Immobilien-FondsNews - das Interview mit Birger Ehrenberg (FRICS)

Welche Besonderheiten stellen Sie in der aktuellen Immobilienmarktsituation fest?
Neben der Pandemie-Situation kam als exogener Schock für die Wirtschaft der Ukraine-Krieg hinzu, überlagert noch von der Zins- und Wirtschaftsentwicklung. Gleichzeitig ist die Inflation seit 2021 deutlich zurück. Geändert haben sich deshalb nochmals die Anforderungen an die Bewertungen. Wir müssen genauer denn je hinschauen, gerade auch bei Projektentwicklungen. Denn viele starten immer noch mit der Erwartung auf zukünftige Mietsteigerungen und das muss in Frage gestellt werden.

Wie sieht der BIIS die künftige Branchenentwicklung?
Wir werden uns stärker dem Thema Energiesicherheit widmen müssen. Auch der Energieverbrauch steht erneut im Mittelpunkt, sollte er in den letzten Jahren jemals nicht dort gestanden haben. Die Betrachtung der Kreislaufwirtschaft steigt ebenfalls in der Bedeutung. Auf allen diesen Gebieten drücken zusätzlich die regulatorischen Anforderungen. Nicht jeder Anbieter wird das inhaltlich und formal erfüllen können. Deshalb rechnen wir mit einer Auslese der Akteure.

Wie hat sich die Immobilienbewertung während der Corona-Pandemie verändert?
Zunächst war es natürlich schwierig, weil Besuche vor Ort nicht oder kaum möglich waren, gerade im Ausland. Die virtuelle Welt ist hier kein Ersatz für eine sorgsame Besichtigung der Realität. Einen regelrechten Sprung haben wir allerdings im Einsatz digitaler Instrumente bei allen Sachverständigen erlebt. Wir sind quasi über Nacht in die digitale Transformation geraten und viele BIIS-Mitglieder stellen sich nur noch die Frage, was und wie viel sich noch sinnvoll automatisieren lässt. Eine Herausforderung ist außerdem für jüngere Sachverständige die Krisen-Situation an und für sich. Schließlich liegt die letzte Wirtschaftskrise mit dem Lehman-Crash schon weit über ein Jahrzehnt zurück. Insofern ist die Unterstützung durch Senior-Bewerter von besonderer Bedeutung.

Welche Objekte hatten in den letzten zwei Jahren signifikante Wertänderungen?
Viele Segmente, die nicht im gleichen Maße systemrelevant waren. Dazu zählen einige Einzelhandelsformate, Shopping-Center, Haupteinkaufsstraßen, Gastronomie. Viele dieser Formate waren ehemals die Lieblinge der Investoren, doch Lagen und Zeiten ändern sich und das ganz besonders mit Blick auf die Einkaufsgewohnheiten – Stichwort Online-Handel. Auf der Watchlist ist auch das Hotel-Segment, wobei hier erstaunlich wenig Notverkäufe erfolgten und viele offensive Investoren gerade wieder aktiv sind.

Welche Objekte halten Sie für zukunftstauglich?
Anhand der Megatrends wie der demografischen Entwicklung ist altersgerechtes Wohnen ein Mega-Thema, das gilt speziell beim Angebot passender Seniorenwohnungen im Speckgürtel der Großstädte. Hinzu kommt die industrielle Produktion. Sie wird stärker dezentral erfolgen, um unabhängiger von Lieferketten zu sein. Deshalb sehe ich im Segment Light Industrial Zukunftspotential, sofern der Aufbau modular und drittverwendungsfähig ist.