US-Multifamily und deutsche Wohnanlagen im Vergleich

07/16/2024

Autor

Dr. Christoph Pitschke

Dr. Christoph Pitschke

Managing Partner GAR

German American Realty

Blogbeitrag

US-Multifamily und deutsche Wohnanlagen im Vergleich

Durch Mehrfamilienhäuser wird für einen großen Teil der Bevölkerung das elementar wichtige Grundbedürfnis einer Wohnung gedeckt. Im Rahmen der Corona-Pandemie ist die Bedeutung der Wohnung im allgemeinen Bewusstsein gestiegen. Gleichzeitig ist der Wohnflächenbedarf durch die Änderung der Arbeitswelt hin zu mehr Homeoffice gewachsen.

Investoren bieten Investitionen in Mietwohnungsbestände einen granularen und langfristig stabilen Zahlungsstrom. Dabei sind Wohnimmobilien entsprechend weniger abhängig von der konjunkturellen Entwicklung als Gewerbeimmobilien. Auch disruptive Faktoren, wie sie die fortschreitende Digitalisierung und Künstliche Intelligenz mit sich bringen, führen eher zu Nachfrageveränderungen im Markt für Gewerbeimmobilien.

Vor diesem Hintergrund stehen Investitionen in Mietwohnanlagen in Deutschland als auch in den USA zunehmend im Fokus. In den USA hat dieses so genannte Multifamily-Segment in den letzten Jahren stetig an Bedeutung gewonnen, was auch durch steigende Transaktionsvolumen reflektiert wird. So entfielen im vergangenen Jahr in den USA 35% der gesamten US-Immobilientransaktionen auf das Multifamily-Segment.

Obwohl es sich grundsätzlich um das gleiche Investment-Segment handelt, gibt es große Unterschiede zwischen Mietwohnanlagen in den USA und Deutschland. Darüber hinaus unterscheiden sich auch die jeweiligen Märkte, was die Datenverfügbarkeit, Markttransparenz, soziodemographische Faktoren und die volkswirtschaftliche Perspektive betrifft.

US Multifamily

In den USA gibt es aktuell 131 Millionen Haushalte.1 Hiervon sind 44,1 Millionen Mieterhaushalte und auf das Segment der Mehrfamilienhäuser (Multifamily) entfallen 18 Millionen Mieteinheiten. Die Wohneigentumsquote liegt in den USA derzeit bei etwa 65%. Insbesondere große Apartmentanlagen verfügen meistens über ausgeprägte Ausstattungsmerkmale. Neben Küchen und Klimaanlagen bieten sie häufig zusätzliche Gemeinschaftsanlagen wie Swimmingpools, Grill-Plätze, Dog Parks, Business Center, Kinderspielplätze sowie Fitness Räume. Diese werden auch als „Amenities“ bzw. als Annehmlichkeiten bezeichnet, die den Mietern bereitgestellt werden.

Für die Mieter ist daher die Nutzung dieser Amenities mit der Zahlung der Bruttomiete inbegriffen. Die Eigentümer erhalten diese Bruttomiete (Gross Rental Income) und tragen alle anfallenden Anschaffungs- und Betriebskosten (operating expenses). Diese Kosten umfassen auch die Grundsteuer und Versicherungskosten, die vom Eigentümer getragen werden. In der Regel werden nur die verbrauchsabhängigen Betriebskosten direkt mit dem Mieter abgerechnet. Die für den Eigentümer maßgebliche Kennzahl ist daher das Nettoergebnis nach allen Bewirtschaftungskosten, das so genannte Net Operating Income. Die Mietvertragslaufzeit beläuft sich normalerweise auf ein Jahr, was je nach Marktsituation beidseitig zu einer entsprechenden Anpassung der Miete führen kann.

Multifamily-Anlagen bis zu 4 Stockwerken werden meist in Holz-Rahmenbauweise gebaut. Eine Unterkellerung findet in der Regel nicht statt. Unter der Prämisse, dass keine Renovierungsmaßnahmen durchgeführt werden, kann von einer wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer von etwa 50 Jahren ausgegangen werden.

