Der deutsche Immobilienmarkt am Scheideweg

27.10.2022

Autor

Bernd Haggenmüller

Bernd Haggenmüller

Senior Managing Director

ARDIAN Germany GmbH

Blogbeitrag

Der deutsche Immobilienmarkt am Scheideweg

Nach einer rund zehnjährigen Boomphase auf dem deutschen und europäischen Immobilienmarkt erleben wir einen Gezeitenwechsel. Die vergangenen Jahre waren gekennzeichnet durch kontinuierlich fallende Finanzierungszinsen und infolgedessen fallende Renditen beziehungsweise steigende Immobilienpreise. Potenziert wurde dieser Effekt durch stark wachsende Mieternachfrage und steigende Mieten. Ein perfektes Umfeld für beinahe alle Formen der Immobilienkapitalanlage.

Beginnend mit der Pandemie kam zum ersten Mal seit Jahren Sand in das Getriebe der Immobilien-Investment- und -Vermietungsmärkte. Die Stimmung auf den Märkten drehte jedoch schnell wieder ins Positive und die Kauflaune in allen Sektoren und Risikoklassen kehrte fast uneingeschränkt zurück. Allerdings zeichnete sich schon ab 2020 eine Veränderung im Nutzerverhalten ab. Im Segment Büroimmobilien suchten Mieter in Reaktion auf die geänderte Arbeitswelt neue Flächen- und Nutzungskonzepte. Logistikimmobilien erfuhren einen bislang ungekannten Nachfrageboom und auch Investments in Wohnungsimmobilien gewannen weiter an Dynamik.

„Nachhaltigkeit“ und „Dekarbonisierung“ kamen immer stärker in den Fokus aller Marktteilnehmer. Die Erwartungen von Kunden und der Gesellschaft einerseits, aber auch die Forderungen der Mitarbeiter nach nachhaltigen Arbeitsplätzten setzen Mieter und Investoren immer stärker unter Druck, klimabewusst zu handeln.

Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine ist nun definitiv eine Zeitenwende, nicht nur geopolitisch, sondern auch auf den Immobilienmärkten, eingetreten.

  • Inflationäre Tendenzen infolge gestörter Lieferketten werden massiv verstärkt durch Russlands Energiekrieg gegen den Westen.
  • In der Konsequenz steigen die kurz- und langfristigen Kapitalmarktzinsen.
  • Immobilienbewertungen in allen Sektoren kommen nach und nach unter Druck.
  • Mieter spüren die Preissteigerungen durch explodierende Betriebskosten und Inflationsklauseln in Mietverträgen.
  • Baukosten erfahren durch Materialknappheit und steigende Arbeitskosten als Auswirkungen des Ukrainekrieges weiteren Aufwärtsdruck.
  • Auch bei den „Corona-Gewinnern“ Wohnungen und Logistik machen sich nun „Bremsspuren“ bemerkbar.
  • Ein neues Preisgleichgewicht zeichnet sich noch nicht ab. Investoren reagieren mit deutlicher Kaufzurückhaltung, aus Sorge vor breiten Preisanpassungen.

Damit endet der zehnjährige Boom auf den Immobilienmärkten. Es zeichnet sich ab, dass es in verschiedenen Bereichen zu Marktbereinigungen kommen wird.

Zahlreiche Transaktionen in der ersten Jahreshälfte konnten nicht oder nur mit Preiszugeständnissen von ca. 10 bis 15 Prozent zum Abschluss gebracht werden. Gebäude, die hohen Nachhaltigkeitskriterien entsprechen, verzeichneten dabei die geringsten Abschläge.

Entwicklung der Büro-Spitzenmieten

Andererseits lassen sich auf den Vermietungsmärkten in allen Bereichen – Wohnen, Gewerbe und Büro – positive Miettrends beobachten.

Insbesondere steigen in allen Top-Märkten die Spitzenmieten für die besten und nachhaltigsten Büroflächen weiter an. Unternehmen wollen damit ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen, aber auch der anhaltende Wettbewerb um die besten Mitarbeiter begünstigt diese Entwicklung.

Diese Nachfrage nach „grünen“ Immobilien bei Mietern wie Investoren bleibt als Lichtblick und wird die kommenden Jahre bestimmen. Immobilien, die den modernen Anforderungen von Nutzern und Käufern nicht gerecht werden, werden dagegen massiv unter Druck geraten.

weitere Informationen

Werden Sie FondsNews-Leser!

Fachartikel, Informationen und Nachrichten der institutionellen Immobilienwirtschaft.

FondsNews

Beitrag teilen

Soziale Netzwerke