FondsNews: Das Interview mit Carsten Kreutze
Interviewpartner
Carsten Kreutze
Interview
Das Interview: Heute mit Carsten Kreutze, CEO, Recogizer Group
„Gebäude- und Verbrauchsdaten digital verfügbar machen: das muss schneller gehen“
Wie nehmen Sie die ESG-Veränderungen in der Immobilienwirtschaft wahr?
Grundsätzlich verändert sich die Immobilienwirtschaft eher langsam. Die ESG-Transformation nimmt aber Fahrt auf, auch aufgrund der regulatorischen Rahmenbedingungen und des Drucks aus dem Finanzmarkt.
Die Branche ist dabei sehr unterschiedlich aufgestellt. Manche Immobilienunternehmen fangen gerade erst an, eine ESG-Strategie zu entwickeln, arbeiten womöglich erstmals mit ESG-Dienstleistern und -Beratern zusammen. Andere sind schon weiter und haben ihre Gebäude und Portfolios ESG-Ratings unterzogen mit einem teils sehr ausführlichen Kriterienkatalog.
Wieder andere nutzen bekannte ESGFrameworks schon nicht mehr, weil sie deren Kosten/Aufwand-Nutzen-Verhältnis als nicht ausreichend bewerten. Sie konzentrieren sich lieber auf die Umsetzung konkreter Maßnahmen zur Reduktion des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen.
Was macht die Immobilienwirtschaft nach Ihrer Sichtweise gut, was schlecht?
Positiv ist eindeutig das stärkere Bewusstsein für die Wichtigkeit und Dringlichkeit, Gebäude und Portfolios zu dekarbonisieren und energetisch zu transformieren. Nur, wenn Energieverbrauch und die Emissionen eines Gebäudes sinken und es auch die weiteren Kriterien der EU-Taxonomie erfüllt, wird es ESG-konform und somit zukunftsfähig sein können.
Zu begrüßen ist außerdem, dass sich Immobilienunternehmen vermehrt auf neue, innovative Lösungen einlassen. Diese stellen zum Beispiel Transparenz über die Portfolios her, strukturieren den Dekarbonisierungspfad, begleiten diesen datengestützt und senken ganz automatisch und nachweisbar den Energieverbrauch.
Grundvoraussetzungen für vieles davon sind allerdings digital verfügbare Daten, insbesondere Verbrauchsdaten. Und das dauert eindeutig zu lange.
Smart-Meter-Rollout, Energiezähler digital und in hoher Frequenz auslesbar machen, in Energiemanagementsysteme integrieren, digitale Energieausweise – das ist alles ohne zu großen Aufwand machbar. Das kann und muss schneller gehen.
Manchmal liegt die langsame Umsetzung nicht einmal an technischen Hürden oder mangelnden Personalressourcen, sondern an der fehlenden Investitionsbereitschaft in die Zukunftsfähigkeit von Gebäuden. Manche Unternehmen zögern immer noch – obwohl allen klar sein muss: Nur, wer die Gebäude und Portfolios weiterentwickelt, wird weiterhin erfolgreich sein.
Wodurch kann die ESG-Transformation von Immobilienunternehmen verbessert werden?
Zum einen durch die Umsetzung praktischer Maßnahmen auf Portfolioebene. Transparenz herstellen, Daten digital verfügbar machen, wenig aufwändige Maßnahmen schnell umsetzen, und solche mit langem Planungsvorlauf vorbereiten.
Aber: ESG besteht nicht nur aus der Säule Environmental, sondern auch aus Social und Governance. Diese Punkte betreffen das ganze Unternehmen und gehen über die Betrachtung des Portfolios hinaus.
Für all das braucht es eine stärkere Awareness auf C-Level und im mittleren Management für die ESG-Transformation. Und ein Empowerment derjenigen, die für die Umsetzung verantwortlich sind, damit sie wirklich etwas bewegen können.
Wo liegt der Fokus des Geschäftsmodells von Recogizer?
Unser Fokus liegt darauf, die Immobilienbranche auf ihrem Dekarbonisierungspfad und dem Werterhalt ihrer Portfolios zu unterstützen.
