Stranding und andere Chancen

23.01.2023

Autor

Roland Holschuh

Roland Holschuh

Geschäftsführender Gesellschafter

QUEST Funds

Blogbeitrag

Stranding und andere Chancen

„Immobilienquote voll? Preiserwartungen von Käufern und Verkäufern passen nicht zueinander? Das Zinsniveau bringt andere Alternativen? Zu viel Unsicherheit im Markt?“ Es gibt derzeit einige Investoren, die mindestens eine dieser Fragen mit „Ja“ beantworten – und abwartend oder skeptisch auf den Markt schauen.

Es erscheint daher nicht abwegig zu erwarten, dass die Transaktionsvolumina auch Anfang nächsten Jahres erst einmal verhalten bleiben werden. Wir kommen allerdings von einem besonderen Hoch: Für die ersten drei Quartale 2022 lag das Investitionsvolumen in deutsche Gewerbeimmobilien in Summe noch deutlich über dem Zehnjahresdurchschnitt.

In dem ruhigeren Markt sollten Anleger und Manager nun die Gelegenheit nutzen, sich intensiver mit ihrem Bestand auseinanderzusetzen.

Die Gründe für die Bestandspflege liegen auf der Hand. Zum einen lassen sich Problem-Assets aus dem Bestandsportfolio nicht mehr so einfach „wegverkaufen“. Immobilien mit Leerstand oder in schlechtem energetischen Zustand werden vom Markt nicht ohne weiteres absorbiert. Laut einer Umfrage der Royal Institution of Chartered Surveyors wird es zu Preisabschlägen für nicht-nachhaltige Gebäude kommen, da Investoren sich auf ESG-konforme Assets konzentrieren. Also muss der ein oder andere Bestandshalter die Probleme wohl vorerst selbst lösen und sich um energetische Sanierung und Nachvermietung kümmern.

Ein zweiter Grund, sich intensiv mit dem Bestand zu beschäftigen, ist die Mietnachfrage. Die ist an den Topstandorten weiterhin hoch, allerdings wird dabei gnadenlos nach Qualität und Nachhaltigkeit selektiert. So ergab die letzte „Future of Work 2022“-Befragung von JLL, dass 43 % der Unternehmen in Deutschland Investitionen in nachhaltige und flexible Arbeitsbereiche planen. Die meisten sind sogar bereit, für nachhaltig sanierte und auf ESG-Kriterien ausgerichtete Flächen einen Mietaufschlag zu zahlen. Das Bewusstsein der Nutzer wächst, denn die ESG-Bilanz des Gebäudes zahlt auf die eigene ESG-Performance ein. Die steigenden Energiekosten tragen das ihre dazu bei.

Der dritte Grund kommt aus der Baubranche selbst. Während vor kurzem noch Engpässe bei Material und Arbeitskapazität Sorgen bereitet und Projekte verzögert haben, scheint sich hier wieder ein „Auftraggeber-Markt“ zu entwickeln. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts ist im Vorjahresvergleich zu September 2021 der reale und kalenderbereinigte Auftragseingang deutlich, um ca. 23 Prozent, gesunken. Dann sollten sich am Bau Preisverhandlungen besser führen und Termine wieder besser planen lassen.

Die Stunde des engagierten Assetmanagements hat also geschlagen. Ein Nebeneffekt: je früher Bestandsgebäude wieder ertüchtigt werden, desto höher der positive Einfluss auf die Rendite – und auf die CO2-Bilanz. Dabei ist klar, dass die vielfältigen Aufgaben bei den meisten Bestandshaltern nicht alle im eigenen Hause gestemmt werden können. Hier gilt es zu priorisieren oder Verstärkung zu suchen.

Wahrscheinlich ist, dass trotz aller Anstrengungen der Bestandshalter dann doch noch einige sogenannte „stranded Assets“ (also solche, deren CO2-Verbrauch über den aus dem Pariser Klimaabkommen aus dem CREEM-Pfad abgeleiteten Richtwerten liegen wird), übrig bleiben und auf den Markt kommen werden.

Die Stranding-Angst des Einen ist dann die Investmentchance des Anderen; denn gerade bei geeigneten Häusern in zentralen Lagen lassen sich energetische Optimierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit Nachverdichtung und Neupositionierung oft sehr gut refinanzieren. Was dann zählt, sind Entwicklerkompetenz, ESG-Knowhow und Assetmanagement-Kapazitäten.

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