ESG für Büroimmobilien – Warum Neubau nicht die Lösung ist

07.11.2022

Autor

Peter Finkbeiner

Peter Finkbeiner

CEO

Primonial REIM Germany

Blogbeitrag

ESG für Büroimmobilien – Warum Neubau nicht die Lösung ist

In den öffentlichen Diskussionen um ESG-Strategien für Immobilien stehen häufig innovative Neubaukonzepte oder aufwendige Refurbishments im Fokus. Die sehr hohen Anforderungen der EU-Taxonomie in Bezug auf die Einstufung als nachhaltiges Gebäude haben diesen Trend eher noch verschärft. Außer Acht gelassen werden dabei häufig die sogenannten grauen Emissionen, die durch den Bau und Abriss von Gebäuden entstehen. Betrachtet man den Gesamtlebenszyklus von Büroimmobilien, gehen in Abhängigkeit von den verwendeten Baustoffen zwischen 60 % und 80 % der gesamten CO2-Emissionen auf graue Energie zurück. Je stärker wir zukünftig die Wärmeenergie elektrifizieren und gleichzeitig den Stromsektor dekarbonisieren, desto höher wird der Anteil der grauen Energie im Lebenszyklus von Immobilien. Oder anders ausgedrückt: Von Neubauten und energieintensiven Sanierungsmaßnahmen geht dann kein positiver Klimaeffekt mehr aus.

Darüber hinaus lohnt ein Blick auf die harten Fakten für Nicht-Wohngebäude: In Deutschland gibt es aktuell rund 388.000 Bürogebäude mit etwa 387 Mio. qm Bürofläche. Rund zwei Drittel der Fläche befinden sich in Gebäuden, die vor 1979 errichtet wurden. Der Anteil an neueren und damit energieeffizienteren Gebäuden (Baujahr 2010 und jünger) liegt hingegen nur bei rund 4 %. Die Neubautätigkeit für Nicht-Wohngebäude lag in der letzten Dekade bei rund 0,5 %. Es ist nicht zu erwarten, dass sich die Neubautätigkeit vor dem Hintergrund deutlich gestiegener Baukosten in den kommenden Jahren spürbar steigert. Zusammengefasst bedeutet dies, dass der überwiegende Teil der Bürogebäude, die wir in den in kommenden 20 bis 30 Jahren nutzen werden, heute bereits existiert.

Wie sollten wir also mit dieser Erkenntnis umgehen? Vielfach wurde sich in den letzten Jahren ‒ befeuert durch politische Subventionsprogramme ‒ auf eine Reduzierung des Energiebedarfs fokussiert. Dies beinhaltet in der Regel aufwendige energetische Renovierungsmaßnahmen der Gebäudehülle und kostenintensive Investitionen, wie z. B. den Austausch von Fenstern und Außentüren. Selbst bei Verwendung wenig klimaschädlicher Baustoffe stellt sich die Problematik, wer am Ende die Kosten für derartige Investitionsmaßnahmen tragen soll und kann. Dies rückt die Frage in den Mittelpunkt, ob es nicht effizientere Möglichkeiten gibt, einen nennenswerten Beitrag zur CO2-Reduktion zu leisten, ohne die Kostenseite zu vernachlässigen.

Pragmatische Lösung: Fokus auf CO2-Reduktion

Ein simpler Lösungsansatz besteht darin, sich zunächst von dem Ziel der Reduzierung des Energiebedarfs zu verabschieden und sich stattdessen darauf zu konzentrieren, aktiv den Energieverbrauch und damit vor allem CO2 einzusparen. Der Fokus sollte dabei auf derartigen Maßnahmen liegen, die unter Berücksichtigung der jeweiligen Kosten die höchste CO2-Einsparung versprechen. Vielfach lassen sich mit einfachen Maßnahmen bereits signifikante Mengen an CO2 einsparen.

Nun kann man sich die Frage stellen, warum wir uns so sehr auf CO2 konzentrieren sollten. Die einfache Antwort ist: Zur Erreichung unserer Klimaziele ist allein der gesamte Ausstoß an CO2 bzw. CO2-Äquivalenten entscheidend. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass Wertabschläge für Immobilien zukünftig maßgeblich aufgrund von hohen CO2-Emissionen vorgenommen werden. Den Energieverbrauch zu reduzieren, Heizungssysteme auf erneuerbare Energieträger umzustellen oder grünen Strom aus einer eigenen PV-Dachanlage zu nutzen, haben somit einen direkten Einfluss auf den CO2-Ausstoß und helfen deutlich mehr als aufwendige Sanierungsmaßnahmen oder die Förderung von Neubaumaßnahmen.

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Fazit

Es bleibt nur noch sehr wenig Zeit, um überhaupt noch Chancen zu haben, die Pariser Klimaziele im Gebäudesektor zu erreichen. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass der gebäudespezifische CO2-Ausstoß zukünftig eine zentrale Kenngröße bei der Immobilienwertermittlung verkörpern wird. CO2 zu reduzieren, trägt somit unmittelbar zum Werterhalt oder sogar zur Wertsteigerung einer Immobilie bei. Je stärker der Anteil erneuerbarer Energien in der Wärmeversorgung und im Stromsektor zunimmt, desto höher liegt zukünftig der Anteil grauer Energie. Statt zukünftig viel Geld in aufwendige Sanierungsmaßnahmen und Neubauentwicklungen zu investieren, sollte sich daher auf Maßnahmen im Bestand konzentriert werden, die sofort und unmittelbar den Energieverbrauch und folglich CO2 reduzieren.

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