Nachhaltigkeitsstrategie im Investment Management
Autor
Thomas Kuhlmann
Blogbeitrag
Notwendige, aber auch ambitionierte internationale sowie nationale Klimaziele setzen neue Rahmenbedingungen und nehmen bereits großen Einfluss auf Wirtschaft und Unternehmen.
In der wirtschaftlichen Nachhaltigkeitsintegration hat sich analog zum bestehenden Drei- Säulen-Modell der „ESG“-Begriff etabliert. Dieser steht für die drei Nachhaltigkeitsdimensionen Environmental, Social und Governance und deren gleichwertiger Berücksichtigung sowie durchgängigen Implementierung in die grundlegenden ökonomischen Handlungs- und Entscheidungsprozesse. Dabei handelt es sich um einen dynamischen Prozess, dem auch für die Investmentbranche eine zunehmend große Bedeutung zukommt.
Klimaschutzziele: Immobilienwirtschaft ist wichtiger Einflussfaktor
Das in Deutschland vom Bundestag beschlossene Gebäudeenergiegesetz, welches die bisherige Energieeinsparverordnung und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz zusammenfasst, soll ein einheitliches Anforderungssystem für die Errichtung neuer Gebäude etablieren, mit dem Ziel, den Primärenergiebedarf möglichst gering zu halten, die Energiebedingungen durch baulichen Wärmeschutz zu begrenzen und den verbleibenden Energiebedarf zunehmend durch erneuerbare Energien zu decken.
Entsprechend der Zielvorgabe des Klimaschutzplans der Bundesregierung könnte auf diese Weise bis zum Jahr 2050 ein nahezu klimaneutraler Immobilienbestand in Deutschland beziehungsweise eine Reduzierung der Endenergieverbräuche um 50 Prozent erreicht werden. Um dieses Ziel auch zu realisieren, dürfen Immobilien – unabhängig vom Objekttyp – im Durchschnitt nicht mehr als 100 kWh/m²a verbrauchen. Gemäß des bereits 2019 beschlossenen Klimaschutzprogramms 2030 soll bis zum Jahr 2030 eine erste schrittweise Emissionsreduktion im Immobiliensektor um 45 Prozent erfolgen.
Auf europäischer Ebene hat die EU-Kommission im Dezember 2019 mit dem European Green Deal ein milliardenschweres Förderprogramm zur Erreichung der Klimaneutralität des Kontinents bis zum Jahr 2050 vorgelegt. Neben der Einführung von EU-Referenzwerten, „CO2 -Benchmarks“, für den klimabedingten Wandel werden seitens der Europäischen Union im Rahmen des EU-Aktionsplans für nachhaltige Finanzierung (Sustainable Finance) ebenfalls Standards für eine ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeit erarbeitet. Die seit dem 1. Januar 2021 in Kraft getretene Taxonomie-Verordnung enthält Kriterien zur Bestimmung, ob eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist, um damit den Grad der ökologischen Nachhaltigkeit einer Investition ermitteln zu können.
Seit März 2021 greift die EU mit der Offenlegungsverordnung (2019/2088) und umfassenden regulatorischen Anforderungen in die Investmentbranche und damit auch den Immobilienmarkt ein. Ziel der Verordnung ist es, die Nachhaltigkeit von Investments, den Schutz der Anleger und die Transparenz im Vertrieb von Anlageprodukten zu verbessern. Mit der Verordnung werden Finanzmarktteilnehmer, z. B. Investmentfonds, die ein Finanzprodukt als ökologisch vermarkten wollen, dazu verpflichtet, über den Anteil an ökologisch nachhaltigen Investitionen im Sinne der Verordnung in ihrem Portfolio zu berichten. Differenziert wird, ob ein Fonds ökologische und/oder soziale Merkmale bewirbt (Artikel-8-Fonds), nachhaltige Investitionen anstrebt (Artikel-9-Fonds; Impact-Produkte) oder keine Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt (Artikel-6-Fonds). Die Verordnung soll zum einen nachhaltige Investitionen im Bereich der Immobilienfonds fördern und zum anderen einen essenziellen Beitrag zum Green Deal leisten.
