Debt: Zinsvorteil durch Nachhaltigkeit
Autor
Sebastian Russ
Blogbeitrag
Nachhaltigkeit muss zu einem realen Zinsvorteil führen – insbesondere in unsicheren Zeiten
Die Finanzierung von Projektentwicklungen gilt als die Königsdisziplin der Immobilienfinanzierung. Während in den letzten Jahren, aufgrund sehr günstiger Kredite, einer Vielzahl an „forward funding“ Erwerbern mit geringen Kapitalkosten und konstant steigender Verkaufspreise, fast jeder Business Plan übertroffen werden konnte, müssen sich Projektentwickler seit Ende 2021 mit erheblichen negativen Einflüssen auf ihr Tagesgeschäft auseinandersetzen. Steigende Zinsen, Inflationsdruck auf Löhne und Energiepreise, gestiegene Bau- und Materialkosten, Lieferkettenengpässe sowie unklare Exit-Strategien mit allgemein sinkenden Verkaufspreisen erschweren die verlässliche Kalkulation und Umsetzung der Projektentwicklungen. Als Konsequenz für die gestiegene Unsicherheit werden als Voraussetzung für die Kreditvergabe höhere Sicherheitsleistungen des Kreditnehmers erwartet. Erschwerend kommt hinzu, dass Banken seit April 2022 zusätzliche regulatorische Einschränkungen berücksichtigen und die Kreditvergabe für Wohnimmobilien mit mehr Eigenkapital unterlegen müssen.
Was sollten insbesondere Entwickler von Wohnimmobilienprojekten nun berücksichtigen? Im Gegensatz zu einem Bullenmarkt, in dem fast jeder - scheinbar risikolos - Erfolge erzielen kann, ist jetzt wieder die Expertise des Entwicklers gefragt. Marktteilnehmer ohne ausreichende Eigenmittel und Projekte ohne fundiertes Konzept oder mit mangelhaftem ESG-Fit werden nicht mehr erfolgreich sein können. Diejenigen Entwickler aber, die solche Elemente bedenken und gleichzeitig ausreichende Eigenmittel nachweisen können, um mit dem derzeitigen Finanzierungsumfeld umgehen zu können, werden langfristig von den fundamentalen Treibern profitieren. Nach wie vor werden in Deutschland jedes Jahr erheblich weniger Wohnungen fertig gestellt als benötigt. Dabei könnten sowohl die einwanderungsbedingt steigende Nachfrage als auch die negativen Realzinsen mittelfristig wieder zu steigenden Verkaufspreisen führen.
Ob die Markterholung tatsächlich bereits kurzfristig zu erwarten ist oder doch erst später: qualitativ hochwertiger, nachhaltiger und gleichzeitig bezahlbarer Wohnraum wird weiterhin nachgefragt werden. Ansätze hierfür gibt es zahlreiche: durch industrielle Fertigung im Modul- und Elementbau können Preisvorteile sowie eine höhere Kostensicherheit ermöglicht werden. Ergänzt man die Berücksichtigung ökologischer Aspekte durch regenerative Energieversorgung und emissionsarme Baustoffe wie Holz, kann die bei der Errichtung von Wohngebäuden anfallende CO2-Belastung im Vergleich zu konventioneller Bauweise erheblich reduziert werden. Unter Risikogesichtspunkten besteht wenig Zweifel: entsprechend energieeffiziente, möglichst autarke Gebäude mit niedrigem Carbon Footprint und geringen Energiekosten werden einen Mieter bzw. einen Käufer finden. Verfügt der Projektentwickler des Weiteren über eine solide Kapitalausstattung und einen bereits aufgebauten Bestand an attraktiven Grundstücken oder gesicherten Zugriff auf Fertigungskapazitäten, so sollte für diesen Entwickler auch weiterhin ausreichender Zugang zu Finanzierungsmitteln bestehen.
Nicht zuletzt aufgrund der EU-Taxonomie-Verordnung werden sich institutionelle Investoren künftig noch stärker auf nachhaltige Anlageprodukte konzentrieren. Geringere Betriebskosten und die Vermeidung künftiger Abgaben oder Kosten (etwa eine mögliche CO2-Steuer oder ein Sanierungszwang) vor dem Hintergrund der EU-Ziele eines komplett klimaneutralen Bestandes bis 2050 verstärken diese Tendenz zusätzlich. In der Folge sollten die reduzierten Risikofaktoren in einem Zinsvorteil für entsprechende Produkte führen, sowohl im Bestand als auch in der Entwicklungsphase.
Nachhaltig aufgestellte Unternehmen haben also wenig Grund, sich hinter den derzeitigen Unsicherheiten zu verstecken. Der Markt sollte sich eben solchen Projektentwicklern zuwenden und mit flexiblen Finanzierungsangeboten auf die individuellen Anforderungen reagieren.
Es muss die Erwartungshaltung der ganzen Branche werden, dass die Entwicklung von dringend benötigtem nachhaltigem Wohnraum nicht durch kurzfristige Marktverwerfungen und restriktive Kreditvergabe beeinträchtigt werden darf, wenn die grundsätzlichen Rahmenbedingungen passen.
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