Das S in ESG bei Immobilienspezialfonds

09/07/2023

Autor

Dennis Stenzel

Dennis Stenzel

Rechtsanwalt und Partner

GSK Stockmann

Blogbeitrag

Das S in ESG bei Immobilienspezialfonds

Der Begriff „ESG“ (Environment Social Governance) ist spätestens seit Inkrafttreten der Offenlegungsver­ordnung („SFDR“)1 aus der Fondsbranche nicht mehr wegzudenken. Aufgrund der starken Nachfrage nach Fonds mit Nachhaltigkeitsbezug werden Fonds regel­mäßig als sog. ESG-Strategie-Produkte (Art. 8 SFDR) oder als sog. Impact-Produkte (Art. 9 SFDR) aufge­legt oder bestehende Fonds entsprechend ertüchtigt.

Dabei liegt der Schwerpunkt bislang jedoch vielfach auf dem Bereich Umwelt. Der Bereich Soziales wird oftmals gar nicht betrachtet oder allenfalls als Beimischung neben ökologischen Merkmalen/Zielen berücksichtigt.

Ein Grund hierfür dürfte vor allem der Mangel an kon­kreten regulatorischen Vorgaben für Immobilienin­vestitionen sein:

  • Die in Art. 2 (17) SFDR genannten sozialen Ziele be­ziehen sich – jedenfalls auf den ersten Blick – nicht unmittelbar auf Immobilien.
  • Bei den Indikatoren für die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren (sog. PAI) werden zwar für die Investition in Unternehmen, Staaten und supranationale Organisationen soziale Indikatoren genannt, nicht aber für Investitionen in Immobilien.
  • Zudem liegen gegenwärtig keine weiteren konkretisierenden Rechtsakte für soziale Aspekte vor, wie etwa die Taxonomie-VO für Umweltziele.

Auch wenn dies eine erhebliche Unschärfe bedeutet, eröffnen sich auch interessante Gestaltungsspielräume für Fonds mit sozialer Strategie. Dabei ist die Herausforderung, eine für Anleger attraktive, für die BaFin akzeptable und zugleich in der Praxis umsetzbare Anlagestrategie zu wählen.

Für die Erstellung einer genehmigungsfähigen ­Anlagestrategie sind vor allem folgende Aspekte maßgeblich:

1. Für soziale Merkmale oder Ziele muss bei Immobilien auf die bestimmungsgemäße oder tatsächliche Nutzung abgestellt werden: Aus der Immobilie selbst ergeben sich i.d.R. weder positive noch negative soziale Auswirkungen (auch wenn umgekehrt aus der Nutzung ggf. bauliche Anforderungen, wie bspw. barrierearme Zugänge, folgen). Dies ist ein qualitativer Unterschied zu ökologischen Kriterien, welche sich auch unmittelbar aus der Beschaffenheit der Immobilie ergeben können (z.B. Primärenergiebedarf oder Grad der Verbauung).

2. Die sozialen Aspekte der Anlagestrategie müssen messbar und bestimmbar sein. Anders als bei ökologischen Strategien fehlt es im sozialen Bereich oftmals an klaren Definitionen sozialer Kriterien und konkreten, wissenschaftlich fundierten Messwerten oder Benchmarks, deren Einhaltung durch konkrete Formeln überprüft werden kann. Vielmehr kann (und muss) der Anbieter für seinen Fonds die sozialen Aspekte der Anlagestrategie individuell entwickeln und in messbare Kategorien fassen, wobei (inter-)national anerkannte Standards2 und/oder gesellschaftlich entwickelte Normen die Basis bilden. Demnach besteht aufgrund der rudimentären regulatorischen Vorgaben für soziale Merkmale/Ziele ein weiter Spielraum, der aber durch die Definition der sozialen Ziele in Art. 2 (17) SFDR begrenzt wird.

3. Daher sollten die in Art. 2 (17) SFDR genannten sozialen Ziele als Ausgangspunkt der Entwicklung einer sozialen Anlagestrategie herangezogen werden, wie bspw. die „Bekämpfung von Ungleichheiten" oder das „Fördern des sozialen Zusammenhalts und der sozialen Integration". Dabei ist hervorzuheben, dass nach gegenwärtiger Verwaltungspraxis nicht nur bspw. Pflegeheime oder Kindertagesstätten für eine soziale Strategie geeignet sind, sondern - abhängig von der jeweils konkreten Nutzung der Immobilie - verschiedenste soziale Kriterien denkbar sind. So können etwa

  • preisgebundene oder -gedämpfte Wohnungen einen positiven Beitrag zur Bekämpfung von gesellschaftlichen Ungleichheiten durch die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum leisten,
  • besondere Immobilienkonzepte, wie generationenübergreifendes oder betreutes Wohnen oder Quartiersentwicklungen, zur sozialen Integration bestimmter Bevölkerungsgruppen beitragen und
  • Ärztehäuser eine adäquate (medizinische) Versorgung fördern.

4. Auch wenn die regulatorischen Vorgaben bei sozialen Anlagestrategien nicht weiter definiert sind, muss nach der Verwaltungspraxis ein bestimmtes Ambitionsniveau erkennbar sein, damit ein Fonds die Anforderungen an Art. 8/9 SFDR erfüllt. Derzeit ist die Verwaltungspraxis noch von Einzelfallentscheidungen geprägt, die jedoch teilweise von allgemeinen Prinzipien getragen werden; bspw. ist die bloße Einhaltung gesetzlicher Mindeststandards (z.B. gesetzliche Vorgaben zum barrierefreien Bauen) regelmäßig nicht ausreichend. Da derzeit Fonds mit sozialer Strategie in der Minderheit sind, ist zu erwarten, dass sich der bei den ökologischen Anlagestrategien erkennbare Trend, mit fortschreitender Zahl der Vertriebsanträge die Anforderungen zu verschärfen, auch bei den Fonds mit sozialer Anlagestrategie zeigen wird.

Soziale Anlagestrategien sind demnach auch für Immobilienfonds gut umsetzbar und bieten – nach Bewältigung der handhabbaren Herausforderung der Strategieentwicklung – ggf. in Kombination mit ökologischen Aspekten die Möglichkeit eines im Bereich ESG breit aufgestellten Finanzproduktes. Soziale Schwerpunktsetzung kann zudem ein Alleinstellungsmerkmal des Fonds begründen.

1 Verordnung (EU) 2019/2088.
2 Z.B. Nachhaltigkeitsziele der UN, European pillar of social rights

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