Deutscher Retailsegmente aus Investorensicht

09/08/2022

Autor

Uwe Krause

Uwe Krause

Head of Real Estate Fund Management

MEAG

Blogbeitrag

Deutscher Retailsegmente aus Investorensicht

Einzelhandelsimmobilien sind ein wichtiger Baustein für ein diversifiziertes Immobilienportfolio institutioneller Investoren. Die Gründe liegen auf der Hand: Langfristig stabile Mieteinnahmen, hohe Lage­qualitäten, Krisenresistenz. Und dies bei gleichzeitig attraktiven Renditen. Anknüpfungspunkte für die Umsetzung von ESG-Strategien sind bei Einzelhandelsimmobilien ebenfalls vorhanden. Ein Loblied lässt sich also leicht anstimmen.

Retailsegmente

Das Spektrum der deutschen Einzelhandelssegmente ist dabei breit gefächert. Eine Gliederung aus Sicht eines institutionellen Investors sieht wie folgt aus:

  • „High Street Retail“: Hierunter fallen Immobilien in den Haupt­einkaufsstraßen deutscher Großstädte. Diese 1A-Lagen weisen hohe Passantenfrequenzen auf, haben eine hohe touristische Anziehungskraft und sind – was für langfristige Investoren von hoher Bedeutung ist – in der Regel schwer duplizierbar. Hier finden 
sich häufig internationale Marken und Flagship-Stores. Die Nachfrage von Einzelhandelsmietern ist hoch, das Angebot städtebaulich bedingt begrenzt. Vermieter erreichen in diesen Lagen Spitzenmiet­niveaus. Die Einzelhandelsnutzung in den unteren Geschossen wird ergänzt durch Büro- und Wohnnutzung in den oberen Stockwerken. Solche Objekte haben einen starken Core-Charakter, die Kaufpreisfaktoren sind unter allen Einzelhandelssegmenten am höchsten. Objekte in diesen Lagen sind ­„Tafelsilber“ im Portfolio. Doch auch in diesem Segment ist ein genauer Blick gefordert: Die Teilsegmente Warenhäuser und Textil erfahren einen strukturellen Wandel, den es genau zu analysieren gilt. Hier hat die Corona-Pandemie einen Veränderungsprozess verstärkt, der bereits vor einigen Jahren begonnen hat.
  • „Shopping-Center“: Von der Definition her ein zentral verwalteter Zusammenschluss von Einzelhandelsgeschäften und Dienstleistungen unterschiedlicher Branchen in einem Gebäudekomplex. Vor einigen Jahren noch bei den Kunden beliebt aufgrund des Einkaufs-Erlebnisses, erleben Shopping-Center einen starken strukturellen Wandel. Speziell die Einzelhandelsvermietungen in den oberen Geschossen gestalten sich zunehmend schwieriger, was Vermietungs- und Investitionskosten in die Höhe treibt. Dieser Wandel wurde durch die Corona-Pandemie spürbar verstärkt. ­Investoren stehen diesem Segment skeptisch gegenüber, was zu steigenden Renditen führt.
  • „Fachmarktimmobilien“: Vor mehr als zehn Jahren waren Fachmärkte ein Nischensegment in Deutschland. Dieses Bild hat sich deutlich gewandelt. Seit 2015 verzeichnen großflächige Einzelhandelsimmobilien den größten Anteil am Umsatzvolumen im Einzelhandelsinvestmentmarkt, und dies trotz ihres vergleichsweise geringen Einzelvolumens. Fachmarktimmobilien konnten in Zeiten der Corona-Pandemie ihre Krisenfestigkeit unter Beweis ­stellen. Hinzu kommen teils langfristige Mietverträge mit Laufzeiten von über zehn Jahren mit namhaften Mietern wie EDEKA, REWE, Kaufland, toom, Bauhaus oder OBI. Trotz gestiegener Ankaufsfaktoren sind in diesem Segment weiterhin attraktive Renditen erzielbar.