Unser Wandel zur Nachhaltigkeitsorganisation
Als Hahn Gruppe leben wir unternehmerische Verantwortung seit rund vier Jahrzehnten bei der Interaktion mit einer Vielzahl von Anspruchsgruppen sowie in Bezug auf Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekte in der Wertschöpfungskette von Immobilien. Für unsere Immobilienfondsprodukte ist Nachhaltigkeit ein fortlaufender Optimierungsprozess im gesamten Lebenszyklus der Immobilie, der erst die Grundlage für langfristig erfolgreiche Investments schafft. Doch der aufgezeigte gesellschaftliche Wandel und die politischen Rahmenbedingungen erfordern zukünftig einen noch breiteren Nachhaltigkeitshorizont, der uns die „license to operate“ sichert.
Vor diesem Hintergrund haben wir im Jahr 2020 entsprechende Organisationsstrukturen in der Hahn Gruppe geschaffen. Die Verantwortung für Nachhaltigkeit ist beim Vorstand angesiedelt. Ein neu gegründeter Nachhaltigkeits-Ausschuss setzt sich neben dem Vorstand aus Vertretern der Bereiche Immobilien, Property Management, Portfolio Management, Research und Investor Relations zusammen. Er koordiniert und steuert die strategischen Nachhaltigkeitsaufgaben und die Implementierung von Nachhaltigkeitskriterien auf Unternehmensebene und verantwortet zugleich die interne Kommunikation sowie das Reporting. Darüber hinaus beschäftigt sich der Nachhaltigkeitsausschuss mit den zukünftigen Entwicklungen der sozialen, ökonomischen und ökologischen Faktoren und wie sich diese auf die Wertigkeit und Nutzbarkeit einer Immobilie auswirken. Wichtig hierbei ist es, zukünftige Trends antizipieren und möglichen Risiken frühzeitig entgegenzuwirken zu können.
Unser Nachhaltigkeitsansatz verfolgt eine langfristige Guideline mit maßvollen Zwischenzielen, die zu einer nachhaltigen Optimierung unseres Handelns sowie zu einer ganzheitlichen Verbesserung der ESG-Konformität beitragen soll. Unter zur Hilfenahme einer aus Stakeholder-Befragungen entwickelten Nachhaltigkeits-Wesentlichkeitsmatrix wurden individuelle, beeinflussbare Parameter für die drei Nachhaltigkeitsdimensionen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung identifiziert. Daraus wurden eigenständige Teilprojekte abgeleitet, welche weiterführend von diversen Projektteams bearbeitet werden. Diese verfolgen primär die Zielsetzungen, der unternehmerischen, ökologischen und sozialen Verantwortung gerecht zu werden und einen unterstützenden Beitrag zur Entwicklung des Unternehmens zu leisten. Zu den Nachhaltigkeitsaktivitäten zählen initiierte soziale Projekte und Fördermaßnahmen als auch verschiedenartige Maßnahmen zur Reduktion von CO2 - Emissionen und zur Optimierung von Ressourcenverbräuchen an Bestandsobjekten. Die Koordination, das Controlling und die Evaluation der einzelnen Teilprojekte findet in regelmäßigen Nachhaltigkeitsausschusssitzungen statt.
