ESG-Transformation von Immobilien

10.12.2021

Autor

Carolina von Groddeck

Carolina von Groddeck

Head of Germany

Savills Investment Management

Blogbeitrag

Um die Klimaziele zu erreichen, ist eine echte Kraftanstrengung der Immobilienwirtschaft notwendig. Doch welche Herangehensweise ist für die Umwelt und den einzelnen Investor jeweils am zielführendsten?

Die unangenehme Wahrheit für die Immobilienwirtschaft: Sie ist mit ihren energie- und prozessbedingten Emissionen für fast 40 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich.1 Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens und die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) der Vereinten Nationen (UN) zu erreichen, ist es deshalb entscheidend, den Gebäude- und Bausektor zunehmend zu dekarbonisieren. Dies ist auch der Politik und den Regulierungsbehörden bewusst. Deshalb ist in Zukunft mit einer zunehmend strengeren Regulierung von Immobilienmanagern und -investoren zu rechnen. Die zentrale Frage lautet: Wie reagiert die Branche bestmöglich auf diese Herausforderung?

Neubau nicht zwingend die beste Lösung

Unabhängig von der Gesetzeslage ist die Branche per se gefordert, ihren Bestand auf „ESG-Vordermann“ zu bringen. Investments in Neubauten oder der Abriss alter Gebäude mit anschließendem Neubau mögen sicherlich die einfachsten Lösungen für ein nachhaltiges Immobilienportfolio sein: Neubauten sind meist zertifiziert oder können ohne größere Asset Management-Aktivitäten nachzertifiziert werden. Allerdings bietet dieses Vorgehen nicht den größten Beitrag auf dem Weg hin zur Klimaneutralität des gesamten Immobilienbestands. Denn neu errichtete Objekte, die den aktuellen Nachhaltigkeits-Standards entsprechen, sind aufgrund der hohen Nachfrage und der geringeren Belastung durch zukünftige ESG-Investitionen deutlich teurer, was wiederum das Renditeniveau mindert. Darüber hinaus birgt der meist vorangegangene Abriss von älteren Gebäuden bei geringen Recyclingquoten von Baustoffen und dem signifikanten CO2-Fußabdruck der für den Neubau notwendigen Baumaterialien eine erheblich negative Umweltwirkung – ein Neubau hat gleich zu Beginn einen beachtlichen CO2-Rucksack im Gepäck.

Die Bereitschaft in die Transformation von Immobilien zu investieren, leistet daher einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele der Branche und des eigenen Portfolios. Investitionen in Bestandsimmobilien mit Transformationspotenzial erweitern die Zahl möglicher Investmentopportunitäten über das sehr kompetitive Marktsegment der nachhaltigen Neubauten hinaus. Mit steigenden Kosten für Roh- und Baustoffe kann ein Umbau darüber hinaus wirtschaftlich attraktiver werden als ein Neubau.

Ein signifikantes Potenzial liegt in den allermeisten Fällen in der ESG-Optimierung älterer Immobilien. Die Transformation des Altbestands mag zwar aufwändig sein, ermöglicht aber attraktive Ergebnisse – sowohl im Hinblick auf die Renditen als auch in Sachen Nachhaltigkeit.

Nachhaltige Standards bei Immobilien definieren sich stetig neu

Ein weiterer ökonomischer Vorteil ist, dass die Transformation von Bestandsgebäuden sukzessiv durchgeführt werden kann. Somit können einerseits die Investitionen über den Lebenszyklus der einzelnen Immobilie und das entsprechende Portfolio verteilt werden und Investoren andererseits auf neue Anforderungen auf dem Weg zur CO2-Neutralität reagieren. Wie schnell sich das Marktumfeld ändern kann, zeigt sich beispielsweise darin, dass zuletzt die Bundesregierung das Klimaschutzgesetz deutlich nachschärfen musste. Die Auswirkungen auf die Immobilienwirtschaft sind derzeit noch offen. So sehr aber alle auf konkrete Vorgaben hoffen, so klar ist, dass es noch dauern wird, bis die genauen Vorgaben vorliegen und dass diese auch in Zukunft nie final sein werden, sondern kontinuierlich angepasst werden müssen. Das kann bei der großen Anzahl paralleler Gesetzgebungsinitiativen, die nicht an die EU-Taxonomie gekoppelt sind, kaum vermieden werden. Darüber hinaus werden die Vorgaben der EU national umgesetzt, was wiederum zu unterschiedlichen Produkt- und Marktstandards innerhalb von Europa führen kann.

Zudem entwickelt sich nachhaltige Gebäudetechnik kontinuierlich. Es wird keine finalen Lösungen und Standards geben. Vielmehr wird sich der Marktstandard auch in Zukunft kontinuierlich weiterentwickeln müssen, um den steigenden Anforderungen von nachhaltigem Wirtschaften gerecht zu werden. Entsprechend schützt ein Investment in ein neues Objekt auf dem aktuellen Stand der Bau- und Gebäudetechnik langfristig weder vor Nachhaltigkeitsrisiken noch vor ggf. künftig erforderlich werdenden Investitionskosten. Auf Transformation von Bestandsgebäuden ausgerichtete Investoren sind in der Lage, flexibel auf das sich stetig verändernde Marktumfeld und neue Standards bei nachhaltigen Immobilien zu reagieren. Der Bestandstransformation kommt ökologisch wie ökonomisch eine große Bedeutung zu.

