Immobilien-FondsNews –
das Interview mit
Benedikt Gabor

13.11.2023

Interviewpartner

Benedikt Gabor

Benedikt Gabor

Abteilungsdirektor Immobilien

Nordrheinische Ärzteversorgung

Interview

Das Interview: Heute mit Benedikt Gabor, Abteilungsdirektor Immobilien, Nordrheinische Ärzteversorgung.

Wo steht die Immobilienwirtschaft aus Sicht eines Anlegers?
Die große Immobilienvision hat sich in den letzten zehn Jahren realisiert. Viele institutionelle Investoren konnten in dieser Zeit ihre Immobilienanlage professionell aufstellen und haben ihre Anlagestrategien im Detail entwickelt. Damit wurde viel Kapital in Immobilien investiert und unterschiedliche Investmentstrategien umgesetzt. Vereinfacht wurde dies durch die günstigen Finanzierungsmöglichkeiten.

Aktuell kommen Anleger jedoch in eine völlig neue Marktphase, und es stellt sich zunehmend die Frage, wie und wo Investoren ihre Anlagestrategien verändern oder ihre Investmentstrategien anpassen müssen, um ihre jährlichen Anlageziele erreichen zu können. Die verschiedenen Immobilien-Assetklassen bieten hierzu unterschiedliche Stärken und Schwächen.
 

Welche Assetklassen sollten gemieden werden?
Der Investitionsschwerpunkt vieler Anleger liegt in den klassischen Nutzungsarten wie Büro, Einzelhandel, Wohnen und Logistik, wobei die Assetklassen Einzelhandel und Büroimmobilien durchaus als „angeschlagen“ zu bezeichnen sind. Das zeigen die jeweiligen Wertentwicklungen.

Betrachtet man den Einzelhandel, hat dieser die negative Entwicklung etwas verlangsamt, obwohl sich der stationäre Einzelhandel und verschiedene Innenstadtlagen immer noch in einer schwierigen Situation befinden und voraussichtlich weiterhin sein werden. Andere Sub-Assetklassen und Teilsegmente wie Fachmärkte und Nahversorgungseinrichtungen haben dagegen an Bedeutung gewonnen.

Bei Büroimmobilien ist die Situation bis auf weiteres schwankend. Die Entwicklung der neuen modernen Arbeitswelt hat einen sehr großen Einfluss, und das Arbeiten von Zuhause wird sich weiterentwickeln, sodass momentan die zukünftig benötigte Bürofläche nicht absehbar ist und weiterhin eine unbekannte Größe sein wird.
 

Was hat sich dadurch verändert?
Institutionelle Investoren und Fondsmanager haben ihren Blick zunehmend auf die Assetklassen Wohnen und Logistik gerichtet. Das erleben wir seit einiger Zeit auch in den globalen Märkten der USA und in Asien und wird vermutlich auch in Europa ähnlich sein.

Dabei ist erkennbar, dass in der Assetklasse Wohnen die kleineren Teilsegmente wie Micro-Living, Studentenwohnheime, gewerbliche Wohnformen und Betreutes Wohnen mehr Nachfrage erhalten und an Attraktivität für Investoren gewinnen.

Zudem werden die Assetklassen für relevante Infrastruktur wie zum Beispiel Schulen, öffentliche Einrichtungen und Data Center eine größere Aufmerksamkeit bekommen und noch mehr Akzeptanz von Anlegern erhalten, wenn beispielsweise Großvermietungen an öffentliche Institutionen erfolgen. Das wird das Vertrauen in diese Immobiliensegmente fördern. Daher werden sich für Investoren zusätzliche Möglichkeiten ergeben, ihre Portfolios aus- oder umzubauen.


Wie stellt sich die Nordrheinische Ärzteversorgung dazu auf?
Die Nordrheinische Ärzteversorgung kümmert sich am Standort Düsseldorf um den Versorgungsbeitrag der Mitglieder der Ärzteschaft im Lande Nordrhein-Westfalen und sorgt dafür, dass den Mitgliedern deren Altersvorsorge mit einer adäquaten Verzinsung im Rentenalter zur Verfügung gestellt werden kann. Das machen wir mit 130 Kolleginnen und Kollegen und gehören mit Kapitalanlagen von ca. 17,5 Milliarden Euro zu den großen Versorgungswerken in Deutschland.

Die Immobilienquote ist für uns ein wichtiger Bestandteil des Anlagespektrums. Wir selbst haben zwar den größten Teil unseres Kapitals in fremdverwaltete, regulierte Immobilienanlagen investiert, jedoch haben wir auch einen Eigenbestand an Immobilien, insbesondere in Nordrhein-Westfalen. Das sind knapp 40 Objekte, die von uns in Eigenregie verwaltet werden. Dazu haben wir bei uns im Team viel Know-how aufgebaut, denn wir betreuen das Portfolio im Asset- als auch im Property Management. Ebenso werden eigene Hausmeister-Dienstleistungen erbracht und auch weitere Fachbereiche wie Rechnungswesen und Controlling abgedeckt. Damit sind wir sehr gut aufgestellt.

