Auswirkungen der OffenlegungsVO auf Bestandsfonds

11/09/2021

Autor

Cüneyt Andac

Cüneyt Andac

Rechtsanwalt

Sozietät King & Spalding

Blogbeitrag

Es gibt kaum ein Thema, das den deutschen Immobilienkapitalmarkt seit Ablösung des Investmentgesetzes durch das KAGB in 2013 so sehr beschäftigt hat, wie aktuell das Thema Sustainable Finance. Mit der Annahme des Pariser Klimaschutzübereinkommens und der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung im Jahr 2015 entschieden sich die Regierungen aus der ganzen Welt, einen nachhaltigeren Weg für unseren Planeten und unsere Wirtschaft zu beschreiten.

Im Mittelpunkt der UN-Agenda 2030 stehen 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG). Auf der Grundlage des Pariser Klimaschutzübereinkommens und der UN-Agenda 2030 hat die Europäische Kommission im März 2018 einen Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums veröffentlicht. Der Aktionsplan zielt insbesondere darauf ab,

  1. die Kapitalflüsse auf nachhaltige Investitionen umzulenken, um ein nachhaltiges und integratives Wachstum zu erreichen,
  2. finanzielle Risiken, die sich aus dem Klimawandel, der Ressourcenknappheit, der Umweltzerstörung und sozialen Problemen ergeben, zu bewältigen und
  3. Transparenz und Langfristigkeit in der Finanz- und Wirtschaftstätigkeit zu fördern.

In Umsetzung des Aktionsplans wurden bisher einige Maßnahmen durchgeführt, insbesondere in Form europäischer Gesetzgebung einige Verordnungen erlassen, die als verbindliche Rechtsakte in allen EU-Ländern unmittelbar gelten. Neben weiteren Verordnungen ist dies vor allem die Verordnung (EU) 2019/2088 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor („OffenlegungsVO“), die generell seit dem 10. März 2021 gilt.

Da die OffenlegungsVO nicht zwischen neu aufgelegten und bestehenden AIF unterscheidet, sondern beide unter die Definition des Finanzprodukts nach Art. 2 Nr. 12 (ii) OffenlegungsVO fasst, stellt sich für die betroffenen Finanzmarktakteure die wichtige Frage, welche Transparenzpflichten nach der OffenlegungsVO in Bezug auf Immobilienfonds gelten und somit zu beachten sind, die zum 10. März 2021 bereits aufgelegt waren („­Bestandsfonds“). Da diese Frage in der OffenlegungsVO nicht für alle Fälle ausdrücklich beantwortet wird, ist der Anwendungsbereich der jeweiligen Transparenzpflichten auch durch Auslegung zu ermitteln. Der vorliegende Beitrag gibt hierzu einen Überblick, wann welche Transparenzpflichten in Bezug auf Bestandsfonds sinnvollerweise anwendbar sein sollten.

Transparenz über vorvertragliche Informationen

Die Transparenzpflichten nach der OffenlegungsVO beziehen sich teilweise auf Unternehmens- und teilweise auf Produktebene, wobei die Informationspflichten zum Teil über die jeweiligen Internetseiten der Verpflichteten und zum Teil über vorvertragliche Informationen sowie in regelmäßigen Berichten zu erfüllen sind.

Klärungsbedürftig für Bestandsfonds sind hier die Transparenzpflichten auf Produktebene und in diesem Zusammenhang insbesondere diejenigen in vorvertraglichen Informationen. Denn die vorvertraglichen Informationspflichten nach Art. 6 (nicht nachhaltige Finanzprodukte im Sinne der OffenlegungsVO), Art. 8 (sog. ESG-Strategieprodukte) und Art. 9 (sog. Impact-Produkte) OffenlegungsVO sind nicht etwa in einem separaten Dokument zu erfüllen; vielmehr haben AIFM die nach der OffenlegungsVO geforderten Informationen in genau dem Dokument offenzulegen, in dem sie auch ihre nach dem KAGB vorgesehenen vorvertraglichen Informationspflichten gegenüber potentiellen Anlegern erfüllen müssen, nämlich im Verkaufsprospekt bzw. im Informationsdokument nach § 307 Abs. 1 KAGB (siehe Art. 6 Abs. 3 lit. a) OffenlegungsVO, der allerdings rechtstechnisch nicht auf das KAGB, sondern auf die AIFM-RL verweist).

Für die Beantwortung der Frage, ob bzw. unter welchen Umständen Bestandsfonds die Informationen nach Art. 6, 8 und 9 OffenlegungsVO offenlegen müssen, ist somit entscheidend, ob überhaupt noch ein Verkaufsprospekt bzw. ein Informationsdokument nach § 307 Abs. 1 KAGB zur Verfügung gestellt werden müssen. Dies richtet sich aber nicht nach den Vorgaben der OffenlegungsVO, sondern nach den allgemeinen Regelungen im KAGB in Umsetzung der AIFM-RL.