Investoren mit einem langfristigen Anlagehorizont sollten eine Mischung aus High Street Retail und Fachmarktimmobilien prüfen: Erstere bieten über Marktzyklen hinweg stabile Einnahmen und im langfristigen Trend steigende Bewertungen, das Renditeniveau ist etwas niedriger, liegt aber über risikolosen Anleihen. Den stärkeren Renditebeitrag bieten Fachmarktimmobilien, die bei gewissenhafter Due Diligence ebenfalls langfristig stabile Mieteinnahmen zeigen. Der strukturelle Wandel bei Shopping-Centern kann Chancen bieten für risikoaffinere und auf das Segment spezialisierte Investoren und erfordert gleichzeitig ein hohes konzeptionelles Know-How und ein starkes Liquiditätspolster, um längere Mietausfälle und hohe Umbaukosten stemmen zu können.

Der deutsche Einzelhandel

Einzelhandelsimmobilien sind nur dann lukrative Investitionen, wenn die dahinter liegenden volkswirtschaftlichen Mechanismen funktionieren. Und da ist und bleibt der deutsche Einzelhandel eine Erfolgsgeschichte. So ist der Umsatz im stationären Handel zwischen 2010 und 2020 um rund 24% von 407 auf 504,6 Mrd. Euro angestiegen. Und dies trotz des oft zitierten Siegeszuges des Onlinehandels. Die deutschen Konsumenten gaben in diesem Zeitraum also zunehmend mehr Geld in Geschäften vor Ort aus, was wiederum den Einzelhändlern und in der Folge dem Vermieter zu Gute kommt. Sicherlich profitiert der Standort Deutschland hier von seiner volkswirtschaftlichen Stärke.

Gleichzeitig muss diese Entwicklung differenziert betrachtet werden. 
Drei Beispiele hierfür:

  • Im selben Zeitraum vervielfachte sich der internetbasierte Ein­zel­handelsumsatz von 20,2 auf 72,8 Mrd. Euro. Der Onlinehandel übt steigenden Konkurrenzdruck auf stationäre Formate aus und dieser Trend setzt sich fort.
  • Nicht bei allen Einzelhandelssegmenten zeigte der Umsatz nach oben. Umsätze für Lebensmittel oder Baumarktartikel sind im genannten Zeitraum gestiegen. Die Umsätze für Kleidung (stationär und online zusammen gerechnet) schwankten von Jahr zu Jahr, waren im Trend aber leicht negativ. Für den Investor oder Manager ist daher wichtig, auf eine gut ausgewogene Mieterstruktur in seinem Portfolio zu achten. Eine breite Streuung ist empfehlenswert.
  • Mieten für Einzelhandelsflächen in zentralen Einkaufsstraßen lassen sich über mehrere Jahrzehnte zurück analysieren. Und hier zeigt sich – bei kleineren zyklischen Dellen – ein Trendwachstum. Gleiches lässt sich für Mieten in Fachmarktimmobilien zeigen, auch wenn hier die Analysefähigkeit aufgrund der dezentralen Struktur eingeschränkt ist. Mieten für Einzelhandelsflächen in Shopping-Centern haben in den letzten Jahren deutlich korrigiert, die weitere Entwicklung ist offen.

Erfolgsfaktoren

Es klingt einfach: Im An- und Verkauf einer Immobilie das richtige Timing erwischen und dazwischen die Bewirtschaftung gut organisieren. Dann ist eine attraktive Verzinsung gesichert. Für langfristig orientierte Investoren – die übermäßige Transaktionskosten durch häufige Umschichtungen vermeiden wollen – ist das Bild differenzierter. Hier gilt es über Zyklen hinweg stabile Mietüberschüsse zu erzielen und Wertkorrekturen zu vermeiden. Zwei Erfolgsfaktoren stehen hier im Vordergrund.

Due Diligence beim Ankauf: Die Standortfrage bei Immobilien in zentralen Haupteinkaufsstraßen mag noch leicht zu beantworten sein. Komplexer ist diese Frage bei Fachmarktimmobilien. Denn hier unterscheiden sich die langfristigen Erfolgsaussichten deutlich zwischen Fachmärkten mit Kopplungseffekten und Sogwirkung an dominanten, infrastrukturell gut erreichbaren Standorten und Fachmärkten in Nebenlagen mit reduziertem Sortiment und schlechtem Parkplatzschlüssel. Die Beurteilung von Lage und Gebäudekonzeption erfordert Fachwissen und Erfahrung.