Für unsere Anlagestrategie tätigen wir Investitionen vorwiegend im Core- und Core-Plus-Bereich. Mit zusätzlichen Value-Add-Investments realisieren wir dann weitere Erträge durch Wertschöpfungen. Das müssen aber nicht zwangsläufig Projektentwicklungen sein. Diese Zusatzerträge können auch durch die Umsetzung passender Vermietungsstrategien, das Heben von Baureserven oder die Aufwertung von bestehenden Objekten entstehen.


Spielen opportunistische Investmentchancen auch eine Rolle?
Vom Risikostil investieren wir zwischen Core und Value-Add. Opportunistische Produkte kommen für uns nicht in Frage, auch zukünftig nicht.


Was erwarten Sie zukünftig?
Wir haben durch das rasant gestiegene Zinsumfeld im Markt auf der Bestands- und Entwicklungsseite ein großes Problem, mit dem alle Beteiligten lernen müssen umzugehen. Das wird dann entscheidend, wenn sich die Immobilienwerte negativ entwickeln. Wir haben in den letzten 12 Monaten bereits signifikante Wertkorrekturen gesehen.

Das muss aber nicht heißen, dass wir insgesamt im Immobilienmarkt schon eine Bodenbildung der Werte erleben. Diese ist derzeit eher bei Wohn- und Logistikimmobilien feststellbar, bei denen die Werte bereits stark gesunken sind. Weitere umfangreiche Wertkorrekturen erwarten wir hier aufgrund der hohen Nachfrage nicht.

Das könnte jedoch noch bei Büroimmobilien und im stationären Einzelhandel möglich sein. Aktuell kann man feststellen, dass der eine oder andere Bestandshalter oder Projektentwickler wirtschaftlich unter Druck gerät oder auch Insolvenz anmelden muss, und die gesamtwirtschaftliche Situation macht es den Marktteilnehmern zusätzlich schwer.


Auf welche Assetklassen werden Sie sich konzentrieren?
Bei uns steht die Assetklasse Wohnen auf dem ersten Platz. Das gilt insbesondere für den Markt in Deutschland, aber auch für unsere globalen Investments in den Metropolregionen. Denn die Urbanisierung setzt sich fort und Zuzug sowie Wohnbedarf in den Metropolen dieser Welt werden weiter zunehmen. Dabei fokussieren wir uns auf deutsche und internationale Märkte, wobei wir außerhalb von Deutschland nur in demokratisch regierte Länder investieren.

Insgesamt wird die erhöhte Nachfrage nach Wohnimmobilien längerfristig anhalten. Das zeigt sich aktuell dadurch, dass Unternehmen mit der Erstellung von Wohnflächen gar nicht angemessen nachkommen. Hinzu kommen massiv gestiegene Baukosten, sodass Wohnimmobilien kaum noch rentabel erstellt werden können. Das macht diese Assetklasse schwierig und anspruchsvoll, aber auch interessant.


Wie wollen Sie neue Marktchancen nutzen?
Wir richten unseren Blick zunächst auf das eigene Portfolio und planen, die Wohnquote in unseren Beständen anzuheben. Dabei werden wir zuerst auf Deutschland schauen, denn das ist unser Kernmarkt, in dem wir seit Jahrzehnten tätig sind. Hier sehen wir wieder vielversprechende Investmentchancen, die aktuell zu viel geringeren Faktoren gehandelt werden als noch vor 12 bis 18 Monaten. Ferner werden wir Nachhaltigkeit und Energieeffizienz jeder unserer eigenen Immobilien auf den Prüfstand stellen, um unser Portfolio wertbeständig auszurichten. Für eine bessere Resilienz gegen negative Marktentwicklungen werden wir unsere Immobilienanlagen zukünftig weiter diversifizieren.


Wie optimistisch schauen Sie in die Zukunft?
Die Situation in der Immobilienwirtschaft wird bis auf weiteres voraussichtlich weiter angespannt bleiben und sowohl bei einigen Entwicklern als auch bei Bestandshaltern zu größeren Problemen führen. Andererseits bietet der deutsche Immobilienmarkt gute Voraussetzungen, um bei einem stabilen bis leicht rückläufigen Zinsniveau wieder auf die Beine zu kommen. Leider ist die Stimmung in Deutschland derzeit insgesamt nicht so gut und langsame Entscheidungsprozesse sowie die schleppende Digitalisierung hemmen eine kurzfristige Erholung. Da jedoch jede Krise auch Opportunitäten bietet, wollen wir als Team bei der Nordrheinischen Ärzteversorgung diese Potentiale gerne nutzen. Von daher schauen wir optimistisch nach vorne!

Benedikt Gabor verfügt über mehr als 20 Jahre Berufserfahrung in der Immobilienbranche. Seit Juli 2023 verantwortet er als Abteilungsdirektor das direkte und indirekte Immobiliengeschäft der Nordrheinischen Ärzteversorgung. Zuvor war er rund 10 Jahre bei der Deutschen Rückversicherung AG und VöV Rückversicherung KöR in Düsseldorf sowie mehr als 5 Jahre als Senior Portfolio Manager bei der Catella Real Estate AG KAG in München tätig. Seine berufliche Laufbahn begann er 2001 bei der Deutschen Immobilien Leasing GmbH, wo er vier Jahre lang für das internationale Geschäft in Italien verantwortlich war. Herr Gabor hat sein Studium des Bauingenieurwesens an der RWTH-Aachen abgeschlossen.

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