Nachhaltigkeitsanalysen mit dem CRREM Tool

03.12.2022

Autor

Carolina von Groddeck

Carolina von Groddeck

Head of Germany

Savills Investment Management

Blogbeitrag

Nachhaltigkeitsanalysen mit dem CRREM Tool

Der Immobiliensektor trägt laut der jüngsten Erhebung der Vereinten Nationen (Global Status Report for Buildings and Construction 2022) weltweit rund 40 Prozent zu den energiebedingten Kohlendioxidemissionen bei. Immobilienbestandshalter und alle beteiligten Stakeholder haben daher eine gesellschaftliche Verantwortung, die Transformation ihrer Objekte voranzutreiben. Gleichzeitig tragen sie die Verantwortung für den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Investments. In diesem Spannungsfeld ist in Zukunft auch mit zunehmend strengerer ESG-Regulierung zu rechnen. In der Folge ergibt sich Investitionsbedarf, um Immobilien zu transformieren, diese wettbewerbsstark zu halten und weiterhin angemessene Renditen zu erwirtschaften. Wer dies versäumt, muss sich auf Wertverluste in der Zukunft einstellen – im Extremfall ist eine Immobilie nur noch mit erheblichen Abschlägen zu veräußern und zu vermieten. Die große Herausforderung dabei ist, dass eine einheitliche Bewertung der verschiedenen Nachhaltigkeitsdimensionen lange gefehlt hat. Wie sollen Immobilieninvestoren am besten vorgehen, um ihre Objekte zu bewerten, mit ähnlichen Immobilien zu vergleichen und konkrete ESG-Maßnahmen abzuleiten und umzusetzen?

Ein wichtiges Tool mit Potenzial

Eine der größten Herausforderungen im weiten Feld der Nachhaltigkeitsziele ist und bleibt das Erreichen von Netto-Null-Emissionen in der Bau- und Immobilienwirtschaft, denn ihr erheblicher ökologischer Fußabdruck verpflichtet sie zum Handeln. Ein wichtiger erster Schritt ist hierbei die Beurteilung von Emissionen im Immobilienbetrieb. Aus diesem Grund wurde mit Unterstützung der EU von einer Gruppe akademischer Forschungsinstitutionen der Carbon Risk Real Estate Monitor (CRREM) entwickelt. Dieser soll Immobilieneigentümern helfen, die für die Erreichung der Pariser Klimaziele – also die Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf maximal 2 bzw. weniger als 1,5 Grad Celsius – im Gebäudesektor notwendige Orientierung zu erhalten.

Seit 2020 ermöglicht das CRREM-Tool die Auswirkungen des Gebäudebetriebs auf den CO2-Ausstoß und damit auf den Klimawandel auf wissenschaftlicher Basis zu identifizieren, um zielgerichtete Maßnahmen zur Reduktion der CO2-Emissionen vorzunehmen zu können. CRREM stellt transparente und wissenschaftlich fundierte Dekarbonisierungspfade zur Verfügung, die im Einklang mit den Pariser Klimazielen stehen. Diese Pfade zeigen auf, wie viel CO2 ein Gebäude oder Portfolio bis 2050 innerhalb eines Jahres höchstens ausstoßen darf, damit die Klimaziele nicht verfehlt werden. CRREM trägt damit als erste globale Benchmark für Gebäude als wesentlicher Teil zur Transformation des Immobiliensektors auf dem Pfad hin zu Netto-Null-Emissionen bei. Weitere Vorzüge sind die individuelle Anwendbarkeit je Land und konkreter Assetklasse sowie die mögliche Anpassung an zukünftige Weiterentwicklungen der Standards z. B. beim zukünftigen Energiemix.

In bestimmten Anwendungsfällen hat das Tool jedoch auch noch Optimierungspotenzial: So sind die Ergebnisse stark von der Nutzung einer jeweiligen Immobilie durch die Mieter oder auch den Einsatz von Sonderverbrauchern wie beispielsweise bei Datencentern oder Fitnessstudios abhängig. Bis 2022 basierten zudem die Daten zu Emissionsfaktoren des Energiemixes am jeweiligen Standort auf dem Stand des Basisjahres 2018. Deshalb wird das Tool ständig weiterentwickelt. Zum Beispiel werden die Emissionsfaktoren aktualisiert – hierbei werden die Anpassung an Vorgaben der Science Based Targets-Initiative (SBTi) sowie die Aktualisierung nationaler Emissionsfaktoren entsprechend berücksichtigt. Zudem wurden weitere Immobilientypen wie z. B. Kaltlager mit aufgenommen.

