Immobilien-FondsNews - das Interview

02/28/2022

Interviewpartner

Prof. Dr. Kerstin Hennig

Prof. Dr. Kerstin Hennig

Leiterin des Real Estate Management Institutes

EBS Universität für Wirtschaft und Recht

Interview

Das Interview: Heute mit Prof. Dr. Kerstin Hennig, Leiterin des Real Estate Management Institutes EBS Universität für Wirtschaft und Recht

Was erwartet die Immobilienbranche im Jahr 2022?

Wir erwarten für 2022 ein ähnlich gutes Jahr für die Branche wie 2021. Im letzten Jahr lagen wir bspw. bei Neuinvestitionen über dem Durchschnitt der letzten 10 Jahre. Allerdings werden die Preise weiter steigen und damit kommen wir zu dem großen Aber. Jeder Blick auf das Jahr 2022 steht unter mehreren Vorbehalten, insbesondere mit Blick auf die Inflationsentwicklung aber auch politisch und gesellschaftliche relevante Faktoren.

Welche Faktoren werden diese Entwicklung maßgeblich beeinflussen?

Die Immobilienmärkte sind nach wie vor in guter Verfassung. Die Konjunktur zeigt sich in der Pandemie robuster als erwartet. Allerdings bewegen uns die Themen Kostenanstieg und Inflation. Grundsätzlich profitieren Sachwertanlagen wie Immobilien von solchen Situationen, doch sollte es zu einer Lohn-Preis-Spirale kommen, wird die Konjunktur erheblich belastet und das führt letztlich zu einer nachzyklisch negativen Reaktion der Immobilienmärkte. Hinzu kommen noch die Faktoren Umwelt und ESG, die aufgrund der EU-Taxonomie auch in 2022 weiter an Fahrt gewinnen. Da die Mehrheit der Immobilien im Bestand nicht ESG kompatibel sind, stehen wir hier vor gewaltigen Aufgaben – und Investitionen.

Laufen wir Gefahr, dass Investoren mangels Alternativen mehr Kapital in Immobilien investieren als auf der Nutzer-/Nachfragerseite absorbiert werden kann?

Die Investitionsmöglichkeiten in Immobilien sind vielseitig und fächern sich weiter auf. Die Nettoabsorption von modernen Mietflächen ist im Bürobereich insgesamt weiter erfreulich; auch profitiert der Büromarkt noch von der hohen Nachfrage der Vergangenheit. Wohnimmobilien laufen ohnehin konjunkturunabhängig und der Bedarf ist abseits des Luxus-Segmentes weiter deutlich größer als das Angebot. Auch finden zunehmend Investments ihren Weg in Pflege-, Senioren- und Gesundheitsimmobilien, die der Asset Klasse Wohnen sehr nah sind und aufgrund der demografischen Situation zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Welche Trends bei den Nutzungsarten werden sich in diesem Jahr verstärken?

Im Wohnbereich werden wir demografische Effekte weiter spüren. Seniorengerechtes Wohnen wird immer wichtiger, Gesundheitsimmobilien stehen klar im Fokus, aber auch Mehr-Generationen-Wohnen gewinnt an Bedeutung. Aufgrund der Trends hin zu hybridem Arbeiten, werden die Grenzen und Übergänge zwischen Wohnen und Arbeiten immer fluider, was sich wiederum in der Gestaltung und Nutzung beider Flächen äußern wird. Auch führt hybrides Arbeiten zu einem stärkeren Bedarf an Rechenzentren – eine wesentliche Voraussetzung für das remote working. Über alle Nutzungsarten hinweg wird sich jedoch der Preisauftrieb bemerkbar machen und auf der Immobilienseite werden wir weiter unter dem Fachkräftemangel leiden. Gerade der Bau wird aus unserer Sicht stärker denn je zu einem Flaschenhals.

Ein Blick in die Glaskugel: Wie lange wird der Immobilien-Boom noch anhalten?
In Abhängigkeit von der Zinsentwicklung wird sich in naher Zukunft wenig an der Immobiliennachfrage ändern. Dabei kommen neben kritischen Faktoren auch viele positive Dinge auf uns zu. In den Städten tut sich gerade sehr viel, zukünftig wird der Fokus stärker auf Menschen und Umweltthemen statt auf autogerechte Städte gelegt. Social Impact-Investitionen werden eine zunehmend relevante Rolle spielen. Unter dem Strich wird 2022 (noch) ein wirklich gutes Jahr für die Immobilienwirtschaft.

Prof. Dr. Kerstin Hennig ist Leiterin des EBS Real Estate Management Institutes an der EBS Universität. Sie lehrt und forscht auf dem Gebiet der Immobilienökonomie mit den Schwerpunkten Real Estate Innovation & Entrepreneur- and Leadership, Real Estate Sustainability sowie Real Estate Major Future Trends. Ihre bisherigen beruflichen Stationen waren unter anderem bei debis Immobilienmanagement, Tishman Speyer, UBS, IVG Immobilien sowie Groß & Partner.

Beitrag teilen

Soziale Netzwerke