Danach sind einem erwerbsinteressierten Privatanleger der Verkaufsprospekt (§ 297 Abs. 2 S. 2 KAGB) bzw. einem erwerbsinteressierten professionellen oder semiprofessionellen Anleger das Informationsdokument nach § 307 Abs. 1 KAGB vor Vertragsschluss zur Verfügung zu stellen. Das Zurverfügungstellen dieser Dokumente setzt somit eine Erwerbssituation voraus. Daraus folgt: Werden Anteile an dem in Rede stehenden Bestandsfonds seit maßgeblichen Datum des 10. März 2021 noch weiterhin vertrieben, müssen das Verkaufsprospekt bzw. das Informationsdokument nach § 307 Abs. 1 KAGB die einschlägigen Transparenzanforderungen nach Art. 6, 8 und 9 OffenlegungsVO beachten, so dass die Dokumente entsprechend anzupassen bzw. zu ergänzen sind. Im offenen Publikumsfondsbereich, in dem grundsätzlich zeitlich unbegrenzte Vertriebsaktivitäten stattfinden, wird dies regelmäßig zu beachten sein.

Hingegen sind im Spezialfondsbereich die Beendigung von Vertriebsaktivitäten die Regel, sobald der Fonds ausplatziert ist. Werden hier keine weiteren Anteile mehr zum maßgeblichen Datum des 10. März 2021 zum Erwerb angeboten (weder an neue Anleger noch an Bestandsanleger), gibt es keine erwerbsinteressierten professionellen oder semiprofessionellen Anleger, denen das Informationsdokument nach § 307 Abs. 1 KAGB vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt werden müsste.

Allerding darf dies allein noch nicht zu der voreiligen Schlussfolgerung führen, dass dann die Transparenzpflichten nach Art. 6, 8 und 9 OffenlegungsVO unbeachtlich seien. Vielmehr sind die individuellen Umstände des jeweiligen Einzelfalls in die rechtliche Würdigung miteinzubeziehen. Denn nach § 307 Abs. 1 S. 2 KAGB sind dem Anleger auch alle wesentlichen Änderungen der Angaben im Informationsdokument nach § 307 Abs. 1 KAGB zur Verfügung zu stellen. Zwar sind weder im KAGB noch in der zugrundeliegenden AIFM-RL Klarstellungen enthalten, welche Änderungen wesentlich sind, doch dürfte dies nach Ansicht der Literatur regelmäßig dann der Fall sein, wenn die Änderungen für einen rational handelnden Anleger für seine Anlageentscheidung von Bedeutung sind. Wird die Anlagestrategie eines Spezialfonds nicht geändert (z.B., weil der Spezialfonds sowohl vor als auch nach dem 10. März 2021 keine Nachhaltigkeitsrisiken bei den Investitionsentscheidungen berücksichtigt oder weil der Spezialfonds die für ihn relevanten Nachhaltigkeitsrisiken bereits vor dem 10. März 2021 als Teil seiner Anlagestrategie berücksichtigt hat), können keine wesentlichen Änderungen der Angaben im Informationsdokument nach § 307 Abs. 1 KAGB vorliegen, die dem Anleger zur Verfügung gestellt werden müssten.

Zwar müssen auch Spezialfonds, die als nicht nachhaltige Finanzprodukte im Sinne von Art. 6 OffenlegungsVO zu qualifizieren sind, in den vorvertraglichen Informationen Erläuterungen über die Art und Weise, wie Nachhaltigkeitsrisiken bei ihren Investitionsentscheidungen einbezogen werden, abgeben, und über die Ergebnisse der Bewertung der zu erwartenden Auswirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken auf die Rendite der Finanzprodukte aufklären (wenn die Finanzmarktteilnehmer Nachhaltigkeitsrisiken als nicht relevant erachten, so ist eine klare und knappe Begründung dafür zu liefern). „Nachhaltigkeitsrisiken“ sind nach Art. 2 Nr. 22 OffenlegungsVO Ereignisse oder Bedingungen aus den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung, deren Eintreten tatsächlich oder prinzipiell wesentliche negative Auswirkungen auf den Wert der Investition haben könnten. Allerdings sieht die BaFin „Nachhaltigkeitsrisiken“ als keine separate Risikoart an; vielmehr sollen „Nachhaltigkeitsrisiken“ auf alle bekannten Risikoarten erheblich einwirken und als Faktor zur Wesentlichkeit dieser Risikoarten beitragen können. Da Hinweise auf die bekannten Risikoarten im Informationsdokument nach § 307 Abs. 1 KAGB eines bestehenden Spezialfonds aber ohnehin bereits enthalten und auch bei den Renditeprognosen bereits berücksichtigt sind (bzw. sein sollten), kann im Regelfall die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisken nur schwer als eine wesentliche Änderung verstanden werden.