Eine wesentliche Herausforderung ist die korrekte und zielführende Interpretation der CRREM-Ergebnisse, um die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Dies gilt insbesondere für den möglichen Zeitpunkt des „Strandings“, zu dem das Gebäude mehr CO2 ausstößt als es der Zielpfad vorsieht. Dies soll an einigen konkreten Beispielen aus unserer täglichen Praxis verdeutlicht werden.

Anwendungsbeispiele und Herausforderungen

Eine Lücke des CRREM-Tools besteht darin, dass es bislang nicht für alle Immobilientypen aussagekräftige Ergebnisse liefert – ein Beispiel hierfür ist der Sektor des Lebensmitteleinzelhandels, der einige besondere Faktoren in der Nutzung mit sich bringt. Für Supermärkte gibt es bislang noch keine eigene Benchmark, weshalb für diese zum Beispiel der Pfad für Fachmarktzentren genutzt werden muss. Supermärkte haben aufgrund der hohen Anzahl an Kühlgeräten im Geschäftsbetrieb allerdings deutlich höhere Verbräuche als „klassische“ Geschäfte beispielsweise im Bereich Bekleidung. Das führt in den meisten Fällen dazu, dass Supermärkte & Co oberhalb der CRREM-Benchmark landen und als bereits gestrandet klassifiziert werden.

CRREM hat sich in der Branche zurecht als wichtiger Maßstab etabliert. In der Konsequenz ist eine Immobilie mit einem Ergebnis jenseits der Benchmark für viele Investoren jedoch ein Ausschlusskriterium. Im Falle von Supermärkten liegt das jedoch häufig nicht daran, dass die Immobilien nicht ESG-konform gebaut und ausgestattet sind, sondern schlicht an der ungeeigneten Vergleichbarkeit mit den in CRREM hinterlegten Einzelhandelsformaten. Dieses Beispiel zeigt, dass es für einzelne Immobilientypen weiterer Benchmarks oder Standards bedarf, um den spezifischen Charakteristika gerecht zu werden und nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen.

Es bleibt von entscheidender Bedeutung – gerade bei solchen Sonderfällen – die CRREM-Ergebnisse richtig zu interpretieren und in den Zusammenhang mit der individuellen Nutzung zu setzen. Im Falle von Supermärkten, Datencentern oder Fitnessstudios gilt es, ein Augenmerk auf die Erfassung von Sonderverbrauchern zu legen, um diese gesondert ausweisen, deren Auswirkungen separat darstellen und ein verzerrtes Ergebnis in der Bewertung vermeiden zu können. Somit ließe sich das Ergebnis besser zur Einordnung in der CRREM-Benchmark nutzen.

Ein weiteres Beispiel ist die „Solarisierung“ von Immobilien, die bei der CRREM-Bewertung teilweise nicht entsprechend CO2-reduzierend einfließt. Wird der Strom ins Netz eingespeist und nicht vertraglich vor Ort in der Immobilie genutzt, dann wird gebäudenah erzeugter Strom aus Photovoltaik(PV)-Anlagen im CRREM-Tool nicht dem Gebäude zugerechnet. So haben wir Objekte im Portfolio, bei denen bereits PV-Anlagen installiert sind, die allerdings aktuell eine Netzeinspeisung vorsehen – in der Regel durch vertragliche Ausgestaltungen von Voreigentümern bedingt. Letztlich bezieht die Immobilie den Strom aber ja wieder aus dem Netz, zu dessen Erzeugung sie mit Hilfe der installierten PV-Anlage beigetragen hat. Da dies bei CRREM nicht angerechnet wird, kann es auch hier zu Verzerrungen bei der Bewertung kommen. Aus Sicht der globalen Klimaziele sollte es unbedeutend sein, ob Strom direkt im Gebäude genutzt wird oder ob dieser zunächst ins Netz eingespeist, dann aber indirekt doch wieder im Objekt verbraucht wird. Letztlich hilft jedes Dach mit PV-Anlage auf dem Weg zur Klimaneutralität und sollte positiv berücksichtigt werden. Bei CRREM ist es deshalb schwierig zu berücksichtigen, da die Gefahr der Doppelerfassung besteht.

Nicht der Ist-Zustand, sondern das Potenzial ist entscheidend

Diese Beispiele zeigen bereits, dass ein statisches CRREM-Ergebnis auf Grundlage des aktuellen Status quo einer Immobilie nicht der einzige Maßstab sein kann, um Gebäude in Bezug auf deren CO2-Emissionen zu prüfen. Es ist wichtig, sich der aktuellen Grenzen des Tools bewusst zu sein, um die Ergebnisse einzelner Immobilien richtig interpretieren und entsprechende Maßnahmen ableiten zu können.

