Zeit für antizyklisches Agieren auf den Immobilienmärkten

10/19/2023

Autor

Bernd Haggenmüller

Bernd Haggenmüller

Managing Director

ARDIAN Germany GmbH

Blogbeitrag

Zeit für antizyklisches Agieren auf den Immobilienmärkten

Die Stimmung auf den Immobilienmärkten könnte schlechter kaum sein. Zehn Jahre des Booms haben ihr jähes Ende gefunden. Wer nicht noch im 1. Halbjahr 2022 – bereits zu korrigierten Preisen – verkaufen konnte, findet sich heute in einem weitgehend illiquiden Markt wieder. Zwar gibt es bisher kaum Evidenz für ein neues Marktpreisniveau, doch allein die rechnerische Ableitung unter Berücksichtigung des Zinsanstieges von ca. 1,5 % auf heute 4,5 % macht klar, dass – ceteris paribus – die Preise für Immobilien um 20 % bis 30 % nach unten korrigieren müssen, um mit anderen Anlageklassen erfolgreich um die Gunst der Anleger konkurrieren zu können. Über absolute Top-Büroimmobilien wird heute noch von Kaufpreisen des maximal 25-fachen der Jahresmiete gesprochen, während es in der Spitze das 35-fache oder mehr war.

Das Investitionsvolumen bei Büroimmobilien ist vom ersten Halbjahr 2022 zum ersten Halbjahr 2023 um knapp 80% eingebrochen. Käufer und Verkäufer können sich in der Regel noch nicht über ein passendes Preisniveau verständigen. Diese Marktphase ist besonders schwierig für Projektentwickler, die beispielsweise bei Projektkosten von 90 Mio. Euro mit Fremdkapital von 80 Mio. Euro gearbeitet und mit einem Verkaufspreis von 100 Mio. Euro plus kalkuliert hatten. Bei neuer Bewertung sind oft nur noch Preise von 70 Mio. Euro realisierbar. Dementsprechend sind Eigenkapital und ein Teil der Fremdfinanzierung perdu und zahlreiche, auch namhafte Projektgesellschaften in die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit gerutscht.

Der Verkaufsdruck dürfte bei zahlreichen Marktteilnehmern im kommenden Jahr nochmals deutlich steigen. Ursachen dafür können der Liquiditätsbedarf im Zuge von anstehenden Refinanzierungen oder Mittelabflüsse bei offenen Fondsstrukturen sein. Diese Anlegergruppe könnte zum Verkauf gezwungen sein und Preisabschläge insbesondere für Objekte akzeptieren, die länger im Bestand gehalten wurden und trotz Preiskorrektur über historischen Anschaffungswerten oder gar über Buchwerten liegen.

Ferner erfordern erste Transaktionen zu korrigierten Marktpreisen eine Anpassung der Immobilienbewertungen in der Breite. Derzeit werden starke Abwertungen vermieden – mit dem Argument der mangelnden Marktevidenz, da es keine Vergleichstransaktionen gibt. Dieses Argument dürfte sich bis Ende 2024 in Luft aufgelöst haben. Bewertungskorrekturen lösen dann einen Bruch der LTV-Covenants aus und ziehen Eigenkapitalnachschusspflichten nach sich. Zusätzlich besteht ein gigantischer Kapitalbedarf für Dekarbonisierung von Immobilien, der allein im Wohnbereich bei 3,6 Billionen Euro bis 2045 liegt. Auch hieraus wird sich das Angebot am Immobilienmarkt erhöhen.

All diesen expansiven Aspekten auf der Produktangebotsseite steht derzeit und wohl auch mindestens noch im nächsten Jahr eine im Vergleich zu den Boomjahren gesunkene Nachfrage nach Immobilieninvestments gegenüber. Attraktive Alternativen auf der Fixed-Income-Seite und schmerzhafte Erfahrungen im aktuellen Umfeld werden dazu führen, dass manche Investoren eine Rückkehr auf die Käuferseite sehr bedacht angehen werden.

Zeit also, ein paar Quartale abzutauchen und in die Beobachterrolle zu treten? Mitnichten. „Kaufen, wenn die Kanonen donnern” gilt nicht nur auf den Aktienmärkten. Vorausschauende und gut kapitalisierte Anleger finden in solchen Zeiten attraktive Opportunitäten. Besonders hoch sollten die Abschläge für nicht ESG-konforme, unrenovierte und ältere Immobilien sein. Wer Kompetenz in der Revitalisierung und Dekarbonisierung von Immobilien im Haus hat, wird hier sehr gute Einstiegsmöglichkeiten finden. Ebenso werden sich Opportunitäten in bevorzugten Lagen finden, die in Boomzeiten nur zu überteuerten Preisen gehandelt wurden. Wer deutlich preisangepasste Immobilien mit Entwicklungspotenzial identifizieren kann, sollte im Laufe des Jahres 2024 einen gezielten Wiedereinstieg in den Investmentmarkt in Erwägung ziehen.

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