Deutsche Mehrfamilienhäuser

In Deutschland befinden sich von insgesamt 43 Mio. Wohnungen 52,5% bzw. 22 Mio. Wohnungen in Mehrfamilienhäusern. Die Wohneigentumsquote in Deutschland liegt bei 47%.2

Einbauküchen werden seitens des Vermieters meist nicht eingebaut und mitvermietet. Gemeinschaftsanlagen/ Annehmlichkeiten werden in der Regel lediglich in Form von Kinderspielplätzen und Wäscheräumen zur Verfügung gestellt. Die Betriebskostenverordnung (BetrKV) regelt die Umlegbarkeit von Nebenkosten. Verbrauchsabhängige Betriebskosten und auch Bewirtschaftungskosten werden nach §1 der BetrKV auf die Mieter umgelegt. Der Teil der nicht umlagefähigen Nebenkosten ist daher relativ gering.

Die Konstruktion von Mehrfamilienhäusern wird hauptsächlich in Betonbauweise und Mauerwerksbau aufgeführt. Eine Vollunterkellerung ist die Regel. Unter der Prämisse, dass keine Renovierungsmaßnahmen durchgeführt werden, kann von einer wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer von 70 bis 100 Jahren ausgegangen werden.

Bestimmungsfaktoren für die Rendite

Die wesentlichen Bestimmungsfaktoren für die Rendite einer Investition in Mehrfamilienhäuser sind:
 

  1. Wohnungsnachfrage- und Wohnungsangebot
     
  2. Kaufkraft und Arbeitsplatzangebot
     
  3. Volkswirtschaftliche Entwicklung
     

Diese sind für deutsche als auch für US-amerikanische Wohnanlagen gleichermaßen bedeutend.

Die Wohnungsnachfrage wird maßgeblich durch soziodemographische Parameter, wie die Altersstruktur, die Anzahl der Haushalte und auch die demographische Entwicklung bestimmt. 3 So ist das Alter der Bevölkerung ein wichtiger Indikator für die Art der Wohnungsnachfrage. Der Altersmedian liegt in Deutschland aktuell bei 47 Jahren. 4 Alten gerechtes Wohnen und Ebenerdigkeit spielen eine zunehmend wichtige Rolle. In den USA liegt der Altersmedian bei 38 Jahren. 5 Die Flächennachfrage ist geprägt durch Haushaltsgründungen und durch eine entsprechend hohe Konsumnachfrage.

Die aktuelle Bevölkerung Deutschlands liegt derzeit bei etwa 83,3 Millionen. Hiervon leben etwa 77% in Metropolregionen. Vom statistischen Bundesamt wird vorausberechnet, dass die deutsche Bevölkerung bis 2050 auf etwa 79 Millionen schrumpfen wird. Neben der fortscheitenden Alterung verdeutlichen diese Zahlen die demographischen Herausforderungen, denen Deutschland in den kommenden Jahrzehnten gegenübersteht.

Betrachtet man hingegen die Bevölkerungsentwicklung der USA, so ist ein stetiger Zuwachs erkennbar. Allein zwischen 2015 und 2020 wuchs diese von rund 320 Mio. auf heute 340 Mio. Einwohner. 6 Dieser Trend wird sich nach Prognosen des US Census Bureaus fortsetzen. Bis 2050 wird die US-Bevölkerung voraussichtlich 375 Mio. Einwohner umfassen. Bereits heute gibt es 50 US-Metropolen mit über einer Millionen Einwohnern. Bei vielen dieser Städte liegt der prognostizierte Bevölkerungszuwachs von 2020 bis 2035 zwischen 10,7% und 36,1%.7 Ausgewählte deutsche Großstädte wachsen im direkten Vergleich in deutlich geringerem Ausmaß.