Umfassende Nachhaltigkeit im Großen wie im Kleinen

Ein wichtiger Pfeiler bei nachhaltigen Transformationsprozessen ist das ESG-Monitoring. Nur wenn wir beim Ankauf von älteren Gebäuden beispielsweise den aktuellen Verbrauch einer Immobilie kennen, können wir dem Pfad der CO2-Reduktion des Pariser Abkommens folgen.

Eine „ESG Due Diligence“ ist unabdingbar, um genau zu wissen, wie ein Objekt mit all seinen individuellen Gegebenheiten verbessert werden kann. Anschließend können vom Asset Management die entsprechenden ESG-Optimierungen im Rahmen der mittelfristigen Umsetzung der Investitionsziele umgesetzt werden, die von kleinen Maßnahmen wie dem Austausch der Beleuchtung in stromsparende LED-Leuchten über die Installation von grüner Technologie und Infrastruktur innerhalb eines Objekts bis hin zu größeren Umbauten reichen.

Neben dem ökologischen Verbesserungspotenzial gibt es bei Immobilien auch viele mögliche Maßnahmen, um die soziale Nachhaltigkeit zu steigern. Hierbei sind grundlegende Faktoren der Immobilie selbst sowie des Standorts beispielsweise in Bezug auf Nahverkehr, Nahversorgung und soziale Einrichtungen zu berücksichtigen. Im Zuge einer nachhaltigen Transformation von Altbeständen können Immobilieninvestoren aber auch im Kleinen tätig werden und beispielsweise Sozialräume einrichten, Sozialflächen bei den Grünanlagen integrieren oder Mieter bei der Weiterentwicklung der Immobilien beteiligen. Diese Maßnahmen können einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur sozialen Nachhaltigkeit von Immobilien leisten.

Die dritte Säule einer umfassenden ESG-Transformation betrifft die Berücksichtigung von Governance-Faktoren. Das Auftreten und Verhalten von Unternehmen steht unter Beobachtung. Eine gute Unternehmensführung ist ein entscheidender Faktor für eine positive Reputation. Insofern gehören bei ESG auch der gesellschaftliche Beitrag von Unternehmen, darunter Maßnahmen wie das Definieren und Umsetzen von Werten, zusätzliche Selbstverpflichtungen, das Sicherstellen von Diversität und vieles mehr, unbedingt dazu.

„Netto Null“-Wirtschaft gemeinsam erreichen

Auf dem Weg zur nachhaltigen Immobilienwirtschaft ist es entscheidend, dass alle Marktteilnehmer gemeinsam die ESG-Ziele verfolgen. Immobilien Investment und Asset Manager müssen die ESG-Initiative ergreifen und mit Investoren, Mietern und beauftragten Dienstleistern im engen Austausch stehen. So gilt es beispielsweise Investoren aufzuzeigen, dass bei einem Langfristinvestment in Immobilien die Transformation von guten Bestandsobjekten eine Win-win-Situation für Umwelt und Investor sein kann und in aller Regel sowohl einen größeren Beitrag bei der Erreichung der Klimaziele als auch höhere Renditen und geringere Risiken mit sich bringt. Die Transformation ist je Immobilie individuell und bei der Vielzahl möglicher Ansätze und Maßnahmen ist Know-how und Augenmaß erforderlich. Es ist zu belegen, dass die Vorteile nachhaltiger Objekte häufig überwiegen. Ohne das Verständnis und die gemeinsame Anstrengung aller beteiligten Parteien ist der Wandel zur Klimaneutralität im Immobiliensektor nicht zu bewältigen. Auch weitere Stakeholder wie etwa Bauingenieure und Bauunternehmer müssen mit in die Pflicht genommen werden. Diese können unter anderem mit innovativen Ideen zur CO2-Reduktion sowie der Wahl möglichst nachhaltiger Bauweisen und -stoffe ebenfalls einen gewichtigen Beitrag leisten.

Die nachhaltige Transformation von Immobilien erfordert Investitionen, die aktuell nicht immer in gleichem Umfang zu einem steigenden Verkehrswert, aber zur Reduzierung von Nachhaltigkeitsrisiken und damit in jedem Fall der Wertsicherung führen. Es führt kein Weg daran vorbei, dass die Branche und alle beteiligten Parteien aktiv werden müssen. Unter dem Strich ist bei nicht ESG-konformen Immobilien mittel- bis langfristig mit Wertverlusten, geringeren Mieteinnahmen und damit Renditeverlusten zu rechnen. Im Extremfall kann aus einem Objekt auch wirtschaftlich ein „stranded asset“ werden, das weder verkäuflich noch vermietbar ist. Das größte Potenzial verbirgt sich in der ESG-Transformation von Bestandsimmobilien – und die müssen wir in den kommenden Jahren mit vereinten Kräften angehen.

1 Global Alliance for Buildings and Construction, International Energy Agency and the United Nations Environment Programme (2019): 2019 global status report for buildings and construction: Towards a zero-emission, efficient and resilient buildings and construction sector.

Dies ist ein Auszug aus unserer Publikation ESG Kompakt - Das Magazin für die institutionelle Immobilienwirtschaft zum Thema Nachhaltigkeit, ESG und Circular Real Estate.

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