Lebenszyklusmanagement: Eine neu errichtete Einzelhandelsimmobilie, die für zehn Jahre an einen namhaften Einzelhandelsmieter vermietet ist, erfordert in den ersten Jahren sicherlich wenig Verwaltungsaufwand. Herausfordernd sind die späteren Lebenszyklusphasen, nach der ersten und zweiten Anschluss- oder Neuvermietung und sobald bauliche Komponenten das Ende ihre Betriebsfähigkeit erreichen. In diesen Phasen sichert ein professionelles Asset Management eine gute Rendite, sowohl in der Verbindung zum Mieter als auch in der bautechnischen Kompetenz. Investoren und Manager mit einem breiten Einzelhandelsportfolio profitieren dabei von Kopplungseffekten, speziell in der Vermietung, wenn eine Einzelhandelskette in mehreren Objekten Mieter ist. Die Beziehung zwischen Vermieter und Mieter sollte professionell und partnerschaftlich ausgerichtet sein.

Ansatzpunkte für ESG-Strategien

Institutionelle Investoren prüfen alle Immobiliensegmente zunehmend kritisch hinsichtlich sinnvoller Anknüpfungspunkte für ESG-Strategien. Hier machen Einzelhandelsimmobilien keine Ausnahme, sondern zeigen verschiedene Ansatzpunkte für nachhaltige Investitionen:

  • Erneuerbare Energien: Fachmarktimmobilien verfügen durch ihre bauliche Konzeption häufig über große Dachflächen. Diese
lassen sich gut für die Installation von PV-Anlagen nutzen. Voraussetzung ist eine fachkundige
Einschätzung zur Tragfähigkeit und zu steuerlichen und rechtlichen Anforderungen. Das Potential ist groß. Einzelhandelsimmobilien mit größeren, idealerweise ebenerdigen Parkplatzen bieten Möglichkeiten für die Installation von E-Ladesäulen und damit für die Förderung grüner Mobilität.
  • Nachhaltigkeitszertifizierungen: In der jüngeren Vergangenheit ist eine sukzessive Etablierung von Nachhaltigkeitszertifikaten auch bei Einzelhandelsimmobilien zu beobachten. Diese Entwicklung unterstützt insbesondere Anleger mit einem institutionellen Investmentansatz und ist relevant im Ankauf und beim Umbau.
  • Tenant Engagement: Bei Einzel­handelsimmobilien finden sich häufig Einzelmieter- und Filialstrukturen. Der Investor oder Manager hat damit die Möglichkeit direkt und gezielt auf Großmieter zuzugehen und die gemeinsame Förderung von Nachhaltigkeitsaktivitäten anzusprechen. Gleichzeitig ist das eigene ESG-Engagement bei vielen Mietern im Einzelhandelsbereich bereits stark ausgeprägt, was den Einstieg in gemeinsame Gespräche erleichtert.

Fazit

Einzelhandelsimmobilien bieten sta­bile Mietzahlungen durch häufig langlaufende Mietverträge mit bonitätsstarken Mietern. Die Lagequalitäten, speziell von Immobilien in zentralen Innenstadtlagen oder von baurechtlich geschützten Fachmarktstandorten, sind hoch. Gleichzeitig bieten Einzelhandelsimmobilien eine sinnvolle Diversifikation und Krisenresistenz durch eine geringe Abhängigkeit von der allgemeinen konjunkturellen Entwicklung. Ebenso sind sinnvolle Anknüpfungspunkte zur Umsetzung von ESG-Strategien vorhanden. Und nicht zuletzt ist das Renditeniveau attraktiv und eine stabile Wertentwicklung möglich. Voraussetzung ist ein professioneller Zugang zu dieser Assetklasse mit Fachexpertise und Erfahrung sowie der Aufbau eines breiten und diversifizierten Portfolios.

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