Besondere Herausforderungen für die Investmentbranche
Wenngleich Nachhaltigkeit bei künftigen Investitionen und Anlageprodukten sowie in der Projektentwicklung als regulatorischer und wettbewerbsrelevanter Parameter verstärkt nachzuweisen sein wird, sind die dafür notwendigen Informationen, die zur Feststellung und Gewichtung der Nachhaltigkeitsauswirkungen aus Umwelt-, Sozial- und Governance- Aspekten erforderlich sind, im Markt noch nicht in vollem Umfang sowie in hinreichender Qualität verfügbar. Eine Herausforderung besteht trotz des einsetzenden Digitalisierungsschubs in der Immobilienwirtschaft in den Bereichen digitales Datenmanagement und der Generierung von nachhaltigen immobilienbezogenen Daten/KPIs, die einen wesentlichen Beitrag zu einer Effizienzsteigerung der Immobilienperformance leisten können. Hierbei fehlt es oftmals noch an ganzheitlichen und Asset-Klassen unabhängigen Lösungsansätzen. Als komplex gestaltet sich darauf aufbauend eine konsistente Berechnung „grüner Aktivitäten“ im Sinne der EU-Taxonomie auf Portfolioebene beziehungsweise, ob die berechenbaren ökonomischen Vorteile von Nachhaltigkeit auch in einer Energiebilanz entsprechend gespiegelt werden können. Die weitere Entwicklung dieser Faktoren hat Auswirkungen auf die Umwandlung von bestehenden Immobilienfonds, die Neukonzeption von Fonds sowie die zu erwartende Nachfrage von Investoren nach ausgewiesenen Nachhaltigkeitsfonds im Sinne der Offenlegungsverordnung.
Dynamische Zukunft – Dialog steht im Fokus
Im Rahmen unserer Nachhaltigkeitsstrategie setzen wir auf die breite Unterstützung unserer Mitarbeiter. Mit regelmäßigen Berichten aus den Nachhaltigkeitsgremien und -projekten sowie einer offenen Feedback-Kultur versuchen wir intern für die Zielsetzung zu begeistern, Förderer zu gewinnen und wertvolle Impulse zu erhalten. Die Bereitschaft sich einzubringen ist bei sozialen sowie umweltorientierten Projekten gleichermaßen hoch. Die Präferenzen unserer wichtigsten Anspruchsgruppen werden im Rahmen von regelmäßigen Stakeholderbefragungen abgefragt. Im persönlichen Kontakt mit unseren Investoren beschäftigen wir uns zudem systematisch mit den erforderlichen Bausteinen, um ESG- Kriterien im Investmentbereich zu integrieren. Der beschriebene Dialog ist die Basis für die Weiterentwicklung unserer Nachhaltigkeits-Wesentlichkeitsmatrix und der Ideengeber für neue und bestehende Projekte unserer Hahn-Nachhaltigkeitsagenda. Im Sinne der Transparenz und des Stakeholder-Dialogs dokumentieren wir die Fortschritte unserer nachhaltigkeitsbezogenen Aktivitäten in einem jährlich erscheinenden Nachhaltigkeitsreport.
Förderung der E-Mobilität an Handelsstandorten
Durch den vom Bundeskabinett im November 2019 beschlossenen „Masterplan Ladesäuleninfrastruktur“ und durch das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetzes (GEIG) möchte der Gesetzgeber den für die Mobilitätswende notwendigen Ladeinfrastrukturausbau vorantreiben. So sollen bis 2030 deutschlandweit insgesamt eine Million E-Ladepunkte zur Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund hat die Hahn Gruppe im Rahmen einer langfristigen strategischen Partnerschaft in diesem Jahr mit dem Ausbau von Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge im unmittelbaren Umfeld ihrer Handelsstandorte begonnen. Bundesweit sollen in den kommenden Jahren an rund 100 Immobilienstandorten Schnellladesäulen mit einer Ladeleistung von bis zu 300 Kilowatt (kW) entstehen.
HAHN-Immobilien-Beteiligungs GmbH
Buddestr. 14, 51429 Bergisch Gladbach, Deutschland
Tel.: +49 2204 9490-0
Titelfoto: E-Tankstelle Fulda © EnBW AG; Fotograf: Endre Dulic
Dies ist ein Auszug aus unserer Publikation ESG Kompakt - Das Magazin für die institutionelle Immobilienwirtschaft zum Thema Nachhaltigkeit, ESG und Circular Real Estate.