Stellt ein Spezialfonds hingegen seine Anlagestrategie dergestalt um, dass zukünftig erstmals auch Nachhaltigkeitsrisken zu berücksichtigen sind, bedarf es einer umfassenden Prüfung, um zu entscheiden, ob den Anlegern ein angepasstes Informationsdokument nach § 307 Abs. 1 KAGB zur Verfügung zu stellen ist. Ein extremes Beispiel für das Vorliegen einer wesentlichen Änderung wäre sicherlich ein Spezialfonds, der in der Vergangenheit strak renditegetrieben war und zukünftig als ein Impact-Produkt nach Art. 9 OffenlegungsVO nachhaltige Investitionen im Sinne des Art. 2 Nr. 17 OffenlegungsVO (Art. 9 Abs. 1 und 2 OffenlegungsVO) oder die Reduzierung der CO2-Emission (Art. 9 Abs. 3 OffenlegungsVO) anstrebt und bereits absehbar ist, dass die in der Vergangenheit erzielten Renditen zukünftig nicht mehr realistisch sind. In einem solchen Fall müssen dann selbstverständlich auch die Transparenzpflichten nach Art. 9 OffenlegungsVO beachtet werden.

Transparenz auf Internetseiten und in regelmäßigen Berichten

Von der Frage, ob Bestandsfonds ihre Verkaufsprospekte bzw. Informationsdokumente nach § 307 Abs. 1 KAGB anzupassen haben, ist die Frage zu unterscheiden, ob bzw. welche Informationen bezüglich der Bestandsfonds auf der Internetseite des jeweiligen AIFM zu veröffentlichen und in den regelmäßigen Berichten zu erläutern sind.

Nach Art. 10 Abs. 1 OffenlegungsVO haben AIFM, die ESG-Strategieprodukte nach Art. 8 OffenlegungsVO oder Impact-Produkte nach Art. 9 OffenlegungsVO verwalten, bestimmte Informationen auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen und diese Informationen laufend zu aktualisieren. Offenzulegen sind danach

  • eine Beschreibung der ökologischen oder sozialen Merkmale oder des nachhaltigen Investitionsziels;
  • Angaben zu den Methoden, die angewandt werden, um die ökologischen oder sozialen Merkmale oder die Auswirkungen der für das Finanzprodukt ausgewählten nachhaltigen Investitionen zu bewerten, zu messen und zu überwachen, unter anderem Angaben zu den Datenquellen, zu den Kriterien für die Bewertung der zugrunde liegenden Vermögenswerte sowie zu den relevanten Nachhaltigkeitsindikatoren, die zur Messung der ökologischen oder sozialen Merkmale oder der Gesamtnachhaltigkeitsauswirkungen des Finanzprodukts herangezogen werden;
  • die in den Art. 8 und 9 OffenlegungsVO genannten Informationen; und
  • die in Art. 11 OffenlegungsVO genannten Informationen.

Daneben haben nach Art. 11 Abs. 1 und 2 OffenlegungsVO die AIFM im Jahresbericht eines ESG-Strategieprodukts offenzulegen, inwieweit die ökologischen oder sozialen Merkmale erfüllt wurden. Im Jahresbericht eines Impact-Produkts, bei dem kein Index als Referenz­wert bestimmt wurde, ist die Gesamtnachhaltigkeitswirkung des Finanzprodukts, belegt durch relevante Nachhaltigkeitsindikatoren zu erläutern; wurde hingegen ein Index als Referenzwert bestimmt, ist ein Vergleich der Gesamtnachhaltigkeitswirkung des Finanzprodukts mit den Wirkungen des bestimmten Indexes und bei Zugrundelegung eines breiten Marktindex anhand von Nachhaltigkeits­indikatoren zu erläutern.

Sowohl die Transparenzanforderungen auf Internetseiten nach Art. 10 OffenlegungsVO als auch die Transparenzanforderungen an regelmäßige Berichte nach Art. 11 OffenlegungsVO knüpfen nur an das Vorliegen eines ESG-Strategieprodukts oder eines Impact-Produkts an; ob der Verkaufsprospekt bzw. das Informationsdokument des jeweiligen Bestandsfonds anzupassen gewesen sind, spielt hierbei keine Rolle. Entscheidend ist allein die Qualifizierung als ESG-Strategieprodukt oder als Impact-Produkt.

Fazit und Ausblick

Auch wenn die OffenlegungsVO klare Regelungen zur Anwendbarkeit der Transparenzpflichten auf Bestandsfonds vermissen lässt, werden sich mit etwas juristischem Feingespür sinnvolle Abgrenzungskriterien finden lassen, die den betroffenen Finanzmarktakteuren entsprechende Hilfestellung bieten können.

Dies ist ein Auszug aus unserer Publikation ESG Kompakt - Das Magazin für die institutionelle Immobilienwirtschaft zum Thema Nachhaltigkeit, ESG und Circular Real Estate.

Beitrag teilen

Soziale Netzwerke