Transformation fürs Immobilien-Portfolio

10.12.2020

Autor

Martin Mörl

Martin Mörl

Geschäftsführer

Girlan Immobilien Management

Für manche überraschend: Es steckt nach wie vor viel institutionelles Immobilien-Anlagevermögen in Handel und Gastronomie. Laut des Branchenverbandes BVI machte die Nutzungsart „Handel / Gastronomie“ bei offenen Spezialfonds einen Anteil von 32 Prozent im Jahr 2018 aus, bei einem Gesamtvolumen von rund 82 Milliarden Euro. Somit entfielen allein rund 26 Milliarden Euro indirektes Anlagevolumen auf Gewerbeimmobilien mit Handel und Gastronomie als Schwerpunktnutzung. Auch bei offenen Publikumsfonds machte die Nutzungsklasse Retail laut BVI rund 25 Prozent Ende 2019 aus.

Corona dürfte auch hier zu deutlichen Verschiebungen führen, denn wie kaum eine andere Anlageklasse hatte und hat der Einzelhandel unter der Pandemie und den Versuchen ihrer Einhegung zu leiden. Schon seit Jahren setzen Digitalisierung, Strukturwandel und E-Commerce den stationären Handel und damit Handelsimmobilien unter Druck. Sicher ist: Nicht alle heute für Handel genutzte Standorte werden auch morgen noch für den Einzelhandel genutzt werden. Fondsmanagern und institutionellen Investoren stellt sich immer häufiger die Frage, wie der eigene, direkte und indirekte Bestand an Handelsimmobilien nachhaltig und möglichst zukunftssicher weiterentwickelt werden kann.

Vielfältige Umnutzungsvarianten

Die Bandbreite an Transformationsszenarien ist groß und reicht auf der einen Seite von Komplettabriss über die Restrukturierung bis zur Optimierung bestehender (Core-) Assets auf der anderen Seite. Gerade größere innerstädtische Handelsflächen zum Beispiel in Shopping Centern, Kauf- oder Geschäftshäusern, die durch den Handel selbst nicht mehr nachgefragt werden, bieten neuen oder „verdrängten“ Nutzungen und Sortimenten viel Potenzial: Öffentliche Nutzungen wie Bürgerzentren, Kitas und Verwaltung, gesundheitliche Nutzungen wie Arztpraxen, Gesundheitszentren und Wellnessangebote, ebenso Gastronomie, Nahversorgung, Bio- und Reformhauskonzepte, Sport oder Freizeitangebote, ebenso innovative Retail-Konzepte und stationäre Shops vormals reiner Onlinehändler. Dazu kommen moderne Wohn- und Bürokonzepte und Last-Mile-Logistik.

Ferner gibt es für Handelsimmobilien, die nicht einem Neubau weichen sollen, erprobte Maßnahmen: Sortimente fokussieren, Mieterbesatz ausrichten, Flächen optimieren, Cross-Channel ausbauen, Service und Aufenthaltsqualität erhöhen, Objekte repositionieren, Kundenkommunikation digitalisieren. Mixed-Use ist dabei oft die Zauberformel. Wesentlich für den wirtschaftlichen Erfolg ist dabei, dass die Restrukturierungs- und Modernisierungskosten durch spätere Mieten wieder eingespielt werden können, was angesichts der Komplexität von Planung und Umsetzung im Einzelfall sehr herausfordernd sein kann. Hinsichtlich der Ermittlung erzielbarer Mietniveaus ist eine umfassende Analyse der Immobilie, des Standorts, des Wettbewerbsumfelds etc. unabdingbar und obligatorisch.

Handel hat Zukunft

Fazit: Die Nachfrage nach Handelsflächen wird weiter nachlassen – mit dieser Entwicklung müssen sich Immobilienfonds und andere Immobilieninvestoren stärker denn je auseinandersetzen. Abgesehen von Lebensmitteln und Nahversorgung hat sich Retail zu einer anspruchsvollen Assetklasse entwickelt, die konzeptionelle Weitsicht und aktives Management benötigt, um angemessene Mieten sicherzustellen, auskömmliche Renditen zu erwirtschaften und vorhandene Risiken im Portfolio zu reduzieren. Bei allen Herausforderungen: Retail hat Zukunft. Gut gemanagte Shopping Center, Kauf- und Geschäftshäuser an guten Standorten werden ihre Attraktivität behalten.

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