Nachhaltigkeit messbar machen
Autor
Arnaud Ahlborn
Blogbeitrag
Nachhaltigkeit messbar machen
Wer einen Immobilienfonds nach Artikel 8 der EU-Offenlegungsverordnung konzipiert, steht vor einer grundlegenden Herausforderung. Denn der Gesetzgeber definiert nicht im Einzelnen, wie nachhaltige Fondsobjekte beschaffen sein müssen. Fondsanbieter müssen für die von ihnen gemanagten Produkte plausible Kriterien aufstellen und entwickeln dafür Scoring-Modelle. Wie kann ein solches Modell für einen Wohnimmobilienfonds in der Praxis aussehen?
Nachvollziehbare Kriterien sind nötig, wenn es darum geht, die Einhaltung der Anforderungen von Artikel 8 der Offenlegungsverordnung sicherzustellen. Während sich viele Fonds vor allem auf die ökologischen Kriterien fokussieren, sollten für ein umfassend nachhaltiges Produkt auch die sozialen Kriterien nicht zu kurz kommen. Wird für einen Fonds eigens ein Scoring- Modell entwickelt, sollte sich dies auch entsprechend niederschlagen. Damit die ESG-Kriterien als erfüllt gelten, müsste in einem Scoring-Modell ein bestimmter Anteil der Maximalpunktzahl erreicht sein, etwa mindestens 70 Prozent. Dabei könnten die ökologischen Kriterien beispielsweise mit drei Vierteln der Maximalpunktzahl gewertet werden, die sozialen Kriterien mit einem Viertel. Um sicherzustellen, dass die sozialen Kriterien ausreichend berücksichtigt werden, kann für dieses Viertel der Maximalpunktzahl noch einmal eine eigene Mindestquote eingeführt werden.
Unter den E-Kriterien ist die Energieeffizienz am wichtigsten
Wie können die Kriterien in der Praxis aussehen? Bei den ökologischen Kriterien sollte die Energieeffizienz am meisten Gewicht erhalten. Entscheidend ist hier neben dem Primärenergiebedarf einer Immobilie auch der Transmissionswärmeverlust. Er beschreibt, wie viel Wärme ein Haus über Wände, Fenster, Türen und Dach verliert.
Ein nachgelagertes E-Kriterium in einem Scoring-Modell ist das Thema Energiemanagement. Hier erhalten die Objekte Punkte, in denen hocheffiziente Wärmeerzeugungsanlagen wie eine Holzpellets-Heizung, eine Wärmepumpe, Kraft-Wärme-Kopplung oder regenerative Fernwärme zum Einsatz kommen. Weitere Punkte können vergeben werden, wenn in oder an der Immobilie regenerative Energien wie Photovoltaik oder Solarthermie Verwendung finden und die Objekte dadurch teilweise in der Energieversorgung unabhängiger werden. Weitere messbare ökologische Kriterien sind beispielsweise der Anteil der PKW-Stellplätze mit Elektro-Lademöglichkeiten sowie der Umfang von Grünflächen oder Gebäudebewuchs.
Das drängendste soziale Problem am meisten gewichten
Eines der drängendsten sozialpolitischen Probleme der Gegenwart sollte in einem Scoring-Modell eines Wohnimmobilienfonds eine herausgehobene Stellung einnehmen: bezahlbarer Wohnraum. Wenn bei einem Projekt ein bestimmter Prozentsatz der Fläche auf gefördertes Wohnen – das heißt mit deutlich geringerer Miete als im frei finanzierten Mietwohnungsbau – entfällt, dann gilt das Nachhaltigkeitskriterium als erfüllt. Daneben können im Rahmen von Scoring-Modellen Punkte im Bereich S für die Flächenzugänglichkeit vergeben werden. Das bedeutet, die Fondsobjekte sollen eine höhere Quote an barrierefreien Einheiten erreichen als gesetzlich vorgeschrieben. Das Ziel ist hier, Menschen mit körperlichen Einschränkungen besser mit passendem Wohnraum zu versorgen. Werden in einem Fondsobjekt Flächen für Einrichtungen mit sozialem Hintergrund genutzt, etwa für Kindertagesstätten oder Tagespflegeeinrichtungen, kann dies in einem Scoring-Modell ebenfalls mit Punkten belohnt werden.
Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit sind kein Widerspruch
Ausgewogene Scoring-Modelle sind die Grundlage für eine erfolgreiche Konzeption von Artikel-8-Fonds. Zwar ist die Erfüllung von ESG-Kriterien einerseits ein Kostentreiber, denn bessere Heiz- und Dämmtechnik oder Barrierefreiheit machen einen Neubau nicht gerade preisgünstiger. Aber andererseits schaffen ESG-konforme Immobilien auch zusätzliche Erträge, etwa durch Tilgungszuschüsse der KfW und der öffentlichen Hand oder Miet- bzw. Baukostenzuschüsse. Insgesamt kann ein Artikel-8-Fonds mit Wohnimmobilien stabile und sehr auskömmliche Renditen erwirtschaften. Realistisch ist eine Ausschüttungsrendite über ein Gesamtportfolio von 3,35 Prozent p.a. über zehn Jahre.
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