Mit unserer KI-gestützten Regelung der klimatechnischen Anlagen reduzieren wir den Energieverbrauch von Gewerbeimmobilien nachweislich und automatisiert, verhindern Energieverschwendung und stellen den optimalen Anlagenbetrieb und hohen Nutzerkomfort bezogen auf Raumtemperatur und Luftqualität sicher. Die durch uns gemanagten Gebäude verbrauchen im Durchschnitt 28 Prozent weniger Energie im Bereich HLK. Unsere Lösung ist als erste Maßnahme im Bestand umsetzbar, umlagefähig und amortisiert sich in weniger als 24 Monaten.
Welchen Bedarf haben Ihre Kunden?
Das ist unterschiedlich. Für Immobilienkonzerne, die die Gebäude vermieten, geht es viel um Themen wie ESG-Rating, Gebäudezertifizierung, Werterhalt, Verbesserung der Energieeffizienzklassen und Erfüllung gesetzlicher Vorgaben.
Bei Büroimmobilien gibt es zudem die Besonderheit, dass viele Flächen zunehmend unattraktiver für Mieter werden, weil sie energetisch nicht gut aufgestellt sind. Das Kriterium Energieeffizienz bei der Auswahl von Büroflächen wird immer wichtiger. Mieter formulieren einen geringen Energieverbrauch heute als Anforderung. Können Vermieter diese nicht erfüllen, lassen sich die Flächen nicht oder nur zu einem geringeren Preis vermieten.
Unternehmen, die ihre Immobilien selbst nutzen, zum Beispiel Corporate Real Estates oder auch der Einzelhandel, geht es oft in erster Linie darum, die Energiekosten zu senken, um das operative Geschäft zu unterstützen. Das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen spielt aber immer auch eine Rolle.
Was fällt Immobilieninvestoren bei der ESG-Transformation am schwersten?
Eine große Herausforderung ist die Abwägung, bei welchen Immobilien die ESG-Transformation wirtschaftlich sinnvoll und bei welchen es vielleicht schon zu spät ist. Hier helfen Beratungsunternehmen, die analysieren und die Bewertung des Portfolios auf Basis von ESG- und Taxonomie-Kriterien durchführen oder zumindest dabei unterstützen. Die ESG-Transformation muss datengestützt strukturiert und begleitet werden, anders geht es nicht.
Gleichzeitig sollten Daten kein Selbstzweck sein, sondern so erhoben und analysiert werden, dass sie am Ende das Erreichen konkret formulierter Ziele unterstützen.
Wenn Sie „ESG-Präsident“ wären, welche Veränderungen würden Sie kurzfristig umsetzen oder anordnen?
Innerhalb eines Unternehmens: Awareness schaffen für ESG-Initiativen. Konkrete Antworten auf die Frage liefern: Warum machen wir das? Auf politischer Ebene: Unternehmen sollten Transparenz darüber herstellen müssen, welche Klimawirkung ihre Gebäude und deren Betrieb haben – unter anderem mithilfe einer modernen Zähler-Infrastruktur und einem Reportingwesen für die relevanten ESG-Parameter. Das sollte Pflicht sein, am besten sofort.
Wo wird die Immobilienwirtschaft nach Ihrer Erfahrung in der ESG-Transformation 2025 stehen?
Ich vermute, weiterhin im ersten Drittel. Die Dekarbonisierung wird 10-20 Jahre dauern. Manche Immobilienunternehmen rechnen damit, dass der Gesamtenergiebedarf des Portfolios um 60 Prozent sinken muss. Das ist viel, aber schaffbar – zumindest, wenn man jetzt anfängt.
Es gibt schon sehr positive Impulse, ich befürchte aber, dass aufgrund der aktuellen Wirtschaftslage ESG-Themen nicht in der Intensität bearbeitet werden, wie es notwendig ist.
Aber: Einige Player am Markt werden sehr erfolgreich sein, weil sie unabhängig von der aktuellen Situation ihren ESG-Fahrplan umsetzen und investieren.
Carsten Kreutze ist seit 2014 CEO der Recogizer Group. Er gründete das Greentech-Unternehmen mit dem Ziel, den CO2-Ausstoß von Immobilien drastisch zu senken. Die Lösung: Eine selbstlernende Technologie, die klimatechnische Anlagen auf ein neues Effizienzlevel hebt. So werden Energieverbrauch, CO2-Emissionen und Betriebskosten von Gebäuden automatisch und nachweislich reduziert. Mit dem Branchenvorreiter Recogizer leistet Carsten Kreutze einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung des Immobiliensektors.
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