Von Tokyo lernen heißt Resilienz lernen

11/24/2023

Autor

Amir Darabi

Amir Darabi

Head of Institutional Sales
and Investor Relations

BNP Paribas Real Estate Investment Management Germany

Blogbeitrag

Von Tokyo lernen heißt Resilienz lernen

Städte in Deutschland haben sich vielen Herausforderungen zu stellen. Demografischer Wandel, klimatische Veränderungen, chronischer Wohnungsmangel und weiter zunehmende Urbanisierung erfordern zukunftsweisende Weichenstellungen. Angesichts der Dringlichkeit der Aufgaben sind aber auch smarte und schnell umsetzbare Lösungen vonnöten. Dafür zeigen die Megametropole Tokyo und der dortige Wohnungsmarkt einige gute Beispiele.

In der japanischen Metropolregion der Superlative leben auf engem Raum 38 Millionen Menschen, fast halb so viele wie in Deutschland. Mehr als 30 Prozent des japanischen Bruttoinlandsprodukts wird in Tokyo erwirtschaftet. Die konzentrierte Wirtschaftskraft sorgt für stetigen Zuzug, entsprechend große Nachfrage nach Wohnraum und steigende Mieten. Der Wohnraummangel ist so eklatant, dass Familien, die aus der Kernstadt wegziehen, sogar eine Grundförderung angeboten wird.

Entsprechend attraktiv ist nicht nur die Kernstadt Tokyo für Investoren, sondern der gesamte Großraum Kento.

Wer in Tokyo und Umgebung lebt, muss zumeist mit deutlich weniger Platz auskommen als in Mitteleuropa. Wohnungen haben oft weniger als 50 Quadratmeter – für eine vierköpfige Familie, Single-Haushalte häufig weniger als 20 Quadratmeter. Wohnen und Schlafen konzentrieren sich auf einen einzigen Raum. Das erfordert Effizienz und Einfallsreichtum bei der Wohnraumgestaltung. Klein und kompakt, aber auch flexibel ist daher die Devise japanischer Architekten. In Deutschlands größter Stadt Berlin hingegen verbrauchen Einwohner mit 39 Quadratmetern pro Kopf rund doppelt so viel Platz wie in Tokyo.

Nicht zuletzt infolge von Corona und angesichts der teils sehr langen Pendlerwege hat sich auch unter Japanern das Homeoffice stärker verbreitet. Hinzu kommt ein langsamer Mentalitätswandel bei Arbeitnehmern: Work-Life-Balance ist auch dort kein Fremdwort mehr. Die Folge ist der Wunsch und ein grundsätzlicher Trend hin zu etwas größeren Wohnungen, was die hohe Wohnungsnachfrage zusätzlich antreibt.

Um mit dieser Anforderung umzugehen, entwickeln Tokyoter Entwickler flexible und moderne Raumkonzepte. So rückt der öffentliche Raum vermehrt in den Fokus, um Aufenthaltsflächen wie Wohnzimmer oder Esszimmer auszulagern und so kostbaren Wohnraum zu sparen. Auch für einen eigenen Arbeitsbereich sind die meisten Wohnungen immer noch zu klein. In vielen Wohnanlagen werden deshalb separate Workspaces eingerichtet, die die Bewohner bei Bedarf buchen können, um dort in Ruhe und ohne langes Pendeln arbeiten zu können. In Deutschland sind solche Angebote noch ein Nischenprodukt, die Folge: Ein hoher Flächenverbrauch, der auf Nutzungen entfällt, die sich gut in den öffentlichen Raum auslagern lassen.

Angesichts der rasant voranschreitenden Alterung der Gesellschaft – gut ein Viertel der Japaner ist bereits älter als 65 – geht es auch darum, Wohnungen so zu gestalten, dass sie sich leicht an die Bedürfnisse von Singles, Familien und Senioren anpassen lassen. Gleichzeitig soll der Einsatz von Technik und Künstlicher Intelligenz (KI) insbesondere ältere Menschen unterstützen. Im Rahmen des Projekts „Open Smart UR“ der staatlichen Wohnungsbaugesellschaft UR in der Tokyoter Siedlung „Nouvelle Akabane-dai“ erprobt Japans größter Bauträger gemeinsam mit der Tokyo-Universität Ideen für flexibles Wohnen in alternden Gesellschaften: Ein Wohnzimmer, das sich auf Knopfdruck in ein Schlafzimmer verwandelt. Auch der Einsatz von Sensorik zur Steuerung von Licht, Temperatur und Luftdruck ist weit verbreitet.

So kann Wohnkomfort und Stromverbrauch optimiert werden. Gerade vor dem Hintergrund der Pariser Klimaziele und der schleppenden Sanierung des deutschen Gebäudebestandes suchen immer mehr Investoren nach technischen Optimierungspotenzialen, der Blick nach Tokyo kann helfen. Auch im Umgang mit den immer häufigen auftretenden Hitzewellen haben die Japaner schon Erfahrungen gesammelt.

Tokyo hat ein subtropisches Klima. Die heißen und feuchten Sommer werden im Zuge des Klimawandels von Jahr zu Jahr länger und heißer. Aber die Landeshauptstadt ist auch hierbei erfinderisch: Unterirdische Gänge im Stadtgebiet dienen der sofortigen Abkühlung und Bushaltestellen werden im Sommer kurzerhand zu Duschen: von den Haltestellendächern fällt feiner Sprühregen, der abkühlt, aber nicht durchnässt. „Grüne Klimaanlagen“ sind auch entlang von Gehwegen, auf Bahnstationen und in öffentliche Parks installiert. Das dafür verwendete Wasser ist Regenwasser aus dem öffentlichen Kanalisationssystem.

Tokyo und seine Bewohner zeigen, wie man mit Cleverness den enormen Herausforderungen begegnen kann, denen eine noch immer wachsende Megametropole ausgesetzt ist. Häufig sind es die kleinen Maßnahmen, die die Lebensqualität in wachsenden Metropolen erhalten – und damit ihre große Anziehungskraft und Bedeutung für Bewohner und Investoren.


Bildquelle Header: AdobeStock_251121174

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