Immobilien-FondsNews - das Interview mit Marc Brütsch

17.03.2022

Interviewpartner

Marc Brütsch

Marc Brütsch

Chefökonom

Swiss Life Asset Managers

Interview

Das Interview: Heute mit Marc Brütsch, Chefökonom bei Swiss Life Asset Managers.

Die Inflation ist wieder in aller Munde. Welche Entwicklung ist aus Ihrer Sicht möglich?

Die Kernfrage lautet: Ist diese überdurchschnittliche Inflation nur eine kurzfristige Erscheinung oder nicht? Hier gab es bis vor kurzem zwei Lager: Eines rechnete mit einem raschen Rückgang der Inflation („Team Transitory“). Ein zweites Lager sprach davon, dass wir in ein neues, dauerhaft höheres Inflationsregime ein­getreten sind („Team Permanent“). Der Krieg in der Ukraine hat nun sozusagen die Spielregeln geändert: Vorläufig ist kein Szenario mit rasch sinkender Inflation denkbar.

Wo wird die Inflation Ende 2022 liegen?

Wir gehen als Swiss Life davon aus, dass aufgrund der nochmals stark gestiegenen Energiepreise und weiterer fiskalischer Maßnahmen in Deutschland die Inflation 2022 im Jahresdurchschnitt bei 4.1% zu liegen kommt. Erst im Laufe des Jahres 2023 sehen wir wieder eine Inflation im ge­planten Korridor der EZB von unter 2%.

Welche Unterschiede sehen Sie 2022 im Vergleich zu 2021 in der wirtschaftlichen Entwicklung?

Plötzlich sehen wir uns vor einer Zeitenwende. Wir können im Moment unmöglich abschätzen, welches die Folgen des Ukrai­nekriegs auf die Wirtschaft sein werden. Kurzfristig ist ein Anstieg der Inflation unvermeidbar, wie stark das Wachstum beeinträchtigt sein wird, bleibt abzuwarten. Immerhin waren die Auftragsbücher der Industrie überall in Europa voll und auch die Lage am Arbeitsmarkt präsentierte sich zu Beginn des Jahres sehr erfreulich. Als Exportmarkt ist Russland für Europa nahezu unbedeutend. Entscheidend bleibt die Verfügbarkeit der Ressourcen, welche wir aus der Region beziehen.

Wie werden die Notenbanken reagieren?

Die Antwort auf diese Frage entscheidet über das Risiko einer Stagflation. Straffen die Notenbanken die Geldpolitik zu rasch, kommt zur Inflation sehr rasch ein Einbruch der Nachfrage dazu. Wir rechnen daher vorderhand damit, dass die Leitzinsen in der Eurozone bis in das erste Quartal 2023 unverändert bleiben.

Kommen wir zurück auf die ­ursprüngliche Ursache von Inflation. Können sich die Lieferengpässe unter den gegebenen Bedingungen wirklich entspannen?

Auch hier ist die Unsicherheit natürlich hoch. Immerhin ist erkennbar, dass die Halbleiterproduktion weiter auf Hochtouren läuft und die Industrie in zusätzliche Kapazitäten investiert. Auch bei den Frachtkapazitäten auf dem Seeweg wird in hohem Maß investiert. Hier kommt ein Schweinezyklus in Gang. Was im Januar knapp und teuer war, wird es in zwölf Monaten nicht mehr sein.

Gibt es auch strukturelle Gründe als Preistreiber?

Eindeutig ja, ganz besonders die steigenden Energiepreise. 2021 erhielt die Dekarbonisierung ein Preisschild. Nun kommt die Erkenntnis hinzu, dass Europa seine Abhängigkeit von russischen Energielieferungen reduzieren muss. Wir haben also zur gleichen Zeit zwei wichtige strukturelle Quellen von Inflation.

Wie haben sich Immobilienanlagen im historischen Vergleich in inflationären Zeiten geschlagen?

Die Vergleichbarkeit ist sehr schwierig. Eine Untersuchung von uns bis teilweise zurück zum Jahr 1870 hat aber gezeigt, dass insbesondere Wohnimmobilien in inflationären Zeiten stets die beste Anlageform noch vor Aktien und fest­verzinslichen Anlagen waren.

Mit welchen Entwicklungen rechnen Sie in den nächsten 12 Monaten an den Immobilienmärkten?

Kommt zur spürbar höheren Inflation ein verstärkter Trend zum Onshoring hinzu, bleiben gut positionierte Logistikstandorte und Unternehmensimmobilien attraktiv. Immobilien, welche den Mietbedürfnissen in einer sich verändernden Welt entsprechen, bleiben gefragt. Zudem bieten auch die Bestrebungen zur Minderung der Abhängigkeit von fossiler Energie interessante Investitionsmöglichkeiten in Immobilien- und Infrastrukturprojekte.

Marc Brütsch ist seit Abschluss des Studiums der Nationalökonomie und der Publizistikwissenschaften an der Universität Zürich für Swiss Life tätig. In den Jahren 1996 und 1997 lebte und arbeitete er in England. Anschließend übernahm er die Verantwortung für die Konjunkturanalyse als Grundlage der gruppenweiten Anlageentscheide bei Swiss Life. Seit März 2000 bekleidet er die Funktion des Chief Economist von Swiss Life Asset Managers. Wie auch bereits für die Jahre 2015, 2017 und 2019 wurde er mit seinem Team auch für 2020 mit dem „Forecast Accuracy Award“ für die beste Prognose zur Konjunktur in der Schweiz ausgezeichnet.

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