Urbanisierung der Logistik

12/01/2022

Autor

Dr. Wolfgang Speckhahn, LL.M. MRICS

Dr. Wolfgang Speckhahn, LL.M. MRICS

Managing Partner

DeA Capital Real Estate Germany GmbH

Blogbeitrag

Urbanisierung der Logistik - Veränderungen der Supply-Chain Infrastruktur

Zunehmender E-­Commerce und eine wachsende Erwartungshaltung des Kunden nach kürzeren Lieferzeiten bestimmen den Bedarf an innerstädtischen Logistik- bzw. Lagerflächen.

Der Logistikmarkt und damit die Entwicklung der Logistikimmobilie treten derzeit in ihren nächsten Zyklus ein.Vor über 15 Jahren begann das Interesse von Investoren am Sektor Logistik durch den industriellen Trend zu „just in time“, in den folgenden Jahren entstand entlang der europäischen Lieferwege ein großer Bestand an Logistikimmobilien.

Mit dem aufkommenden E-Commerce vor knapp zehn Jahren entstand dann der Bedarf zu größerer Kundennähe und damit kürzeren Lieferwegen, so dass die Logistikimmobilie in Stadtrandlagen vor Städten und Metropolen angesiedelt wurde. Von dort erfolgte auf der sog. letzten Meile die Lieferung an den Kunden.

Weitere Einflussfaktoren auf die Logistik

In den kommenden Jahren werden das „Re-/Nearshoring“ und der Klimawandel eine neue Entwicklungsphase der Logistik einläuten. So werden die durch COVID gestörten Lieferketten, die eine Verkürzung bzw. den Ausfall von Halbprodukten - und damit Produktknappheiten - bewirkt haben, wieder zu einer zunehmenden Förderung von lokaler Produktion nahe am Kunden(Markt) führen. Damit wird das Nearshoring in erster Linie weitergehenden Bedarf an Logistikimmobilien befördern.

Auch die Auswirkungen des Klimawandels sowie die allgemeinen Bemühungen zur Verbesserung der Lebensqualität in urbanen Lebensräumen werden Auswirkungen auf die Logistikindustrie haben. Erste Städte haben schon Maßnahmen zur Verringerung von motorisiertem Verkehr in innerstädtischen Zonen umgesetzt (Mailand, Barcelona, La Rochelle, London), weitere Maßnahmen sind bereits angekündigt (EU2035; Paris 2035).

Alternative Transportsysteme (E-Scooter, E-Rikschas, E-Bikes) werden die daraus resultierenden Anfo4rderungen nicht auffangen können, schon deshalb, weil sie nicht auf die volumenmäßigen Anforderungen der Logistikdienstleister abgestimmt sind. Dies kann nur über eine erheblich höhere Anzahl an gleichzeitig liefernden Mitarbeitern oder aber eine deutliche Verkürzung von Lieferweg bzw. -zeit gelöst werden.

In den Fokus gerückt werden muss auch, dass der in den letzten knapp fünf Jahren aufgekommene Quick-(Q)-Commerce inzwischen einen maßgeblichen Anteil am E-Commerce für sich beansprucht (Gorillas, Gtir, Flink), bietet er seinen Kunden doch die Möglichkeit, Waren und Produkte quasi ohne Wartezeit erhalten zu können. Hierauf hat Amazon bereits mit dem Produkt Prime-Ultra reagiert, das Lieferungen in einer Stunde garantiert. Alle Faktoren zusammen verändern die innerstädtischen Lieferketten und deren Infrastruktur nachhaltig. Die Diskussion dabei ist nicht, ob die Lieferzeit aus Sicht der Logistikdienstleister Relevanz hat, vielmehr ist maßgeblich, was der Kunde erwartet.

Aus „Last-­Mile“ wird „Urban­-Mile“

Die bisher genutzte Last-Mile-Immobilie ist künftig zu weit entfernt vom Kunden. Sie kann jedoch weiterhin Lagerhaltung als Zwischenhub übernehmen, um die aus dem Fulfillment-Center kommenden Großtransporte in kleinere Chargen aufzuteilen und für den Transport in die Städte und dortige kleinteilige Verbreitung vorzubereiten.

Da die Transportkosten anteilig mehr als 50% der operativen Kosten ausmachen, ist eine Erhöhung der Anzahl von Fahrten zum Infill-Center ebenso wenig eine Option wie die Erhöhung der Anzahl Mitarbeiter.

Notwendig werden innerstädtische Microhubs, von wo die Auslieferung mit elektrisch oder Muskelkraft betriebenen Transportlösungen in die beschränkt befahrbaren innerstädtischen Lagen, in kurzer Lieferzeit und aufgrund der beschränkten Lieferkapazität der Transportlösungen in wiederholter Anzahl auf täglicher Basis, möglich ist. Amazon oder die Deutsche Post suchen bereits nach geeigneten Objekten, in denen sich eine urbane Mikro-Logistik-Infrastruktur realisieren lässt.

Das Problem: die Innenstädte sind gebaut. Der Aufbau einer innerstädtischen Lieferketten-Infrastruktur bedingt somit im Wesentlichen die Verwendung und Nutzbarmachung bestehender, flexibel nutzbarer Objekte, wie sie insbesondere in Großstädten vorhanden sind – die neue Urban-Mile-Logistik.

Interessante Potentiale für Nutzer und Investoren

Zwar ist die Bewertung erhöht, aber die infrage kommenden Objekte verfügen über ein erhebliches Wertschöpfungs- und Werterhöhungspotential. Sie finden sich meist in gewerblich genutzten Innenstadtlagen und sind häufig gealtert bzw. schlecht instandgehalten, was wiederum Potentiale von der Neuentwicklung bis zur wertsteigernden Renovierung eröffnet.

Auch führen die innerstädtische Lage und das knappe Angebot geeigneter Objekte zu relativ höheren Mieten. Darüber hinaus aber verfügen diese Objekte bei einer Umnutzung über Mieterhöhungspotentialen durch das „upcycling“ der Nutzung selbst. Der Q-Commerce zeigt, dass Mieten auf dem Niveau des Einzelhandelsbezahlt werden (müssen).

Für die gewerblich genutzte Immobilie entsteht dadurch ein Potential, das zuvor nicht erreichbar war. Durch die Umnutzung (upcycling) der Fläche von gewerblicher Nutzung zu innerstädtischer Mikro-Logistik entsteht ein Mietsteigerungspotential auf derselben Fläche, welches ohne die Umnutzung nicht erreichbar gewesen wäre.

Urbane, d.h. tatsächlich innerstädtische Mikro-Logistik wird sich entwickeln (müssen) und damit die Lieferketten-Infrastruktur und das operative Tätigkeitsfeld der Logistikdienstleister erweitern. Diesen kommenden Bedarf zu schließen, wird die Aufgabe der Immobilienwirtschaft sein.

Informationen zu den Abbildungen 

Abb. 1: Die Urbanisierung der Logistik
Quelle: DeA Capital Real Estate Germany GmbH
Abb. 2: Wachstum E­-Commerce durch private Onlinekäufe
Quelle: Eurostat, IREI
Abb 3.: Operative Kosten der Logistik
Quelle: IREI
Abb 4.: Mietrendite bei Logistik / Light­-Industrial
Quelle: PMA, IREI

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