Abbildung 2: Bevölkerungsentwicklung bis 2050 im Vergleich

Quelle: US Census Bureau / Statista

Abbildung 3: Bevölkerungswachstum ausgewählter Städte von 2020 bis 2035 im Vergleich

Quelle: MacroTrends / Statistisches Bundesamt

Haushaltszahlen

Neben der Bevölkerungsentwicklung ist ein weiterer nachfragerelevanter Faktor die Anzahl der Haushalte. Denn letztendlich treten nicht Einzelpersonen als Nachfrager nach Wohnraum auf, sondern Haushalte. Die Bevölkerungsentwicklung hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Anzahl der Haushalte. Seit dem Jahr 2000 ist diese in Deutschland um rund 8,4% auf 41,3 Mio. gestiegen.8 Und auch bis 2035 wird dieser Trend voraussichtlich weiter anhalten. Bis dahin wird sich die Anzahl der privaten Haushalte auf 43,2 Millionen belaufen, ein Plus von 4,6%. Unter Berücksichtigung der eher stagnierenden Bevölkerungsentwicklung erscheint dies im ersten Augenblick nicht logisch. Der Grund für diese Entwicklung ergibt sich aus dem steigenden Trend hin zu SingleHaushalten. Gemäß einer GfK-Studie liegt der Anteil von Single-Haushalten bei 39,3%.9 Da dieser Trend intakt ist, ist davon auszugehen, dass die Nachfrage nach Wohnraum bis 2035 relativ konstant bleibt.

In den USA ist die Zahl privater Haushalte von etwa 105 Mio. (2000) auf aktuell 129 Mio. angestiegen. Und dieser Wachstumstrend hält an. Bis 2035 steigt die Anzahl voraussichtlich weiter um etwa 15%, sodass bis dahin voraussichtlich 150 Mio. Haushalte in den USA existieren werden. Zudem wächst die Bevölkerungsgruppe im so genannten „prime renter age“ (20-34 Jahre) in Zukunft weiter an, was mit Haushaltsgründungen einhergeht.

Abbildung 4: Entwicklung der privaten Haushalte bis 2035

Quelle: US Census Bureau / Statista

Mietrechtliche Rahmenbedingungen

In Deutschland ist das Mietrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Wohnungsmietverträge werden meist auf unbestimmte Zeit geschlossen. Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis nach den gesetzlichen Vorschriften kündigen. Während der Mieter mittels einer ordentlichen Kündigung das Recht besitzt, jederzeit und mit einer Frist von drei Monaten zu kündigen, kann der Vermieter dem Mieter nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Als berechtigtes Interesse gelten unter anderem schuldhaftes Verhalten des Mieters und eine Kündigung wegen Eigenbedarf. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist gesetzlich untersagt. Außerdem sind die Bundesregierung und einige Länderregierungen seit Jahren bestrebt, mittels gesetzlicher Mietpreisobergrenzen (Mietpreisbremse/Mietendeckel) den Mietanstieg einzudämmen.

Dementgegen steht das Mietrecht in den Vereinigten Staaten, welches sich im so genannten Case Law grundlegend von dem der Bundesrepublik unterscheidet. Die gesetzliche Regelungsdichte ist geringer als in Deutschland. Das gilt insbesondere in den südlichen US-Bundestaaten (Sunbelt).

Abbildung 5: Vergleichende Gegenüberstellung

Quelle: Eigene Darstellung

Fazit

Zwischen deutschen und US-amerikanischen Wohnanlagen bestehen zahlreiche Unterschiede bezüglich Bauweise, Ausstattung, mietvertraglichen Gepflogenheiten, Mietrecht und Marktgegebenheiten. Durch die hohe gesetzliche Regulierungsdichte, starken Mieterschutz und eher unvorteilhaften Prognosedaten ist die langfristige Perspektive deutscher Mietwohnanlagen aus Investorensicht differenziert zu betrachten.

Der amerikanische Wohnimmobilienmarkt, ist durch eine starke Bevölkerungsdynamik und steigende Haushaltszahlen geprägt. Auch die Wirtschaftsstruktur und insbesondere die vergleichsweise liberale Gesetzgebung in den meisten Bundesstaaten führt zu einer Attraktivität für Investoren.

Multifamily-Wohnanlagen bieten Mietern im Vergleich zu deutschen Mehrfamilienhäusern umfangreichere Annehmlichkeiten und Komfort. Dabei sind Mietlaufzeiten in der Regel auf ein Jahr befristet. Dies gewährt beidseitige Unabhängigkeit und Flexibilität. Dem Vermieter bietet dies zudem die Möglichkeit, bei Neuvermietungen eine Anpassung der Miethöhe vorzunehmen, was einen guten Inflationsschutz mit sich bringt.

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