Am Beispiel von Supermärkten wird deutlich, dass Investoren sonst bei alleiniger unreflektierter Betrachtung des CRREM-Ergebnisses unter Umständen attraktive Investmentopportunitäten verpassen.

Sofern mit Hilfe des Tools erhöhte Emissionen festgestellt werden, kommt es auf die kritische Analyse möglicher Effizienzmaßnahmen an, sprich mit welchen Mitteln die Gebäude auf einem Klimapfad weiterentwickelt werden können, um ihre Werte zu heben. Das vorschnelle Abstempeln als „Stranded Asset“ und damit in diesen Bestand möglicherweise nicht weiter zu investieren, greift hier zu kurz. In jedem Fall gilt es – wie bei allen Immobilien – die richtigen Stellschrauben zu identifizieren und auch gemeinschaftlich mit den jeweiligen Mietern auf die ESG-Optimierung hinzuarbeiten. Bei der Umsetzung zielführender Maßnahmen muss in der gesamten Branche zwingend auch das Tempo deutlich erhöht werden.

Ein weiterer Aspekt, der in die Betrachtung von Immobilieninvestments aufgenommen werden sollte, ist der Blick auf den Gesamtlebenszyklus von Immobilien und den damit verbundenen Emissionen, sozusagen die grauen Emissionen bzw. „embodied carbon“. Diese Dimension wird aktuell nicht durch das CRREM-Tools berücksichtigt. Die Frage, die sich Immobilieninvestoren und die Branche stellen sollten, ist, ob es bei Strategien zur Reduzierung von CO2-Emissionen sinnvoller ist, den Fokus auf Neubauten mit geringen Emissionen im Betrieb, dafür hohen zusätzlichen grauen Emissionen zu legen oder Bestandsgebäude mit vermeintlich höheren laufenden Emissionen im Betrieb länger zu nutzen. Kann ein Neubau im operativen Betrieb tatsächlich so viele Emissionen einsparen und die Emissionen während der Errichtungsphase mindestens ausgleichen? Oder wäre ein Neubau mit Blick auf die Gesamtemissionen faktisch ein „Stranded Asset“?

Diese Fragen werden in der Branche diskutiert, dürften in der Zukunft allerdings noch mehr Aufmerksamkeit erfahren. Mit Blick auf Ressourcenknappheit und -effizienz ist die Verlängerung des Lebenszyklus von Immobilien, also die ESG-Transformation von Bestandsobjekten, häufig der Ansatz mit dem größten Hebel und geringsten negativen Impact auf die Nachhaltigkeitsziele sowie das wirtschaftliche Ergebnis einer Investition.

Fazit: Es gibt nie nur Schwarz oder Weiß

CRREM ermöglicht einen wichtigen und wesentlichen Schritt, bietet wertvolle Orientierung hinsichtlich des CO2-Fußabdrucks von Immobilien und ermöglicht eine vergleichbare globale Bewertung. Durch die hergestellte Transparenz wird vielen Marktakteuren bewusst, dass sie zeitnah aktiv werden und ihre Maßnahmen zur ESG-Optimierung intensivieren müssen. Darüber hinaus hilft das Tool bei der Priorisierung einzelner Maßnahmen und hat sich mit gutem Grund international in der gesamten Branche etabliert.

Wichtig ist, die Ergebnisse richtig interpretieren und einordnen zu können, um das tatsächliche Entwicklungspotenzial einer Immobilie zu erkennen und in die Analyse einfließen zu lassen. Nicht alle Immobilienklassen lassen sich aktuell angemessen mit CRREM bewerten. Dem wird jedoch mit der kontinuierlichen Anpassung und Optimierung des Tools begegnet – so soll bald ein länderspezifischer Pfad für nicht abgedeckte Assetklassen veröffentlicht werden. Beispielsweise bei Supermarktimmobilien sowie nicht berücksichtigten PV-Anlagen sollten CRREM-Ergebnisse aus den genannten Gründen nicht als alleinige Bewertungsgrundlage herangezogen werden.

Die Analyse der Nachhaltigkeit von Immobilien über den gesamten Lebenszyklus hinweg bleibt eine hochkomplexe Aufgabe. Nicht weniger komplex ist die Interpretation sowie die Ableitung und Umsetzung von geeigneten Maßnahmen, um die ESG-Transformation jeder einzelnen Immobilie mit ihren individuellen Gegebenheiten – Bauweise, Ausstattung, Standort, Nutzungsart, Mieter und vieles mehr – effektiv und sinnvoll voranzutreiben. Fakt ist: Es führt kein Weg daran vorbei und die Zeit läuft.

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