglichen Bedarfs gewährleistet hat, äußerst bemerkenswert. Die (An-)Stürme in den Monaten März und April hat die Branche durch eine schnelle Beschaffungsorganisation bei entsprechender Umrüstung der Logistik sehr gut gemeistert. Und auch die aktuell immer noch hohe Nachfrage, die wegen der zögerlichen Frequentierung der wieder eröffneten Gastronomie aber höheren Frequenz am eigenen Herd vorliegt, bedient der Lebensmitteleinzelhandel mit Bravour. Zunächst Hamster- und jetzt umfangreiche Bedarfskäufe sorgen für Umsatzsprünge im Lebensmitteleinzelhandel (bis Ende Mai rd. + 14,4% im Vergleich zum Vorjahr). Dieser unerwartete Mehrumsatz für die gesamte Branche dürfte Projekte befeuern, die bisher stiefmütterlich oder noch nicht auf der Agenda standen. Sicher sind die weitere Professionalisierung des Supply Chain Managements und ein Digitalisierungsschub. Die Bedeutung und Notwendigkeit einer leistungsfähigen digitalen Infrastruktur ist in den vergangenen Monaten in allen Bereichen des Handels stark gestiegen.

Die Verlagerung des Außer-Haus Konsums in die eigenen vier Wände setzt die bereits vor der Corona Pandemie in der Konsumentengunst festgestellten höheren Gesundheits- und Ernährungstrends in der gesamten Branche fort. Die aktuelle Situation hat daran nichts geändert, da vor allem Frischekategorien (Fleisch/Obst/Gemüse) verstärkt nachgefragt werden. Mit Hinblick auf die Einschränkungen in anderen Lebensbereichen stellt dies gar ein Selbst-Belohnungsinstrument der Konsumenten dar. Aber auch hier wird die Branche in den kommenden Monaten, die von wirtschaftlichen Eintrübungen geprägt sein werden, einen Spagat zwischen Qualität und Preisbewusstsein leisten müssen und können. Der Preis wird wieder mehr in den Fokus rücken und ein wichtiger Mechanismus werden, sich Wettbewerbsvorteile zu sichern. Aber allein der Preis, und das ist eine Erfahrung die bereits in der letzten (Finanz-)Krise gemacht wurde, garantiert keinen Erfolg: der Lebensmitteleinzelhandel wird auch weiter auf Vertrauen, Nachhaltigkeit sowie Innovation bauen.

Vier Schlagworte, die den Lebensmitteleinzelhandel als Investment charakterisieren: robust – krisensicher – stabil – modern.

Dabei zeichnet sich diese Assetklasse durch eine hervorragende Bonität, langlaufende und indexierte Mietverträge, einen langen Lebenszyklus und stabile Miet-Cashflows aus. Diese Grundpfeiler eines Investments funktionieren aber nur, wenn die Lebensmittelbranche, die einzelnen Konzerne erfolgreich sind und der Mieter den erforderlichen Umsatz an den jeweiligen Standorten erwirtschaften kann. Die erfolgreiche Umsatzentwicklung der Branche und Konzerne ist belegt. Bei der Auswahl der einzelnen Standorte bleibt die alte Regel eisernes Gesetz: Lage, Lage, Lage... Die richtige Auswahl der einzelnen Standorte und damit der nachhaltige Aufbau eines Portfolios ist ausschlaggebend, ob langfristig stabile Renditen erwirtschaftet und Werte gesichert bzw. gesteigert werden können. Im Falle einer Pandemie kann jedoch der beste Standort einen Shutdown und damit eine zeitweilige Schließung einhergehend mit Mietausfällen nicht verhindern, wenn das Handelsangebot – in diesem Fall vorwiegend der Nonfood-Handel - nicht systemrelevant ist. Und auch hier zeigt der Lebensmitteleinzelhandel seine Bedeutung als krisensicheres Investment. Durch seine Resilienz im Zuge der Pandemie kann er seine Nachhaltigkeit unter Beweis stellen und sich als sysystemrelevante Investitionsobjekte profilieren: die Sicherung der Grundversorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs ist in höchstem Maße systemrelevant.

Die eingangs beschriebene Fülle an Lebensmitteleinzelhandelsstandorten ermöglicht eine Investition mit hohem Diversifizierungsgrad. Aufgrund der dezentralen und kleinteiligen Siedlungsstruktur der Bundesrepublik Deutschland sind bundesweit Lebensmittel-/Nahversorgungsstandorte verfügbar. Sie sind damit kein knappes Gut, aber es bleibt wichtig, gut zu wählen. Der Lebensmitteleinzelhandel ist, wie bereits sein Name sagt, Garant für die Versorgung der Bevölkerung. Er umfasst ein großes Netz an Anbietern und Filialen, das sowohl auf Markttrends als auch auf exogene (Schock)Situationen schnell reagieren kann, sich im Laufe der Jahrzehnte ständig modernisiert und neu erfunden hat und dem Konsumenten auf schnellstem und kürzestem Wege die Möglichkeiten bietet, sich umfangreich aber auch spontan und schnell mit Lebensmitteln zu versorgen. Er ist damit inzwischen zu Recht zum Fels in der Handelsbrandung und zugleich Investors Darling geworden.

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